Augsburger Allgemeine (Land West)
Neuer Anlauf zur MassenImpfung im Kreis
Heute sollen sich wieder mehr als 3000 Senioren anmelden. Ob sie tatsächlich zum Zug kommen, will aber niemand garantieren. Denn es ging schon einmal gewaltig schief
Landkreis Augsburg Immer wieder hat es Hubert Kaiser versucht, doch der 86-Jährige kam nicht durch. Der Gablinger wollte einen Termin zur Corona-Impfung ausmachen. Dazu hatte das Landratsamt insgesamt 3300 Senioren aufgefordert. Doch unter der angegebenen Nummer meldete sich die Aufnahme einer freundlichen Frauenstimme: „Aufgrund der unvorhergesehenen Lieferschwierigkeiten der Firma Pfizer/Biontech können wir leider entgegen der ursprünglichen Planungen keine Termine für Erstimpfungen in unserem Impfzentrum vergeben“, so die Ansage. Dennoch sollen Senioren wie Hubert Kaiser es heute wieder versuchen.
Denn inzwischen hat der Landkreis Aussicht auf frischen Impfstoff, weshalb die Arbeit im Impfzentrum Gablingen in der kommenden Woche anlaufen könnte. Könnte: Die Hand dafür ins Feuer legen will im Landratsamt nach den Erfahrungen vom Freitag vor einer Woche niemand mehr. An diesem Tag bekam Landrat Martin Sailer gegen 22 Uhr eine Mail, deren Inhalt sich wenig später bestätigte: Der versprochene Impfstoff – gedacht für die ersten Erstimpfungen von insgesamt 16.000 über 80-Jährigen im Landkreis, er würde nicht kommen. Keine Ampulle, so die ernüchternde Botschaft aus München.
Der Landkreis und das Dienstleistungsunternehmen Ecolog, das in seinem Auftrag die Impfungen abwickelt, nahmen daraufhin eilends das bereits vorbereitete Callcenter vom Netz. Was hätten die Mitarbeiter den Senioren auch sagen sollen?, so die Begründung. Stattdessen kam die Ansage der Absage vom Band.
Am heutigen Samstag wird ein neuer Anlauf unternommen. Das teilte das Landratsamt am Freitag mit. Ab Samstag, 23. Januar, zwischen 10 und 18 Uhr, können sich die bereits angeschriebenen 3300 über 80-Jährigen unter der in ihren Briefen angegebenen Telefonnummer für eine Impfung im Impfzentrum registrieren. Die telefonische Registrierung wird im Folgenden täglich von 8 bis 18 Uhr möglich sein. Sobald der Landkreis Impfstoff für Erstimpfungen erhält, werden die registrierten Personen nach Eingang ihrer Registrierung mit einem Vorlauf von mindestens 24 Stunden telefonisch über ihren möglichen Impftermin informiert, der in Gablingen stattfinden soll.
Diese Vorgehensweise hat einen großen Nachteil. Das ist den Verantwortlichen im Landratsamt auch bewusst. Sie gehen davon aus, dass die zur Impfung Registrierten sich in den nächsten Tagen kaum noch vom Telefon wegtrauen, weil sie den Anruf der Behörde auf keinen Fall verpassen wollen. Ob dieser tatsächlich kommt, ist aber ungewiss.
nach wie vor bekommt der Landkreis weniger Impfstoff als versprochen, zudem gibt es den Nachschub nur unregelmäßig. Ursprünglich waren 2000 Impfdosen zugesagt. Die eine Hälfte ist für die zweite Impfung bereits geimpfter Menschen in den Altenheimen vorgesehen, die anderen 1000 sollten für die Erstimpfung hergenommen werden. Aber diese 1000 kamen nicht und sind auch in der kommenden Woche wegen der allgemeinen Lieferschwierigkeiten von Biontech höchst unsicher.
Landrat Sailer will dennoch das wenige verimpfen lassen, das zu bekommen ist. „Das ist unsere Pflicht – und seien die Impfstoffmengen, die uns über den Freistaat erreichen, auch noch so gering.“Dabei drängt die Zeit, weil das tiefstgefrorene
Vakzin nach dem Auftauen nur wenige Tage haltbar ist.
Bislang erfolgten die Impfungen im Landkreis, die am 27. Dezember offiziell gestartet waren, überwiegend durch mobile Teams, die in Altenheimen spritzten. Auf diese Weise sind nach Angaben aus dem Landratsamt Augsburg 2897 Erstimpfungen und 607 Zweitimpfungen vorgenommen worden. Es seien keine Impfdosen verworfen worden. Geimpft wurden Bewohner sowie Personal in Alten- und Pflegeeinrichtungen, Beschäftigte in Intensivstationen, Notaufnahmen und Rettungsdiensten, sowie einzelne Personen, die aufgrund ihres hohen beruflichen Ansteckungsrisikos auf Hop-on-Listen aufgenommen waren.
Sie erhielten im Gablinger ImpfDenn zentrum Impfstoff, der ansonsten verdorben wäre. Die Aktion war zugleich ein erster Testlauf für die improvisierte Einrichtung in der Nähe der JVA. In dem ehemaligen Ausweichlager einer Putenfarm waren am Freitag Handwerker damit beschäftigt, zusätzliche Wände einzuziehen und weitere Telefon- und Datenkabel zu verlegen – falls der Impfbetrieb in der kommenden Woche tatsächlich starten kann.
Sobald es gelungen ist, die ersten 3300 Senioren zu impfen, soll eine weitere der insgesamt vier Gruppen der über 80-Jährigen drankommen. Welche Gruppe zum Zuge kommt, entschied bislang das Los. Ein Verfahren, das der Gablinger Hubert Kaiser – obwohl einer der Nutznießer – nicht so toll findet. „Die Terminvergabe ist doch keine Lotterie“, sagt der 86-Jährige. Er hätte es sich gewünscht, dass andere zuerst geimpft werden. „Wieso kann man nicht Jahrgang für Jahrgang anschreiben und mit den Ältesten beginnen?“, fragt der Mann aus Gablingen.
Auch Hubert Maiß aus Gessertshausen ist alles andere als glücklich. Er ist an die 70, hat kein Internet und ist an der bayerischen TelefonHotline nicht durchgekommen. Deshalb ist Maiß am Freitag nach Gablingen gefahren, um sich persönlich am Impfzentrum anzumelden. Er trifft dort auf Michael Püschel, der die Impfaktion für das Landratsamt koordiniert, und Maiß erklärt, dass er sich erst in acht oder neun Wochen eine Chance ausrechnen dürfe. Der Impfstoff sei knapp und erst seien die über 80-Jährigen dran.
Immerhin macht Püschel Maiß Hoffnung, dass die Anmeldung bis dahin besser funktionieren könnte. Versprechen will er das aber auch nicht. Maiß folgt den Ausführungen des Spitzenbeamten schweigend, seine Gesichtszüge sind unter der Maske nicht zu erkennen. Dann sagt er, dass er das „ziemlich katastrophal“finde und „alles andere als befriedigend“. Püschel stimmt zu: „Das unterschreibe ich Ihnen sofort.“