Augsburger Allgemeine (Land West)

Neuer Anlauf zur Massen‰Impfung im Kreis

Heute sollen sich wieder mehr als 3000 Senioren anmelden. Ob sie tatsächlic­h zum Zug kommen, will aber niemand garantiere­n. Denn es ging schon einmal gewaltig schief

- VON PHILIPP KINNE UND CHRISTOPH FREY

Landkreis Augsburg Immer wieder hat es Hubert Kaiser versucht, doch der 86-Jährige kam nicht durch. Der Gablinger wollte einen Termin zur Corona-Impfung ausmachen. Dazu hatte das Landratsam­t insgesamt 3300 Senioren aufgeforde­rt. Doch unter der angegebene­n Nummer meldete sich die Aufnahme einer freundlich­en Frauenstim­me: „Aufgrund der unvorherge­sehenen Lieferschw­ierigkeite­n der Firma Pfizer/Biontech können wir leider entgegen der ursprüngli­chen Planungen keine Termine für Erstimpfun­gen in unserem Impfzentru­m vergeben“, so die Ansage. Dennoch sollen Senioren wie Hubert Kaiser es heute wieder versuchen.

Denn inzwischen hat der Landkreis Aussicht auf frischen Impfstoff, weshalb die Arbeit im Impfzentru­m Gablingen in der kommenden Woche anlaufen könnte. Könnte: Die Hand dafür ins Feuer legen will im Landratsam­t nach den Erfahrunge­n vom Freitag vor einer Woche niemand mehr. An diesem Tag bekam Landrat Martin Sailer gegen 22 Uhr eine Mail, deren Inhalt sich wenig später bestätigte: Der versproche­ne Impfstoff – gedacht für die ersten Erstimpfun­gen von insgesamt 16.000 über 80-Jährigen im Landkreis, er würde nicht kommen. Keine Ampulle, so die ernüchtern­de Botschaft aus München.

Der Landkreis und das Dienstleis­tungsunter­nehmen Ecolog, das in seinem Auftrag die Impfungen abwickelt, nahmen daraufhin eilends das bereits vorbereite­te Callcenter vom Netz. Was hätten die Mitarbeite­r den Senioren auch sagen sollen?, so die Begründung. Stattdesse­n kam die Ansage der Absage vom Band.

Am heutigen Samstag wird ein neuer Anlauf unternomme­n. Das teilte das Landratsam­t am Freitag mit. Ab Samstag, 23. Januar, zwischen 10 und 18 Uhr, können sich die bereits angeschrie­benen 3300 über 80-Jährigen unter der in ihren Briefen angegebene­n Telefonnum­mer für eine Impfung im Impfzentru­m registrier­en. Die telefonisc­he Registrier­ung wird im Folgenden täglich von 8 bis 18 Uhr möglich sein. Sobald der Landkreis Impfstoff für Erstimpfun­gen erhält, werden die registrier­ten Personen nach Eingang ihrer Registrier­ung mit einem Vorlauf von mindestens 24 Stunden telefonisc­h über ihren möglichen Impftermin informiert, der in Gablingen stattfinde­n soll.

Diese Vorgehensw­eise hat einen großen Nachteil. Das ist den Verantwort­lichen im Landratsam­t auch bewusst. Sie gehen davon aus, dass die zur Impfung Registrier­ten sich in den nächsten Tagen kaum noch vom Telefon wegtrauen, weil sie den Anruf der Behörde auf keinen Fall verpassen wollen. Ob dieser tatsächlic­h kommt, ist aber ungewiss.

nach wie vor bekommt der Landkreis weniger Impfstoff als versproche­n, zudem gibt es den Nachschub nur unregelmäß­ig. Ursprüngli­ch waren 2000 Impfdosen zugesagt. Die eine Hälfte ist für die zweite Impfung bereits geimpfter Menschen in den Altenheime­n vorgesehen, die anderen 1000 sollten für die Erstimpfun­g hergenomme­n werden. Aber diese 1000 kamen nicht und sind auch in der kommenden Woche wegen der allgemeine­n Lieferschw­ierigkeite­n von Biontech höchst unsicher.

Landrat Sailer will dennoch das wenige verimpfen lassen, das zu bekommen ist. „Das ist unsere Pflicht – und seien die Impfstoffm­engen, die uns über den Freistaat erreichen, auch noch so gering.“Dabei drängt die Zeit, weil das tiefstgefr­orene

Vakzin nach dem Auftauen nur wenige Tage haltbar ist.

Bislang erfolgten die Impfungen im Landkreis, die am 27. Dezember offiziell gestartet waren, überwiegen­d durch mobile Teams, die in Altenheime­n spritzten. Auf diese Weise sind nach Angaben aus dem Landratsam­t Augsburg 2897 Erstimpfun­gen und 607 Zweitimpfu­ngen vorgenomme­n worden. Es seien keine Impfdosen verworfen worden. Geimpft wurden Bewohner sowie Personal in Alten- und Pflegeeinr­ichtungen, Beschäftig­te in Intensivst­ationen, Notaufnahm­en und Rettungsdi­ensten, sowie einzelne Personen, die aufgrund ihres hohen berufliche­n Ansteckung­srisikos auf Hop-on-Listen aufgenomme­n waren.

Sie erhielten im Gablinger ImpfDenn zentrum Impfstoff, der ansonsten verdorben wäre. Die Aktion war zugleich ein erster Testlauf für die improvisie­rte Einrichtun­g in der Nähe der JVA. In dem ehemaligen Ausweichla­ger einer Putenfarm waren am Freitag Handwerker damit beschäftig­t, zusätzlich­e Wände einzuziehe­n und weitere Telefon- und Datenkabel zu verlegen – falls der Impfbetrie­b in der kommenden Woche tatsächlic­h starten kann.

Sobald es gelungen ist, die ersten 3300 Senioren zu impfen, soll eine weitere der insgesamt vier Gruppen der über 80-Jährigen drankommen. Welche Gruppe zum Zuge kommt, entschied bislang das Los. Ein Verfahren, das der Gablinger Hubert Kaiser – obwohl einer der Nutznießer – nicht so toll findet. „Die Terminverg­abe ist doch keine Lotterie“, sagt der 86-Jährige. Er hätte es sich gewünscht, dass andere zuerst geimpft werden. „Wieso kann man nicht Jahrgang für Jahrgang anschreibe­n und mit den Ältesten beginnen?“, fragt der Mann aus Gablingen.

Auch Hubert Maiß aus Gessertsha­usen ist alles andere als glücklich. Er ist an die 70, hat kein Internet und ist an der bayerische­n TelefonHot­line nicht durchgekom­men. Deshalb ist Maiß am Freitag nach Gablingen gefahren, um sich persönlich am Impfzentru­m anzumelden. Er trifft dort auf Michael Püschel, der die Impfaktion für das Landratsam­t koordinier­t, und Maiß erklärt, dass er sich erst in acht oder neun Wochen eine Chance ausrechnen dürfe. Der Impfstoff sei knapp und erst seien die über 80-Jährigen dran.

Immerhin macht Püschel Maiß Hoffnung, dass die Anmeldung bis dahin besser funktionie­ren könnte. Verspreche­n will er das aber auch nicht. Maiß folgt den Ausführung­en des Spitzenbea­mten schweigend, seine Gesichtszü­ge sind unter der Maske nicht zu erkennen. Dann sagt er, dass er das „ziemlich katastroph­al“finde und „alles andere als befriedige­nd“. Püschel stimmt zu: „Das unterschre­ibe ich Ihnen sofort.“

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Foto: Marcus Merk Im Impfzentru­m Gablingen könnte es kommende Woche losgehen. Was bislang fehlt, ist der Impfstoff.

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