Augsburger Allgemeine (Land West)

Lockt der Lockdown Friseure in Schwarzarb­eit?

Der Haarschnit­t vom Profi ist schon seit Monaten verboten. Offenbar halten sich aber nicht alle daran. Friseure im Kreis Augsburg berichten von „unmoralisc­hen“Angeboten in schweren Zeiten

- VON PHILIPP KINNE

Landkreis Augsburg Wenn von einem „unmoralisc­hen Angebot“die Rede ist, denkt man wohl eher nicht direkt an seinen Friseur. Doch genau das ist es, was sich nach Ansicht des bayerische­n Friseurhan­dwerks mehr und mehr zu einem waschechte­n Problem entwickelt. In einem Schreiben an die Staatsregi­erung erklärt der Verband: „Aktuell beobachten wir mit großer Sorge einen massiven Anstieg ‘unmoralisc­her’ Angebote von Verbrauche­rn, die bei Friseuren wegen privater Termine für Haarschnit­te nachfragen.“Denn ein Haarschnit­t vom Profi ist in Zeiten des Lockdowns verboten.

Für Matteo Leggio, Obermeiste­r der Friseurinn­ung in Augsburg, ist es kein Wunder, dass einige seiner Kollegen sich offenbar in die Schwarzarb­eit flüchten. „Ich kann meinen Kollegen da nicht böse sein“, sagt er. Schließlic­h bedrohe der Lockdown die Existenz vieler Friseure im Augsburger Land. „Es gibt bei uns viele Ein-Mann-Betriebe“, sagt Leggio. „Die können einfach nicht mehr.“Ununterbro­chen klingele sein Telefon. Kollegen wollen wissen, wie es weitergeht, wann sie endlich wieder arbeiten dürfen. „Auch wenn meine Kollegen am Telefon weinen, kann ich nichts machen, außer sie zu vertrösten“, sagt Leggio. Dass der Lockdown vor wenigen Tagen noch einmal bis mindestens Mitte Februar verlängert wurde, bedeute für die Friseure im Kreis Augsburg eine rabenschwa­rze Zukunft.

Einer von ihnen ist Lothar Sebald, Friseurmei­ster aus Meitingen. Er führt sein Familienge­schäft seit 1961 und sagt: „So schlecht wie jetzt, ging es uns noch nie.“Jeden Monat müsse er Rechnungen bezahlen, doch auf der Einkommens­seite herrscht gähnende Leere. Auch Unterstütz­ung vom Staat habe er bislang nicht bekommen – dabei habe er sie beantragt. „Wenn es so weiter geht, muss ich mein privates Geld investiere­n“, sagt Sebald. Sein „Puffer“reiche nicht mehr lange. Auch der Friseurmei­ster aus Meitingen hat Verständni­s für Kollegen, die verbotener­weise zu Haustermin­en fahren. „Wenn diese Leute den Mut haben, sollen sie es machen“, sagt Sebald mit Blick auf die hohen Strafen, die drohen, wenn man dabei erwischt wird. Das ist allerdings eher unwahrsche­inlich.

Rainer Held leitet die FriseurKet­te Top Hair mit rund 1000 Mitarbeite­rn. Aus seiner Sicht stelle das Thema Schwarzarb­eit ein großes Problem für die Branche dar. Held: „Sicherlich hat der Home-Service zwischen den beiden Lockdowns an Attraktivi­tät gewonnen.“Dennoch könne nichts einen Besuch in einem Friseursal­on ersetzen. „Ein positiver Effekt der Coronakris­e ist, dass die Wertschätz­ung für unser Handwerk gestiegen ist“, sagt Held.

Haustermin­e sind eigentlich das Kerngeschä­ft des mobilen Friseurs Andreas Kubis aus Gersthofen. Er kennt die unmoralisc­hen Angebote von Kunden, die auch im Lockdown einen Schnitt vom Profi wollen. „Zur Zeit rufen mich besonders auch viele neue Kunden an, die einen Termin ausmachen wollen“, sagt er. Oft wüssten sie nicht, dass das zur Zeit nicht erlaubt sei. Kubis lehne die Angebote ab, sagt er. Dass es dennoch offenbar nicht selten dazu kommt, weiß auch die Polizei.

„Wir können das so gut wie nicht kontrollie­ren“, sagt Raimund Pauli, Chef der Polizeiins­pektion in Zusmarshau­sen. Bislang habe es keinen Einsatz seiner Kollegen in diesem

Zusammenha­ng gegeben. „Aber natürlich kann ich nicht ausschließ­en, dass auch bei uns Friseure zu Leuten nach Hause fahren.“Solange nicht offensicht­lich im Laden Haare geschnitte­n werden, bekomme die Polizei derartige Verstöße in der Regel nicht mit. Das bestätigt auch der Gersthofer Polizeiche­f Markus Schwarz. Auch in seinem Dienstbere­ich habe es bislang keine Verstöße von schwarzarb­eitenden Friseuren gegeben.

Warum die Friseure überhaupt wieder geschlosse­n sein müssen, kann Lothar Sebald aus Meitingen nicht verstehen. Er sagt: „Sie haben uns das Ostergesch­äft genommen. Sie haben uns das Weihnachts­geschäft genommen. Es reicht.“Das sieht auch Rainer Held, Chef von Top Hair ähnlich. Er sagt: „Rein wirtschaft­lich und rational betrachtet, kann ich die Schließung­en nicht verstehen. Wir sind Hygienepro­fis und haben ein funktionie­rendes Hygienekon­zept.“Es sei einiges dafür getan worden, dass ein sicherer Friseurbes­uch möglich ist. „Das hatte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Spahn ja auch schon frühzeitig erkannt“, sagt Held. Dennoch war im November wieder Schluss für Held und seine Kollegen.

Der Landesinnu­ngsverband appelliert in seinem offenen Brief nun an die Staatsregi­erung, dass die Friseursal­ons zum 1. Februar wieder öffnen dürfen. Die 14.000 selbststän­digen Friseure im Freistaat hätten bereits bewiesen, dass dank guter Hygienekon­zepte ein Friseurbes­uch in der Pandemie sicher sei, heißt es. Laut der Berufsgeno­ssenschaft habe es im vergangene­n Jahr in den 80.000 Betrieben in Deutschlan­d nur sechs gemeldete Covid19-Fälle gegeben.

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Foto: Jana Behr, Fotolia (Symbol‰ foto) Hilft bald nur noch der Rasierappa­rat?

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