Augsburger Allgemeine (Land West)
Lockt der Lockdown Friseure in Schwarzarbeit?
Der Haarschnitt vom Profi ist schon seit Monaten verboten. Offenbar halten sich aber nicht alle daran. Friseure im Kreis Augsburg berichten von „unmoralischen“Angeboten in schweren Zeiten
Landkreis Augsburg Wenn von einem „unmoralischen Angebot“die Rede ist, denkt man wohl eher nicht direkt an seinen Friseur. Doch genau das ist es, was sich nach Ansicht des bayerischen Friseurhandwerks mehr und mehr zu einem waschechten Problem entwickelt. In einem Schreiben an die Staatsregierung erklärt der Verband: „Aktuell beobachten wir mit großer Sorge einen massiven Anstieg ‘unmoralischer’ Angebote von Verbrauchern, die bei Friseuren wegen privater Termine für Haarschnitte nachfragen.“Denn ein Haarschnitt vom Profi ist in Zeiten des Lockdowns verboten.
Für Matteo Leggio, Obermeister der Friseurinnung in Augsburg, ist es kein Wunder, dass einige seiner Kollegen sich offenbar in die Schwarzarbeit flüchten. „Ich kann meinen Kollegen da nicht böse sein“, sagt er. Schließlich bedrohe der Lockdown die Existenz vieler Friseure im Augsburger Land. „Es gibt bei uns viele Ein-Mann-Betriebe“, sagt Leggio. „Die können einfach nicht mehr.“Ununterbrochen klingele sein Telefon. Kollegen wollen wissen, wie es weitergeht, wann sie endlich wieder arbeiten dürfen. „Auch wenn meine Kollegen am Telefon weinen, kann ich nichts machen, außer sie zu vertrösten“, sagt Leggio. Dass der Lockdown vor wenigen Tagen noch einmal bis mindestens Mitte Februar verlängert wurde, bedeute für die Friseure im Kreis Augsburg eine rabenschwarze Zukunft.
Einer von ihnen ist Lothar Sebald, Friseurmeister aus Meitingen. Er führt sein Familiengeschäft seit 1961 und sagt: „So schlecht wie jetzt, ging es uns noch nie.“Jeden Monat müsse er Rechnungen bezahlen, doch auf der Einkommensseite herrscht gähnende Leere. Auch Unterstützung vom Staat habe er bislang nicht bekommen – dabei habe er sie beantragt. „Wenn es so weiter geht, muss ich mein privates Geld investieren“, sagt Sebald. Sein „Puffer“reiche nicht mehr lange. Auch der Friseurmeister aus Meitingen hat Verständnis für Kollegen, die verbotenerweise zu Hausterminen fahren. „Wenn diese Leute den Mut haben, sollen sie es machen“, sagt Sebald mit Blick auf die hohen Strafen, die drohen, wenn man dabei erwischt wird. Das ist allerdings eher unwahrscheinlich.
Rainer Held leitet die FriseurKette Top Hair mit rund 1000 Mitarbeitern. Aus seiner Sicht stelle das Thema Schwarzarbeit ein großes Problem für die Branche dar. Held: „Sicherlich hat der Home-Service zwischen den beiden Lockdowns an Attraktivität gewonnen.“Dennoch könne nichts einen Besuch in einem Friseursalon ersetzen. „Ein positiver Effekt der Coronakrise ist, dass die Wertschätzung für unser Handwerk gestiegen ist“, sagt Held.
Haustermine sind eigentlich das Kerngeschäft des mobilen Friseurs Andreas Kubis aus Gersthofen. Er kennt die unmoralischen Angebote von Kunden, die auch im Lockdown einen Schnitt vom Profi wollen. „Zur Zeit rufen mich besonders auch viele neue Kunden an, die einen Termin ausmachen wollen“, sagt er. Oft wüssten sie nicht, dass das zur Zeit nicht erlaubt sei. Kubis lehne die Angebote ab, sagt er. Dass es dennoch offenbar nicht selten dazu kommt, weiß auch die Polizei.
„Wir können das so gut wie nicht kontrollieren“, sagt Raimund Pauli, Chef der Polizeiinspektion in Zusmarshausen. Bislang habe es keinen Einsatz seiner Kollegen in diesem
Zusammenhang gegeben. „Aber natürlich kann ich nicht ausschließen, dass auch bei uns Friseure zu Leuten nach Hause fahren.“Solange nicht offensichtlich im Laden Haare geschnitten werden, bekomme die Polizei derartige Verstöße in der Regel nicht mit. Das bestätigt auch der Gersthofer Polizeichef Markus Schwarz. Auch in seinem Dienstbereich habe es bislang keine Verstöße von schwarzarbeitenden Friseuren gegeben.
Warum die Friseure überhaupt wieder geschlossen sein müssen, kann Lothar Sebald aus Meitingen nicht verstehen. Er sagt: „Sie haben uns das Ostergeschäft genommen. Sie haben uns das Weihnachtsgeschäft genommen. Es reicht.“Das sieht auch Rainer Held, Chef von Top Hair ähnlich. Er sagt: „Rein wirtschaftlich und rational betrachtet, kann ich die Schließungen nicht verstehen. Wir sind Hygieneprofis und haben ein funktionierendes Hygienekonzept.“Es sei einiges dafür getan worden, dass ein sicherer Friseurbesuch möglich ist. „Das hatte Bundesgesundheitsminister Spahn ja auch schon frühzeitig erkannt“, sagt Held. Dennoch war im November wieder Schluss für Held und seine Kollegen.
Der Landesinnungsverband appelliert in seinem offenen Brief nun an die Staatsregierung, dass die Friseursalons zum 1. Februar wieder öffnen dürfen. Die 14.000 selbstständigen Friseure im Freistaat hätten bereits bewiesen, dass dank guter Hygienekonzepte ein Friseurbesuch in der Pandemie sicher sei, heißt es. Laut der Berufsgenossenschaft habe es im vergangenen Jahr in den 80.000 Betrieben in Deutschland nur sechs gemeldete Covid19-Fälle gegeben.