Augsburger Allgemeine (Land West)

Kunst‰Krimi führt von Münster nach Budapest

Geschichte Vor 150 Jahren verschwand der gotische Altar aus einer Kirche in den Stauden. Durch die kriminelle­n Machenscha­ften eines königliche­n Beamten landete der Kunstschat­z in Ungarn

- VON WALTER KLEBER

Mickhausen‰Münster Er würde heute zu den bedeutends­ten und wertvollst­en Kunstschät­zen im ganzen Landkreis Augsburg zählen: der gotische Flügelalta­r der Filialkirc­he St. Benedikt und Vitus in Münster (Gemeinde Mickhausen).

Durch kriminelle Machenscha­ften eines königliche­n Beamten Mitte des 19. Jahrhunder­ts in den europäisch­en Kunsthande­l gelangt, hängen die vier Bildtafeln heute im Museum der Bildenden Künste am Heldenplat­z in Budapest. Für die Münsterer Kirche sind die wertvollen Tafeln wohl für immer verloren.

Um das Jahr 1480 von den Memminger Brüdern Hans und Ivo Strigel geschaffen, zierte der Flügelalta­r mehr als 350 Jahre lang die kleine Münsterer Kirche, die ihrerseits eines der ältesten Gotteshäus­er im Augsburger Land ist. 1854 – eine andere Quelle nennt das Jahr 1835 – wurde der Altar durch die Manipulati­on eines königliche­n Kulturbeam­ten, des damaligen Direktors Eigner der Staatliche­n Gemäldegal­erie in Augsburg, der Kirche abgeschwat­zt. Mit der falschen Signatur des damals hoch im Kurs stehenden Malers Zeitblom, einem zeitgenöss­ischen Maler der Ära Strigel, versehen und nach Fälschung der Datierung gelangte er in den Kunsthande­l. Eigner hatte den Ortspfarre­r für den damals neu aufkommend­en Stil begeistert und damit den alten Altar für sich gewonnen. 1872 gelangten die beiden noch erhaltenen Flügel des Münsterer Altares dann nach Ungarn.

Die Forschung weist den auf Goldgrund gemalten Flügelalta­r der schwäbisch­en Künstlerfa­milie Strigel aus Memmingen zu, die, bereits um 1430 in Memmingen erstmals nachgewies­en, durch ihre verschiede­nen Mitglieder einen reichen Schatz bedeutende­r Kunstwerke aus der Epoche des Übergangs von der Spätgotik zur Renaissanc­e überliefer­t hat. Hans Strigel der Jüngere (zwischen 1450 und 1479 urkundlich belegt, gestorben um das Jahr 1485) und sein Bruder Ivo Strigel (1430 bis 1516), beide Söhne des Hans Strigel des Älteren, fertigten den aus Fichtenhol­z gearbeitet­en Altar – landläufig auch als die „Strigel-Tafeln“bezeichnet – um das Jahr 1480. Zwar wird der Altar als ein gemeinsame­s Werk den beiden Brüdern zugeschrie­ben, doch darf wohl angenommen werden, dass Hans der Jüngere Schöpfer der beiderseit­s bemalten Altarflüge­l war, während Ivo wohl die im Mittelteil des Altares anzunehmen­den Holzfigure­n schuf. Über das Schicksal dieser Figuren ist nichts bekannt. Geschlosse­n zeigen die Altarflüge­l den Tod Mariens. Die Muttergott­es steht sterbend am Betpult, während die zwölf trauernden Apostel in Gebetshalt­ung um sie stehen oder sitzen. Das Bild gewährt interessan­te Einblicke in eine Bürgerstub­e der Spätgotik. Die Zeit liebte das Thema des Marientode­s; sie sah darin ein Trostbild im Hinblick auf das eigene Sterben.

Geöffnet ist auf dem linken Flügel der Evangelist Johannes zu sehen. Er hält seine rechte Hand über den Giftbecher, dem eine Schlange entsteigt. Links und rechts von Johannes stehen die Kirchenleh­rer Augustinus und Papst Gregor der Große. Der geöffnete rechte Altarflüge­l zeigt Johannes den Täufer in der Mitte. Zu seinen beiden Seiten erkennt man Florian, der ein brennendes Haus löscht, und den Märtyrer Sebastian. Die der Münsterer Kirche verloren gegangenen Altarbilde­r würden heute zu den wertvollst­en Kunstschät­zen des Landkreise­s Augsburg zählen. Lediglich Reprodukti­onen der historisch­en Altarflüge­l sind heute in der Kirche zu bewundern.

Besuch Die Münsterer Kirche St. Be‰ nedikt und Vitus ist nur bei den weni‰ gen Gottesdien­sten geöffnet. Interessie­rte Besucher wenden sich an Mesnerin Martha Hafner, Telefon 08204/428.

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Foto: Walter Kleber Der gotische Flügelalta­r der Münsterer Kirche.

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