Augsburger Allgemeine (Land West)
ImpfChaos in Gablingen
Corona Der Landkreis erhält keine weiteren Dosen des Herstellers Biontech. Dafür wird Vakzin von Astra-Zeneca geliefert. Das geht allerdings nur an Menschen unter 65 Jahren. Kommen Politiker früher an die Impfung?
Der Landkreis erhält keine weiteren Dosen des Herstellers Biontech. Dafür wird Vakzin von AstraZeneca geliefert, das aber nur bis 65 Jahre freigegeben ist.
Landkreis Augsburg Der BiontechImpfstoff ist in den nächsten Tagen aufgebracht. Dafür erhält der Landkreis Augsburg 1000 Dosen des Herstellers Astra-Zeneca. Allerdings sollen damit nach Empfehlung der Ständigen Impfkommission nur Erwachsene unter 65 Jahren geimpft werden. Aber wer darf?
„Höchste Priorität haben Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben oder arbeiten oder regelmäßig pflegebedürftige Menschen versorgen. Zudem alle Beschäftigten in Intensivstationen, Notaufnahmen, bei Rettungsdiensten, in der Palliativversorgung oder anderen medizinischen Einrichtungen, in denen für die Patientinnen und Patienten ein sehr hohes Risiko für schwere oder tödliche Krankheitsverläufe bei einer Corona-Infektion bestünde“, sagt Landrat Martin Sailer. Wann das Vakzin im Landkreis Augsburg zur Verfügung steht, sei noch nicht absehbar. Es gibt offenbar auch eine technische Hürde: Denn zunächst einmal müsse der neue Impfstoff vom Freistaat im einheitlichen Softwaresystem angelegt werden, damit er dann im nächsten Schritt Impfwilligen zugeordnet werden kann.
Klar ist dagegen, dass der Biontech-Impfstoff bald aufgebraucht ist. „Die Vorräte des Impfstoffs, der für die planmäßige Versorgung der über 80-jährigen Bevölkerung verwendet wird, gehen am Ende dieser Woche zur Neige und wir erhalten bis dahin keine weiteren Dosen“, sagt Sailer, der bislang nicht geimpft ist. Der Impfbetrieb im Zentrum in Gablingen muss nun am Wochenende pausieren.
Für viele Senioren bedeutet das: Sie müssen warten. So wie Georg Böck aus Welden. „Ich bin enttäuscht“, sagt Böck. Der 81-Jährige hatte vergangenen Freitag einen Brief erhalten, in dem steht, dass er sich nun impfen lassen kann. „Als ich am Montag angerufen habe, hieß es, es gibt keinen Impfstoff mehr“, sagt Böck. Er soll sich erst wieder im April melden, habe ihm eine Frau am Telefon erklärt. Als Böck es wenig später wieder versuchte, wurde er erneut vertröstet. Diesmal erklärte man ihm, er solle in zwei Wochen wieder anrufen, schildert der SeIhn habe vor allem der Ton der Damen am Telefon geärgert, sagt Böck. „Es kann doch nicht sein, dass man mich einfach so abweist“, meint er. Schließlich gehört er mit seinen 81 Jahren zur Risikogruppe. Auch für einen Senior, der auf dem Lechfeld wohnt, gab es eine bittere Enttäuschung: Er hätte eigentlich am Mittwoch seinen Termin in Gablingen gehabt. Kurz vorher erhielt er die Absage.
Regelrecht verzweifelt reagieren nach Angaben des Landratsamtes immer wieder Menschen, die aufgrund einen schweren Krankheit früher geimpft werden wollen. Denn das ist bei Weitem nicht in allen Fällen möglich. Die Einzelfallkommission im Landkreis, die darüber entscheidet, werde mit Anträgen regelrecht überschüttet. Doch auch sie kann nur in einem eng begrenzten Rahmen eingreifen.
Nur wer ohnehin schon zur Bevölkerungsgruppe mit höchster Impfpriorität gehört (zum Beispiel über 80), kann wegen seiner zusätzlichen Vorerkrankung früher drankommen. Während viele Senioren im Augsburger Land auf ihre Impfung warten müssen, ist eine andere
Diskussion entbrannt: Ist es richtig, dass Politiker mit Vakzin-Resten geimpft wurden? Der Landrat des Landkreises Donau-Ries, Stefan Rößle, hatte nach eigenen Angaben genauso wie der Donauwörther OB kurzfristig das Angebot bekommen. Was ist mit den Politikern im Augsburger Land?
Fabian Mehring, 31, Landtagsabgeordneter der Freien Wähler, sagt: „Selbstverständlich bin ich noch nicht geimpft.“Er könne nur allen Politikern raten, „tunlichst abzuwarten, bis sie dran sind“. Ähnlich äußert sich der CSU-Bundestagsabgeordnete Hansjörg Durz: „Ich lasse mich impfen. Aber erst, wenn ich dran bin.“Das werde voraussichtlich „irgendwann im Sommer“sein, so der 49-Jährige. Von der Aktion des Donau-Rieser Landrats Stefan Rößle ist er nicht begeistert: „Das beschädigt das Vertrauen. Und Vertrauen ist gerade beim Thema Impfen wichtig.“
Sozialministerin Carolina Trautner (Stadtbergen) sagt: „Die Frage der Impfreihenfolge ist natürlich sehr sensibel. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir uns daran halten. Da der Impfstoff im Moment ein ranior. res Gut ist, darf dieser auch nicht verschwendet, also weggeworfen werden. Die Regelung des Landkreises Augsburg, nach der spezielle Gruppen wie Rettungssanitäter noch eine Impfung erhalten können, sollte am Abend noch eine ungenutzte Dosis übrigbleiben, ist dabei eine gute und angemessene Lösung.“
Zumindest räumlich an der Quelle sitzt die Bürgermeisterin von Gablingen, Karina Ruf. Und sie würde die Gelegenheit nicht vorbeigehen lassen.. Allerdings: Nicht für sich selbst. „Ich würde meine Feuerwehrkommandanten und Sanitäter anrufen.
Diese einmalige Chance würde ich an jene weitergeben, deren Job es ist, andere Menschenleben zu retten“, spricht sie die bereits geltende „Hop-on-Liste“an. Auf ihr werden im Landkreis Augsburg Einsatzund Rettungskräfte geimpft, wenn tatsächlich Impfdosen zu verfallen drohen.
Der Weg aus der Krise führt allein über die Impfung, das sieht auch der Grünen-Landtagsabgeordnete Max Deisenhofer so. Er selbst ist noch nicht geimpft – und ebenso wenig sei ihm eine Impfung angeboten worden. Ebenso eindeutig ist die Meinung der SPD-Landtagsabgeordneten Simone Strohmayr (Stadtbergen). „Ich würde mich im Leben nicht impfen lassen, so lange wir noch die aktuellen Diskussionen haben“, sagt sie. Was sie damit meint: In den vergangenen Wochen hatte sie viele Gespräche geführt, unter anderem mit Ärzten. Die hatten die Politikerin inständig gebeten, auf die Liste jener Menschen aufgenommen zu werden, die zuallererst geimpft werden dürfen. „Die hatten Angst, ihre eigenen Risikopatienten, etwa Krebspatienten, anzustecken.“Inzwischen sei es gelungen, auch Ärzte in die Impfgruppe 1 aufzunehmen. „Ich bin froh, dass das geklappt hat“, so Strohmayr.
Wie groß die Nachfrage nach den raren Vakzinen ist, zeigt auch eine Episode aus dem Stadtberger Altenheim Schlössle. Dort wurde Angehörigen von Bewohnern angeboten, sie gegen Corona zu impfen. Der Andrang war riesig, doch am Ende mussten viele unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen. Entsprechend groß war der Unmut.