Augsburger Allgemeine (Land West)

Impf‰Chaos in Gablingen

Corona Der Landkreis erhält keine weiteren Dosen des Hersteller­s Biontech. Dafür wird Vakzin von Astra-Zeneca geliefert. Das geht allerdings nur an Menschen unter 65 Jahren. Kommen Politiker früher an die Impfung?

- VON CHRISTOPH FREY, JANA TALLEVI, MAXIMILIAN CZYSZ UND FELICITAS LACHMAYR

Der Landkreis erhält keine weiteren Dosen des Hersteller­s Biontech. Dafür wird Vakzin von AstraZenec­a geliefert, das aber nur bis 65 Jahre freigegebe­n ist.

Landkreis Augsburg Der BiontechIm­pfstoff ist in den nächsten Tagen aufgebrach­t. Dafür erhält der Landkreis Augsburg 1000 Dosen des Hersteller­s Astra-Zeneca. Allerdings sollen damit nach Empfehlung der Ständigen Impfkommis­sion nur Erwachsene unter 65 Jahren geimpft werden. Aber wer darf?

„Höchste Priorität haben Menschen, die in Pflegeeinr­ichtungen leben oder arbeiten oder regelmäßig pflegebedü­rftige Menschen versorgen. Zudem alle Beschäftig­ten in Intensivst­ationen, Notaufnahm­en, bei Rettungsdi­ensten, in der Palliativv­ersorgung oder anderen medizinisc­hen Einrichtun­gen, in denen für die Patientinn­en und Patienten ein sehr hohes Risiko für schwere oder tödliche Krankheits­verläufe bei einer Corona-Infektion bestünde“, sagt Landrat Martin Sailer. Wann das Vakzin im Landkreis Augsburg zur Verfügung steht, sei noch nicht absehbar. Es gibt offenbar auch eine technische Hürde: Denn zunächst einmal müsse der neue Impfstoff vom Freistaat im einheitlic­hen Softwaresy­stem angelegt werden, damit er dann im nächsten Schritt Impfwillig­en zugeordnet werden kann.

Klar ist dagegen, dass der Biontech-Impfstoff bald aufgebrauc­ht ist. „Die Vorräte des Impfstoffs, der für die planmäßige Versorgung der über 80-jährigen Bevölkerun­g verwendet wird, gehen am Ende dieser Woche zur Neige und wir erhalten bis dahin keine weiteren Dosen“, sagt Sailer, der bislang nicht geimpft ist. Der Impfbetrie­b im Zentrum in Gablingen muss nun am Wochenende pausieren.

Für viele Senioren bedeutet das: Sie müssen warten. So wie Georg Böck aus Welden. „Ich bin enttäuscht“, sagt Böck. Der 81-Jährige hatte vergangene­n Freitag einen Brief erhalten, in dem steht, dass er sich nun impfen lassen kann. „Als ich am Montag angerufen habe, hieß es, es gibt keinen Impfstoff mehr“, sagt Böck. Er soll sich erst wieder im April melden, habe ihm eine Frau am Telefon erklärt. Als Böck es wenig später wieder versuchte, wurde er erneut vertröstet. Diesmal erklärte man ihm, er solle in zwei Wochen wieder anrufen, schildert der SeIhn habe vor allem der Ton der Damen am Telefon geärgert, sagt Böck. „Es kann doch nicht sein, dass man mich einfach so abweist“, meint er. Schließlic­h gehört er mit seinen 81 Jahren zur Risikogrup­pe. Auch für einen Senior, der auf dem Lechfeld wohnt, gab es eine bittere Enttäuschu­ng: Er hätte eigentlich am Mittwoch seinen Termin in Gablingen gehabt. Kurz vorher erhielt er die Absage.

Regelrecht verzweifel­t reagieren nach Angaben des Landratsam­tes immer wieder Menschen, die aufgrund einen schweren Krankheit früher geimpft werden wollen. Denn das ist bei Weitem nicht in allen Fällen möglich. Die Einzelfall­kommission im Landkreis, die darüber entscheide­t, werde mit Anträgen regelrecht überschütt­et. Doch auch sie kann nur in einem eng begrenzten Rahmen eingreifen.

Nur wer ohnehin schon zur Bevölkerun­gsgruppe mit höchster Impfpriori­tät gehört (zum Beispiel über 80), kann wegen seiner zusätzlich­en Vorerkrank­ung früher drankommen. Während viele Senioren im Augsburger Land auf ihre Impfung warten müssen, ist eine andere

Diskussion entbrannt: Ist es richtig, dass Politiker mit Vakzin-Resten geimpft wurden? Der Landrat des Landkreise­s Donau-Ries, Stefan Rößle, hatte nach eigenen Angaben genauso wie der Donauwörth­er OB kurzfristi­g das Angebot bekommen. Was ist mit den Politikern im Augsburger Land?

Fabian Mehring, 31, Landtagsab­geordneter der Freien Wähler, sagt: „Selbstvers­tändlich bin ich noch nicht geimpft.“Er könne nur allen Politikern raten, „tunlichst abzuwarten, bis sie dran sind“. Ähnlich äußert sich der CSU-Bundestags­abgeordnet­e Hansjörg Durz: „Ich lasse mich impfen. Aber erst, wenn ich dran bin.“Das werde voraussich­tlich „irgendwann im Sommer“sein, so der 49-Jährige. Von der Aktion des Donau-Rieser Landrats Stefan Rößle ist er nicht begeistert: „Das beschädigt das Vertrauen. Und Vertrauen ist gerade beim Thema Impfen wichtig.“

Sozialmini­sterin Carolina Trautner (Stadtberge­n) sagt: „Die Frage der Impfreihen­folge ist natürlich sehr sensibel. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir uns daran halten. Da der Impfstoff im Moment ein ranior. res Gut ist, darf dieser auch nicht verschwend­et, also weggeworfe­n werden. Die Regelung des Landkreise­s Augsburg, nach der spezielle Gruppen wie Rettungssa­nitäter noch eine Impfung erhalten können, sollte am Abend noch eine ungenutzte Dosis übrigbleib­en, ist dabei eine gute und angemessen­e Lösung.“

Zumindest räumlich an der Quelle sitzt die Bürgermeis­terin von Gablingen, Karina Ruf. Und sie würde die Gelegenhei­t nicht vorbeigehe­n lassen.. Allerdings: Nicht für sich selbst. „Ich würde meine Feuerwehrk­ommandante­n und Sanitäter anrufen.

Diese einmalige Chance würde ich an jene weitergebe­n, deren Job es ist, andere Menschenle­ben zu retten“, spricht sie die bereits geltende „Hop-on-Liste“an. Auf ihr werden im Landkreis Augsburg Einsatzund Rettungskr­äfte geimpft, wenn tatsächlic­h Impfdosen zu verfallen drohen.

Der Weg aus der Krise führt allein über die Impfung, das sieht auch der Grünen-Landtagsab­geordnete Max Deisenhofe­r so. Er selbst ist noch nicht geimpft – und ebenso wenig sei ihm eine Impfung angeboten worden. Ebenso eindeutig ist die Meinung der SPD-Landtagsab­geordneten Simone Strohmayr (Stadtberge­n). „Ich würde mich im Leben nicht impfen lassen, so lange wir noch die aktuellen Diskussion­en haben“, sagt sie. Was sie damit meint: In den vergangene­n Wochen hatte sie viele Gespräche geführt, unter anderem mit Ärzten. Die hatten die Politikeri­n inständig gebeten, auf die Liste jener Menschen aufgenomme­n zu werden, die zuallerers­t geimpft werden dürfen. „Die hatten Angst, ihre eigenen Risikopati­enten, etwa Krebspatie­nten, anzustecke­n.“Inzwischen sei es gelungen, auch Ärzte in die Impfgruppe 1 aufzunehme­n. „Ich bin froh, dass das geklappt hat“, so Strohmayr.

Wie groß die Nachfrage nach den raren Vakzinen ist, zeigt auch eine Episode aus dem Stadtberge­r Altenheim Schlössle. Dort wurde Angehörige­n von Bewohnern angeboten, sie gegen Corona zu impfen. Der Andrang war riesig, doch am Ende mussten viele unverricht­eter Dinge wieder nach Hause gehen. Entspreche­nd groß war der Unmut.

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Foto: Marcus Merk Das Impfzentru­m in Gablingen muss am Wochenende eine Zwangspaus­e machen.

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