Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Altar zum Renteneint­ritt

Kunst im öffentlich­en Raum Augsburg hat ein kleines kostenlose­s Freiluftmu­seum

- VON RÜDIGER HEINZE

Die Museen sind geschlosse­n, dennoch gibt es in der Stadt Augsburg reichlich Kunstwerke zu betrachten – unter freiem Himmel. In einer Serie stellen wir Ihnen Kunstwerke im öffentlich­en Raum vor, die sich auf einem Spaziergan­g erkunden lassen.

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Bislang stellten wir in dieser Reihe vor allem Einzelobje­kte vor. Dass es aber, erst recht in Pandemie-Zeiten, auch ein veritables kleines Freiluftmu­seum mit etlicher angewandte­r Kunst zu betrachten gibt, und das überdies kostenlos, davon soll heute die Rede sein.

Es befindet sich an herausstec­hendem historisch­en Ort, an dem sich Augsburgs römische Zeit, Augsburgs Mittelalte­r und Augsburgs frühe Neuzeit signifikan­t ablesen lassen. Und es zeigt – unter ausführlic­her Erläuterun­g – Fragmente, Überbleibs­el, Eindrücke aus eben diesen umfangreic­hen Epochen: die Fundamente eines großen römischen Wohngebäud­es, die Grundstein­e einer frühmittel­alterliche­n Kapelle, die Basis-Umrisse einer kleinen mittelalte­rlichen Basilika und – nachdem die darüber errichtete­n Bauwerke nicht mehr existieren – die Grundzüge eines Paradeplat­zes, wie er 1808 nach der Säkularisa­tion eingericht­et wurde.

Wir befinden uns nämlich mit dem inneren Auge auf dem südlichen Domplatz. Ein großer historisch­er Flecken der an historisch­en Flecken nicht armen Stadt. Und 1954 kam dort noch die sogenannte Römermauer hinzu, die gerade jetzt – Dominikane­rkirche seit Jahren dicht, Zeughaus geschlosse­n – wertvolle Dienste in Sachen Anschauung römischer Relikte leistet.

Im Einzelnen und in der Auswahl: Aus der auch wirtschaft­lichen Blütezeit von Augusta Vindelicum als römischer Statthalte­rsitz der Alpenprovi­nz Raetia stammt im Ursprung das römische Wohngebäud­e: zweites Jahrhunder­t nach Christus, Kaiser Hadrian hatte gerade das Stadtrecht verliehen. Die Raumauftei­lung wird im Vogelblick vom Domplatz aus deutlich; möglicherw­eise besaß das wohl als Handelshau­s oder Herberge genutzte Gebäude ein Badehaus – zumindest aber eine Fußbodenhe­izung. Auch eine Brunnenanl­age ist überkommen, die bis ins frühe Mittelalte­r hinein benutzt worden war, als dort eine Kapelle mit heute wieder sichtbarer Apsis errichtet wurde. Unter Bischof Ulrich aber entstand dann darüber im Jahr 960 St. Johann – genutzt als Tauf- und Friedhofsk­irche. Auch ihre Apsis ist freigelegt beziehungs­weise seit 1932 durch Ziegelmaue­rn anschaulic­h markiert.

Das alles ist also – im Gleitflug über die Jahrhunder­te – gut nachzuvoll­ziehen, nicht aber der einstige Standort der Dreikönigs­kapelle sowie der Standort des Ganges „Finstere Gräd“, der einst vom Dom zu St. Johann führte und als überdachte Grablage der Patrizier diente.

Ungefähr auf seiner Höhe steht heute die sogenannte Römermauer, an der eine Sammlung römischer Steinfragm­ente zu betrachten ist: Architektu­rteile wie fünf Gesimsblöc­ke, die einst möglicherw­eise einem Tempel dienten; Grabsteine, wie der des Marcus Aurelius Carus mit allfällige­m Pinienzapf­en, sowie das stadtbekan­nte Relief einer Weinfuhre mit Ochsen; Denkmäler zu Ehren hochrangig­er Personen wie Kaiser und Statthalte­r, schlielich Zeugnisse der Göttervere­hrung, wie ein qualitätvo­lles Relief des Merkur. Etliches davon wurde aus Gründen grassieren­den Vandalismu­s und aus Gründen der Luftversch­mutzung nachgegoss­en.

Und dann gibt es da noch einen Jupiter-Altar, den am 13. Dezember im Jahr 194 ein Polizist/Soldat anlässlich seiner „Pensionier­ung“errichten ließ.

Wir aber heute stellen uns vor, wie es wäre, wenn dies aktuell Schule machen würde bei jeglichem Renteneint­ritt.

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Foto: Zoepf Relief eines Grabmals mit der Darstel‰ lung römischen Textilhand­els.

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