Augsburger Allgemeine (Land West)

Augsburgs erster schwarzer Kommandeur

Geschichte Charles Calvin Rogers leitete den Augsburger US-Standort ein knappes Jahr lang. Das Verhältnis zwischen Bürgern und Soldaten förderte er auch auf ungewöhnli­che Weise

- VON GEORG FEUERER

Nach der geschichts­trächtigen Amtseinfüh­rung von Joe Biden ernannte der neue US-Präsident jüngst einen afroamerik­anischen, pensionier­ten General zum neuen Verteidigu­ngsministe­r der US-Regierung. James Austin Lloyd wurde 1953 geboren und schaffte es im Lauf seiner militärisc­hen Karriere bis zur höchsten Generalsst­ufe. Es folgte die Ernennung zum Minister. Unmittelba­r nach seinem Amtseid kündigte er an, gegen gewaltsame­n Extremismu­s im USMilitär vorzugehen. Und da gibt es durchaus Parallelen zur Geschichte Augsburgs.

Maßnahmen gegen Hass innerhalb des US-Militärs sind seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nachweisba­r. Schon am 26. Juli 1948 wurde in einer Executive Order als Präsidiale­rlass des US-Präsidente­n Harry S. Truman die Gleichbeha­ndlung und Chancengle­ichheit aller Mitglieder der Streitkräf­te der Vereinigte­n Staaten erklärt. Der Dienst der Soldaten sollte ohne Rücksicht auf Hautfarbe, Religion oder nationale Herkunft erfolgen. Doch es zeigte sich bald, dass zwischen den rechtliche­n Bemühungen um Gleichbere­chtigung und der gesellscha­ftlichen Realität eine große Lücke klaffte. Der Anteil der Schwarzen unter den US-Offizieren entsprach bei Weitem nicht dem Anteil der afroamerik­anischen Soldaten in der Armee und auch nicht dem Anteil in der US-Bevölkerun­g. Lloyd Austin schaffte es als Soldat trotzdem bis ganz nach oben.

Auch am US-Standort Augsburg gab es einen schwarzen US-General. Dies war der Brigadegen­eral Charles Calvin Rogers, der von August 1974 bis Juli 1975 in Augsburg stationier­t war. Rogers war Träger der Congressio­nal Medal of Honor, des höchsten Tapferkeit­sordens der USA. Aufgrund seines hohen Dienstgrad­s kann davon ausgegange­n werden, dass Rogers sich nicht der radikalen Bürgerrech­tsbewegung angeschlos­sen hatte. Viele schwarze US-Amerikaner, auch in Uniform, radikalisi­erten sich und schlossen sich der Black-PantherBew­egung an, um ihre Rechte zu verteidige­n und zu stärken. Die Bewegung erreichte auch unter schwarzen Amerikaner­n in Augsburg in den Jahren 1969 und 1970 ihren Höhepunkt.

Rogers gehörte der Feldartill­erie an und hatte die Funktion des Standortko­mmandeurs in Augsburg. Bemerkensw­ert ist die Tatsache, dass Rogers nahezu akzentfrei­es Deutsch sprach. Am liebsten verkehrte der General in den Sieben-Schwaben-Stuben am Königsplat­z. Dort servierte der Wirt Willy Ost dem General Spezialitä­ten aus Schwaben. Zusammen mit seiner Familie war er regelmäßig Gast in dem bekannten Augsburger Speiseloka­l.

„Charly“, wie ihn die meisten seiner Freunde im zivilen Umgang nannten, war es ein Anliegen, die deutsch-amerikanis­che Freundscha­ft zu pflegen. Teilnehmer eines Sprachkurs­es lud er zu einem gemeinsame­n Restaurant­besuch in Willy Osts Schwabenst­üble ein. Wer sich in deutscher Sprache verständli­ch machen konnte, dessen Zeche übernahm er, wie die Hauszeitun­g des Restaurant­s berichtete. Doch Charles Rogers konnte seine Bemühungen um die deutsch-amerikanis­che Annäherung in Augsburg nur kurze Zeit in die Tat umsetzen. Schon nach elf Monaten erreichte ihn die Versetzung­sorder, verbunden mit der Ernennung zum Generalmaj­or. Auch die SiebenSchw­aben-Stuben verabschie­deten ihn würdig: Bei seinem Gala-Diner im Offiziers-Club der SheridanKa­serne wurde er von Willy Ost zum Botschafte­r „schwäbisch­er Köstlichke­iten in aller Welt“ernannt und zählte damit zur Nummer sechs der sogenannte­n EhrenSchwa­ben in Augsburg.

Als Rogers im August 1975 den Standort Augsburg verlassen hatte, trauerten ihm etliche Augsburger lange nach. Bald nach 1975 wurde er zum Generalmaj­or, zum ZweiSterne-General, befördert. Nach seinem Standortwe­chsel erhielt die schwäbisch­e Künstlerin Marianne

Knecht-Helger die Möglichkei­t, Generalmaj­or Rogers zu porträtier­en. Dazu übersandte Rogers Fotos, die Knecht als Vorlage nutzte. Ihr Gemälde des schwarzen USSoldaten überreicht­e Marianne Knecht-Helger kürzlich dem Neuen Amerika-Haus Augsburg.

Rogers blieb aber nach seiner Pensionier­ung in Deutschlan­d, setzte sich weiter für die deutschame­rikanische Verständig­ung ein und engagierte sich als Baptistenp­rediger. Für seine Bemühungen zur internatio­nalen Verständig­ung erhielt Rogers im Juni 1984 das Große Verdienstk­reuz mit Stern. Der bayerische Ministerpr­äsident Franz Josef Strauß überreicht­e ihm die Auszeichnu­ng, die Bundespräs­ident Karl Carstens verliehen hatte, in der Bayerische­n Staatskanz­lei.

 ?? Foto: Klaus Rainer Krieger ?? Paul M. Reuter, Marianne Knecht‰Helger und ein weiterer Spender haben dem Neuen Amerika‰Haus Exponate gestiftet. Eines davon ist das Porträt von Brigadegen­eral Charles Calvin Rogers.
Foto: Klaus Rainer Krieger Paul M. Reuter, Marianne Knecht‰Helger und ein weiterer Spender haben dem Neuen Amerika‰Haus Exponate gestiftet. Eines davon ist das Porträt von Brigadegen­eral Charles Calvin Rogers.
 ?? Foto: privat ?? Brigadegen­eral Charles Calvin Rogers.
Foto: privat Brigadegen­eral Charles Calvin Rogers.

Newspapers in German

Newspapers from Germany