Augsburger Allgemeine (Land West)
Der Corona-Gipfel hat nur einen Sieger: das Virus
Die Kanzlerin kann sich nicht mehr gegen die Ministerpräsidenten behaupten. Diese setzen im Superwahljahr vor allem auf schnelle Beliebtheitspunkte
Im Kampf gegen die Corona-Pandemie sind Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten erneut in den Ring gestiegen, und der Sieger steht fest: Es ist das Virus. Nachdem sich die Bevölkerung zuletzt tapfer dem Zugriff von Covid-19 entzogen hatte, bieten sich der Krankheit schon in etwas mehr als einer Woche ganz neue Angriffsmöglichkeiten. Denn durch die Beschlüsse der Länderchefs für schnelle Öffnungen an Schulen und Kindertagesstätten dürfte sich dort das Infektionsgeschehen deutlich erhöhen. Zumal sich das Virus Verstärkung in Form von besonders aggressiven Mutationen geholt hat.
Ein besonders hohes Infektionsrisiko an Kitas und Schulen ist mittlerweile keine Theorie mehr, sondern wissenschaftlich bewiesene Tatsache. Bundesforschungsministerin
Anja Karliczek (CDU) legte diese Woche einen Leitfaden mit Handlungsempfehlungen für Lehrende und den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen vor. Das Papier wurde sofort in der Luft zerrissen. Die Kritiker übersahen dabei aber, dass jetzt erstmals Anweisungen für den Umgang mit der Pandemie im Kita- und Schulbereich vorliegen, die interdisziplinär wissenschaftlich untermauert sind. Man darf gespannt sein, ob sich die Verantwortlichen in den Ländern diese Empfehlungen zu eigen machen, denn sie erschweren den Alltagsbetrieb erheblich.
Die Ministerpräsidenten wollen jedoch genau das Gegenteil erreichen. Sie wollen den steinigen Weg nicht mehr gehen, sondern Sympathiepunkte sammeln. Zur Strategie gehört es da, sich bei gestressten Eltern beliebt zu machen. Dass diese – und ihre Kinder – vielfach kaputt und genervt sind, ist ebenfalls Fakt. In der Abwägung wäre es aber augenscheinlich angebrachter gewesen, hier um Geduld zu werben. Die meisten Eltern dürften mit einem späteren Öffnungstermin einverstanden sein, wenn man ihnen die Folgen der frühen Öffnung vor Augen führt: Kinder und Jugendliche, die sich infizieren, selber zwar meist nicht schwer erkranken, die Seuche aber in die Familien eintragen. Was zu einem erneuten Anstieg der Infektionszahlen und einem weiteren Lockdown führen würde. Sollte es dazu kommen, müssten wohl ganze
Schuljahre wiederholt werden, warnten Bildungsexperten.
Es war genau diese Gefallsucht einiger Länderchefs, die das Kanzleramt vor dem Treffen gefürchtet hatte. Merkel und ihre Leute, allen voran Kanzleramtschef Helge Braun, hätten sich auch noch spätere Öffnungen von Kitas und Schulen vorstellen können. Sie waren lediglich dafür, solche Geschäfte schneller zu öffnen, in denen sehr kontrolliert gearbeitet werden kann.
Die Friseursalons beispielsweise. Merkel und Braun wäre es auch lieber gewesen, auf die Inzidenzzahlen zu setzen, anstatt sich an feste Öffnungstermine zu klammern. Die 35er-Inzidenz, die sich im Beschlusspapier der Runde wiederfindet, steht ohnehin schon als Grenzwert im Infektionsschutzgesetz. Man müsste es halt bloß auch mal lesen und anwenden.
Viele der Ministerpräsidenten werden sich mit großer Wahrscheinlichkeit in den nächsten Wochen fragen lassen müssen, ob es das wirklich wert war. Ob es erforderlich war, von Merkels Wunschtermin 1. März abzuweichen. Es handelt sich hier nur um eine Woche! Ein Witz im Vergleich zu dem, was das Land und seine Menschen schon durchgemacht haben.
Man kann der Kanzlerin sicherlich viele Dinge vorwerfen. In Sachen Corona-Kampf lag sie aber oft richtig. Als die CDU-Politikerin Mitte Oktober angesichts lascher Corona-Regeln warnte, das reiche bei weitem nicht aus, wurde sie ignoriert. Die heftigen Folgen sind bekannt.
Schulen und Kitas werden nun zum Risiko