Augsburger Allgemeine (Land West)
„Die Insolvenzzahlen werden deut
Interview Bundesbank-Präsident Jens Weidmann glaubt aber, dass die Firmen-Pleiten weit unter ihrem historischen Höchststand bleiben dürft in diesem Jahr noch weiter nach oben schnellen wird. Zum Jahresende hin dürfte die Teuerung demnach bei über drei Pro
Herr Weidmann, kommt durch Corona die Inflation zurück? Die Teuerungsrate ist ja in Deutschland im Januar nach dem Harmonisierten Verbraucherpreisindex von minus 0,7 auf plus 1,6 Prozent gestiegen. Jens Weidmann: Die Inflationsrate wird in diesem Jahr noch weiter steigen. In Deutschland ist die Mehrwertsteuer wieder auf ihr altes Niveau angehoben worden. Das schlägt auf die Preise durch. Hinzu kommt die CO2-Bepreisung, die ebenfalls die Inflationsrate erhöht. Umstritten ist aber, wie sich der in CoronaZeiten erzwungene Konsumverzicht nach der Pandemie auswirkt. Viele Bürgerinnen und Bürger können ihr Geld derzeit ja gar nicht ausgeben und sparen notgedrungen mehr.
Was machen die Menschen nach Corona mit dem Geld? Sparstrumpf oder auf den Putz hauen?
Weidmann: Noch ist das nicht klar. Die Leute werden dann jedenfalls nicht zweimal am Tag zum Abendessen ausgehen. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass es viele dann raus in die Biergärten und Restaurants treibt. Vielleicht werden sie sogar eine Weile lang öfter als vorher essen gehen. Dann kommt es darauf an, ob die Gastwirte die Preise anheben oder nicht. Ähnliches gilt zum Beispiel für Reisen. Allerdings haben wohl vor allem private Haushalte mit höheren Einkommen Ersparnisse aufgebaut. Bei diesen Haushalten ist der Anteil der finanziellen Mittel, die in den Konsum fließen, üblicherweise geringer als bei anderen. Und die Inflationsraten werden erst dann wirklich nachhaltig zulegen, wenn auch die Löhne steigen. Das ist ein entscheidender Faktor. Wir behalten die Entwicklung jedenfalls genau im Blick.
Wagen Sie doch eine Inflationsprognose für Deutschland.
Weidmann: Aus heutiger Sicht dürfte die Inflationsrate gemäß dem Harmonisierten Verbraucherpreisindex in Deutschland zum Jahresende hin über drei Prozent liegen. Das wird zwar nur vorübergehend sein – einige Sondereffekte hatte ich ja schon genannt. Aber eines ist klar: Die Inflationsrate bleibt nicht auf Dauer so niedrig wie im vergangenen Jahr.
Stoppt die Europäische Zentralbank dann ihre exzessive Geldpolitik?
Weidmann: Die Geldpolitik wird die Zügel straffen, wenn es der Preisausblick erfordert. Momentan geht es jedoch darum, die Folgen der Pandemie zu bekämpfen. Daher ist die Geldpolitik noch einmal expansiver geworden. Aber wenn im Euro-Raum die Inflationsraten steigen, werden wir auch wieder über die grundlegende Ausrichtung der Geldpolitik diskutieren.
Was hat dann die Pandemie für Folgen für die Geld- und Zinspolitik der Europäischen Zentralbank?
Weidmann: Die EZB hat ja zuletzt noch einmal die Anleihekäufe um 500 Milliarden auf 1,85 Billionen Euro ausgeweitet. Im Ergebnis wurde die geldpolitische Normalisierung weiter nach hinten geschoben. Die Niedrigzins-Phase wird länger andauern. Aber es gab im EZBRat, dem ich ja angehöre, unterschiedliche Auffassungen über den richtigen Umfang des Kaufprogramms.
Träumen Sie manchmal davon, dass wir in fünf Jahren ordentliche Zinsen haben und Sie sich als tapferer Mahner in der Euro-Runde letztlich stets dafür eingesetzt haben?
Weidmann: Ich weiß nicht, ob es weiterhilft, wenn ich über meine Träume spreche.
Können Sie den deutschen Sparern nicht einen Funken Hoffnung machen, dass der Zins irgendwann, vielleicht in fünf oder zehn Jahren, zurückkommt?
Weidmann: Wir stecken schon sehr lange in einer Phase niedriger Inflationsraten und daher sehr niedriger Zinsen, aber ich bin überzeugt, dass sich das nicht beliebig fortschreiben lässt. Umso wichtiger ist es, dass der EZB-Rat seine sehr expansive Geldpolitik rechtzeitig zurücknimmt, sobald absehbar ist, dass wir unsere Ziel-Inflationsrate erreichen werden. Dann darf es nicht an Entschlossenheit fehlen, auch wenn die Finanzierungskosten für hoch verschuldete Staaten steigen.
Was muss daher konkret nach der CoronaPandemie passieren?
Weidmann: Die Staatsfinanzen im EuroRaum müssen nach der Krise in Ordnung gebracht werden. Schließlich übersteigt die Staatsverschuldung im EuroRaum als Ganzes inzwischen die jährliche Wirtschaftsleistung. Die Geldpolitik muss immer wieder klarmachen, dass sie sich an der Preisstabilität ausrichtet und keine Rücksicht darauf nimmt, welche Folgen das für die Tragfähigkeit der Staatsschulden hat. Das ist wichtig für die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in das Eurosystem.
Wollen Sie der schwäbischen Hausfrau und dem schwäbischen Hausmann nicht Hoffnung auf endlich steigende Zinsen machen? Weidmann: Aber auch die schwäbische Hausfrau und der schwäbische Hausmann müssten in der Pandemie ein Interesse daran haben, dass die Geldpolitik die Konjunktur und den Arbeitsmarkt stützt. Das kommt auch ihnen zugute. Und: Wir sind ja nicht nur Sparer. Wer einen Kredit aufnimmt, profitiert von sehr niedrigen Zinsen. Die Steuerzahler profitieren von den günstigen Finanzierungsbedingungen des Staates. Letztlich strebt der EZB-Rat kein bestimmtes Zinsniveau für Sparer an. Unser klares Versprechen an die Bürgerinnen und Bürger im Euro-Raum ist, dass ihr Geld im Wert stabil bleibt. Dafür trete ich ein.
Wie stehen wir wirtschaftlich da? Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer glaubt, dass „wir insgesamt gut durch die Pandemie gekommen sind“. Kanzlerin Angela Merkel soll gesagt haben, das Ding sei uns entglitten. Weidmann: Das sind Aussagen, die vor allem ein epidemiologisches Urteil erfordern. Das ist nicht meine Kernkompetenz als Bundesbankpräsident. Am Ende geht es auch um umfassende politische Abwägungen. Wenn Sie mich als Bürger fragen, kann ich beide Aussagen nachvollziehen. Natürlich ist die Situation für uns alle zermürbend. Denn die Infektionszahlen sind immer noch höher als erhofft. Erschwerend kommen die neuen Virusvarianten hinzu.
Und was spricht für die optimistischere Sicht von SPD-Politikerin Malu Dreyer? Weidmann: Dass man nicht ausblenden darf, welche Erfolge erzielt wurden: Wir konnten es bislang verhindern, dass das Gesundheitssystem überlastet wurde, und es gibt inzwischen sogar mehrere hoch wirksame Impfstoffe, wobei sich das Verimpfen leider hinzieht. Für eine optimistischere Sicht spricht auch, dass die Wirtschaft insgesamt bislang recht gut durch die Krise gekommen ist, wenngleich einzelne Bereiche sehr hart getroffen sind.
Bleibt die Bundesbank also bei ihrem Konjunkturausblick vom Dezember, nach dem die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um drei Prozent wächst? Gibt es also Grund zum Optimismus?
Weidmann: Prognosen sind zurzeit alles andere als einfach. Denn die Wirtschaftsentwicklung hängt entscheidend vom Verlauf der Pandemie ab und ist entsprechend unsicher. Wenn es gelingt, die Pandemie im Verlauf des Jahres zunehmend in den Griff zu bekommen und die Eindämmungsmaßnahmen durchgreifend gelockert werden können, wird sich die Erholung der deutschen Wirtschaft fortsetzen. Daher sind unsere Volkswirte zurzeit der Auffassung, dass wir unsere Prognose vom Dezember nicht grundsätzlich revidieren müssen.
Warum sind Sie so zuversichtlich? Weidmann: Unsere Fachleute waren bei dieser Prognose bereits recht vorsichtig. Zuletzt hat sich die Industrie robust gezeigt, was auch an der weltweiten Nachfrage nach deutschen Produkten lag. Das ist ein Grund, weshalb die deutsche Wirtschaft im laufenden Quartal nicht allzu weit zurückgeworfen werden sollte. Allerdings werden die ersten drei Monate dieses Jahres schlechter laufen als in unserer Prognose. Es hängt jetzt viel davon ab, wie sich die Pandemie weiterentwickelt und wann die Eindämmungsmaßnahmen gelockert werden können.
Wann erreichen wir wieder das wirtschaftliche Vor-Corona-Niveau? Ist es schon 2022 so weit?
Weidmann: Laut unserer DezemberPrognose Anfang 2022. Aber noch einmal: Dafür ist entscheidend, dass die Pandemie im Laufe dieses Jahres medizinisch überwunden wird.
Dazu müssen die Menschen aber auch entsprechend geimpft sein.
Weidmann: Mein Eindruck ist, dass die Hersteller nun alles daransetzen, die
Produktion zu beschleunigen. So werden jetzt weitere Unternehmen in die Produktion eingebunden. Alles, was getan werden kann, um die Produktion von Impfstoff zu beschleunigen und auszuweiten, ist sicher gut angelegtes Geld.
Hätten wir besser national Impfstoff beschaffen sollen, statt auf Europa zu setzen? Weidmann: Der Grundgedanke, zusammen zu bestellen, war sicherlich richtig und eine vernünftige Reaktion auf konfliktträchtige nationale Alleingänge, die es zu Beginn der Pandemie gab, etwa Exportverbote für Schutzausrüstung. Wenn bei der Beschaffung der Impfstoffe Fehler gemacht wurden, dann müssen sie aufgearbeitet werden, um daraus zu lernen. Hitzige Debatten, was mit dem Wissen von heute damals hätte besser laufen können, bringen uns aber jetzt nicht weiter.
Doch die Kanzlerin selbst staunt in Corona-Zeiten über die deutschen Schwächen, wie die mangelnde Digitalisierung der Gesundheitsämter. Sie haben lange vor Ihrer Bundesbankzeit eng mit Frau Merkel als Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Finanzpolitik im Bundeskanzleramt zusammengearbeitet.
Weidmann: Vor der Pandemie gab es jedenfalls keine große öffentliche Diskussion über die Ausstattung unserer Gesundheitsämter. Wir sind sehr gut darin, die Ursachen einer bestimmten Krise zu analysieren, und auch darin, zu verhindern, dass sich so eine Krise wiederholt. Doch das Problem ist: Jede Krise ist anders. Und die nächste Krise kommt vermutlich aus einer ganz anderen Ecke. Ich habe Ende der neunziger Jahre in einer Abteilung des Internationalen Währungsfonds gearbeitet. Dort wurden Modelle entwickelt, um Finanzkrisen vorherzusagen. Diese Modelle wurden mit jeder Krise besser darin, die vergangenen Krisen zu erklären. Das hieß aber noch lange nicht, dass wir in der Lage waren, die nächste Krise zuverlässig vorherzusehen. Auf alle Fälle haben wir uns im Sommer 2020 zu wenig darum gekümmert, was im Herbst kommt. Schließlich war die Erleichterung groß, dass die erste Welle überstanden war.
Im Zuge der Corona-Krise wird auch Kritik an unserem föderalen System laut, zuletzt von Axel Weber, Ihrem Vorgänger als Bundesbank-Chef. Der Föderalismus sei in
Ausnahmesi denken Sie? Weidmann: sollte nicht geschaffen nur einmal mie, in der vonkam als darunter ei tralgewalt. Struktur D verankerten nem breiter eine unsere
Föderalismu als Zentralis Weidmann: de Formen Schwächen. bedenkliche de ich die b len ähnlic führte Dis on, ob im der Pan Demokratie egal ob f oder zentra lich – vie doch nicht gime sei. A wie Südkor welche die haben, und gime, dene diese Hyp falsch. Dar Vergleich ab tie, nämlic Bürger die men und E hinterfrage überzeugt, tisch und m te Gesellsch Wohlergehe Bürgerinne
Sie haben S von Krisen kommt nach direkt in die Krise, ausge Weidmann: Pandemie i rückführen damit ausei päischen Fi können. W