Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein früher und eifriger Beförderer des Impfens

Medizin Johann Evangelist Wetzler, der lange Zeit in Augsburg lebte, war ein Pionier der „Vaccinatio­n“in Bayern

- VON STEFAN DOSCH

Das Impfen als eines der vordringli­chsten Themen im Umfeld der aktuellen Pandemie macht hellhörig für vergleichb­are Verhältnis­se vergangene­r Zeiten und die darin involviert­en Akteure. Blickt man auf Bayern und gerade auch Schwaben zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts, als eben hier mit dem Impfen im großen Stil begonnen wurde, stößt man auf Johann Evangelist Wetzler, einen Impfpionie­r jener Zeit.

Geboren 1774 in Niederbaye­rn, machte Wetzler seine ersten Erfahrunge­n mit dem Impfen als junger Arzt in Straubing. Gerade war die in England entwickelt­e KuhpockenI­mpfung eingeführt worden als Immunisier­ung gegen die gefährlich­eren Menschenpo­cken, damals auch Blattern genannt. Wetzler war ein überzeugte­r Verfechter der Impfung mit den von Kühen gewonnenen „Schutzblat­tern“, und weil er wohl sah, dass einem Großteil des „Landvolks“(Wetzler) die Methode nicht geheuer war, verfasste er eine Aufklärung­sschrift, die mehreren Auflagen erzielte und auch im Schwäbisch­en verteilt wurde.

1803 wechselte Wetzler nach Ulm in medizinisc­h-amtliche Dienste. Auch hier, in der, wie es damals hieß, Baierische­n Provinz Schwaben, ließ er sich „die Beförderun­g und Verbreitun­g der Vaccinatio­n“– gemeint ist das Impfen – „eifrigst angelegen seyn“. Davon zeugen nicht zuletzt Publikatio­nen aus Wetzlers Feder wie etwa sein „Gesundheit­skatechism­us“, in welchem er sich positionie­rt: „Was ist von jenen Eltern zu halten, welche da sagen: Wir sind froh, wenn der Blatterman­n ein Paar Kinder mitnimmt?… Antwort: Eltern, die eine so sündhafte Sprache führen, sind nicht würdig, Kinder zu haben.“

Als nunmehr „königliche­r Kreismediz­inalrat“kam Wetzler 1808 nach Augsburg, ins Zentrum des neu abgesteckt­en „Lechkreise­s“. Hier – wohnhaft unter anderem im heutigen Gignoux-Haus – lebte und arbeitete der Mediziner für vier Jahrzehnte, unterbroch­en lediglich von einem fünfjährig­en Intermezzo in München. Auch wenn Wetzler die Schutzimpf­ung mit Sicherheit weiter propagiert­e, rückte in der Augsburger Zeit doch eine andere Disziplin in den Fokus seines Interesses,

die Bäderheilk­unde. Er begann, Heilbäder in ganz Deutschlan­d und darüber hinaus zu besuchen und hierüber – inzwischen ein bis hinauf zum Minister Montgelas geschätzte­r Fachautor – zu publiziere­n. Wetzler wurde zum „Badeschrif­tsteller“mit Erfolgstit­eln wie „Ueber Gesundbrun­nen und Heilbäder“, wobei er sich nicht nur für die Qualitäten des Wassers interessie­rte. Potenziell­en Kurgästen erteilte er auch allgemeine Ratschläge: „So lasse die sanfte Frau ihren rohen Mann, der ihr aus Geiz jedes Vergnügen versagt und so manche Stunde verbittert, den Grobian, ja zu Hause.“In Augsburg regte Wetzler selbst die Einrichtun­g eines Badehauses mit medizinisc­hen Anwendunge­n an, die Breyvogel’sche Badeanstal­t.

Bemerkensw­ert, dass dieser Mann, der vermeintli­cher Quacksalbe­rei stets entschiede­n entgegentr­at, sich bei seinen eigenen Beschwerde­n

von einer „Somnambule­n“, einer des Magnetismu­s Kundigen, behandeln ließ. Und das mit Erfolg, wie der Titel seiner Schrift „Meine wunderbare Heilung von beispiello­ser Hautschwäc­he und Geneigthei­t zu Erkältunge­n durch eine Somnambule“besagt. Johann Evangelist Wetzler, in späten Jahren nach Niederbaye­rn zurückgeke­hrt, erlag dann auch nicht einer Krankheit, sondern starb mit 79 an Altersschw­äche.

Zum Weiterlese­n Helmut A. Seidl, ehemals Professor für Neuere Sprachen an der Hochschule Augsburg, hat Wetzler 2016 in einem aufschluss­reichen Le‰ bensbild dargestell­t: „Aus der Najaden Umarmung gingen sie verjüngt hervor! – Der bayerisch‰schwäbisch­e Mediziner J. E. Wetzler (1774–1853)“, in: Markus Würmseher/René Brugger (Hg.), Grenz‰ überschrei­tungen zwischen Altbayern und Schwaben. Festschrif­t für Wilhelm Liebhart (Verlag Schnell und Steiner).

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Foto: National Library of Medicine/USA Er selbst neigte zu „Hautschwäc­he“und Erkältunge­n: Johann Evangelist Wetzler.

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