Augsburger Allgemeine (Land West)

Firmen setzen auf Online‰Vorstellun­gsgespräch­e

Interview Für Hochschula­bsolventen steht die heiße Bewerbungs­phase bei Firmen bevor. Wegen der Pandemie müssen sich viele Berufseins­teiger umstellen. Die Expertin Christina Friedl erklärt, wie man es richtig macht

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Die Abschlussp­rüfungen im Winterseme­ster sind geschafft. Für Absolvente­n der Augsburger Hochschule beginnt jetzt die Suche nach einem Job. Corona macht es nicht einfacher, einen guten Einstieg ins Berufslebe­n zu finden. Frau Friedl, wie ist die Stimmung bei Bewerbern?

Christina Friedl: Es ist eine gewisse Verunsiche­rung spürbar. Wir wissen von Betroffene­n, die sagen, sie hätten schon 20 bis 30 Bewerbunge­n an Firmen geschriebe­n, aber noch keine Rückmeldun­g oder eine Einladung zum Bewerbungs­gespräch bekommen. Die Frustratio­nstoleranz muss aktuell etwas höher sein. Unternehme­n können bei Neueinstel­lungen derzeit aus dem Vollen schöpfen, weil weniger Stellen angeboten werden und dafür mehr Interessen­ten auf dem Markt sind.

Mussten wegen der Pandemie auch die Karriere-Berater an der Hochschule ihre Angebote umstellen?

Friedl: Im Sommerseme­ster 2020 haben wir zum ersten Mal einen extra Kurs zum Thema „Bewerben in Krisenzeit­en“angeboten. Das Interesse war so groß, dass wir mit einem zweiten Kurs nachlegen mussten. Im Winter haben wir das Angebot ausgeweite­t, die Kurse waren ebenfalls voll.

Wie haben sich die Einstellun­gspraktike­n bei heimischen Unternehme­n verändert?

Friedl: Online-Bewerbunge­n sind für unsere Absolvente­n seit Jahren Standard. Mit dem ersten Lockdown im vergangene­n Frühjahr mussten sich jedoch viele heimische Unternehme­n umstellen, um mit der neuen Situation zurechtzuk­ommen. Teilweise gab es einen Einstellun­gsstopp. Inzwischen setzen viele Firmen in der Region nicht nur auf Online-Bewerbunge­n, sondern auch auf Online-Vorstellun­gsOft müssen Bewerber mehrstufig­e Verfahren mit vorgeschal­teten Telefonint­erviews bewältigen.

Worauf sollte man unbedingt achten, wenn man sich auf ein Bewerbungs­gespräch über Internet vorbereite­t? Friedl: Bei Gesprächen etwa über Zoom sollte man unbedingt auf einen neutralen Hintergrun­d achten und das Licht von vorne so aufstellen, dass das Gesicht gut ausgeleuch­tet ist. Auch die Tonqualitä­t muss passen, damit man gut zu verstehen ist. Am besten probiert man die technische­n Details vorher mit Familienmi­tgliedern oder Freunden aus. Mit ihnen kann man auch ein Probe-Online-Interview führen.

Welche Pannen kann man vermeiden? Friedl: Wer beispielsw­eise in einer WG wohnt, sollte Mitbewohne­r rechtzeiti­g vorher darauf hinweisen, dass es keine störenden Nebengeräu­sche gibt und dass während des Vorstellun­gsgespräch­s niemand im Zimmer vorbeikomm­t.

Oft ist es einfacher, im persönlich­en Gespräch einen guten Draht zum Gegenüber zu finden. Wie macht man online beim Personalch­ef einen guten Eindruck?

Friedl: Es gibt eine Faustregel bei Bewerbungs­interviews: Zehn Prozent macht die verbale Kommunikat­ion aus, 90 Prozent, was wir unbewusst wahrnehmen. Beim OnlineGesp­räch fällt schon mal der übliche Händedruck weg, der künftige Chef sieht auch sonst wenig von der Körperspra­che eines Bewerbers, um sich einen Gesamteind­ruck zu magespräch­e. chen. Dafür kann man online anders punkten.

Wie zum Beispiel – sollte man möglichst viel reden?

Friedl: Nicht unbedingt. Eine beliebte Eingangsfr­age von Personalch­efs lautet: Erzählen Sie mal was über sich. Darauf sollte man nicht ausschweif­end antworten. Optimal ist es, die persönlich­en Talente und Qualifikat­ionen auf den Punkt zu bringen. Ganz wichtig ist es, vorher auf die Unternehme­nswebsite zu gucken und sich genau zu informiere­n.Dort kann man beispielsw­eise auch sehen, wie Mitarbeite­r gekleidet sind. Danach kann man sich beim eigenen Outfit im Bewerbungs­gespräch richten. Selbst in Zeiten von Corona ist es prinzipiel­l besser, beim Interview etwas schicker gekleidet zu sein als zu leger. Der Vorteil ist, dass man sich selber souveräner fühlt. Denn vor dem Bildschirm braucht man viel mehr Energie, um Informatio­nen zu transporti­eren.

Müssen sich Berufseins­teiger Sorgen machen, wenn es mit der Bewerbung nicht gleich klappt?

Friedl: Es gibt genügend gute Jobs, auch in Zeiten von Corona. Bisher sind noch alle Studierend­en, die bei uns das Online-Bewerbungs­training gemacht haben, untergekom­men. Wichtig ist, dass man nicht zu viele Bewerbunge­n schreibt und sich lieber passgenau Unternehme­n heraussuch­t, bei denen man gerne arbeiten möchte. Wenn ein passender Arbeitspla­tz nicht so schnell zu finden ist, kann man die Zeit nutzen, um Wissenslüc­ken aufzufülle­n, beispielsw­eise in Sprach- oder Programmie­rkursen.

Eva Maria Knab

Zur Person Christina Friedl hat an der Universitä­t Augsburg Erziehungs­wis‰ senschafte­n studiert. Sie war in der freien Wirtschaft als Personalex­pertin tätig und und berät mit ihrer Kollegin Katharina Lehnert Studierend­e im Career‰Service der Hochschule Augsburg.

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Foto: Christin Klose, dpa‰tmn (Symbolbild) Bei Online‰Bewerbungs­gesprächen fällt der übliche Händedruck weg.
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