Augsburger Allgemeine (Land West)

Staatsanwa­lt beantragt Strafbefeh­l gegen Stadtrat

Justiz Der Freie-Wähler-Politiker Peter Hummel soll unter falschem Namen Menschen und politische Kontrahent­en diffamiert haben. Die Strafverfo­lger wollen eine Bewährungs­strafe erwirken. So geht es jetzt weiter

- VON JAN KANDZORA

Mehr als ein Jahr haben Polizei und Staatsanwa­ltschaft in Augsburg gegen den früheren OB-Kandidaten der Freien Wähler und heutigen Stadtrat Peter Hummel von der Fraktion „Bürgerlich­e Mitte“ermittelt. Nach Informatio­nen unserer Redaktion hat die Staatsanwa­ltschaft Augsburg nun einen Strafbefeh­l gegen Hummel beantragt. Dieser sieht dem Vernehmen nach eine achtmonati­ge Haftstrafe auf Bewährung für Hummel vor, unter anderem wegen Verleumdun­gsdelikten. Wie berichtet, ging es im Verfahren darum, dass Hummel andere Menschen unter falschem Namen im Internet und in einem Fall in einem Brief diffamiert haben soll. Die Vorwürfe gegen Hummel sind allerdings umfangreic­her als bislang bekannt.

Die Ermittler sehen es demnach als erwiesen an, dass der FreieWähle­r-Mann Aliasnamen nutzte, um über Beiträge in sozialen Netzwerken und persönlich­e Nachrichte­n politische Gegner und Menschen, mit denen er im Konflikt war, zu schädigen. Offenbar haben Polizei und Staatsanwa­ltschaft Erkenntnis­se, dass der 52-Jährige dabei teils auch den Boden der Legalität verließ. Ein schwerwieg­ender Fall in den Ermittlung­en betraf einen anderen Kommunalpo­litiker, den früheren Kulturrefe­renten und heutigen Stadtrat Peter Grab.

Der Hintergrun­d hängt mit einem Vorgang zusammen, der die Freien Wähler in der Region 2018 teilweise ins Chaos stürzen ließ. Damals wurde zunächst Peter Grab, heute Stadtrat der von ihm mitgegründ­eten Gruppierun­g WSA („Wir sind Augsburg“), zum Landtagska­ndidat der Freien Wähler im Stimmkreis Augsburg-West gewählt. Kurz darauf annulliert­e der Landesvors­tand der Freien Wähler die Nominierun­g aber. Mit der Begründung, dass einige Personen, die an der Wahl teilgenomm­en hätten, nicht stimmberec­htigt gewesen seien. Bei der Wahlwieder­holung wurde dann die Augsburger FW-Stadträtin Regina Stuber-Schneider zur Landtagska­ndidatin gewählt.

Im Zuge dieser Querelen, die tiefe Risse zwischen den Freien Wählern in Augsburg Stadt und Land offenbarte­n, erhielt der Kreisverba­nd Augsburg-Land ein Schreiben, in dem eine Frau behauptete, Peter Grab habe sie sexuell missbrauch­t. Es existierte allerdings nach Informatio­nen unserer Redaktion gar keine Frau unter dem auf dem Schreiben angegebene­n Namen, auch die darin angegebene Adresse führte ins Leere – was den Verdacht nahelegt, dass jemand den Kandidaten schlicht verleumden wollte. Offenbar haben die Ermittler nun konkrete Hinweise darauf, dass Hummel hinter diesem Schreiben steht.

Wie berichtet, hatten Anzeigen mehrerer Menschen, die sich von Hummel im Internet gemobbt und beleidigt fühlten, die Ermittlung­en ins Rollen gebracht. Eine Augsburger­in, die im Jahr 2019 Strafantra­g bei der Polizei gestellt hat, ist Andrea Röder, Leiterin eines Verlages. Sie war früher bei den Freien Wählern aktiv, trat 2014 auf der Stadtratsl­iste an und geriet damals, wie sie sagte, mit Peter Hummel in Konflikt, der ebenfalls auf der Liste stand. Sie wurde 2019 in FacebookVe­röffentlic­hungen eines mittlerwei­le wieder gelöschten Profils namens „Florian P.“(Namen abgekürzt) als „Rechtsradi­kale“und als „untervögel­t“verunglimp­ft. Bereits vor einigen Jahren hatte Röders Arbeitgebe­r eine rätselhaft­e E-Mail einer gewissen „Franziska S.“erhalten. „Franziska S.“schrieb darin, dass Röder „seit Wochen auf dem Portal Facebook gegen Menschen auf der Flucht“agiere. Und kündigte an: „Wir werden mit dem Unternehme­n, in dem ich tätig bin, die Geschäftsv­erbindung beenden, sollte sich dieses Verhalten fortsetzen.“

Nach Informatio­nen unserer Redaktion erhärteten die Ermittlung­en inzwischen den Verdacht, dass

Hummel der Eigentümer des E-Mail-Accounts von „Franziska S.“ist, die als reale Person nicht zu existieren scheint. Auch unserer Redaktion gelang es nicht, sie ausfindig zu machen. Hummel soll, so die Erkenntnis­se der Ermittler, wohl auch hinter dem Facebook-Profil von Florian P. stehen.

Neben bisher bekannten Sachverhal­ten soll der Stadtrat auch für ein weiteres Delikt verantwort­lich sein, das sich im Wahlkampf des Jahres 2020 abspielte. Dem Vernehmen nach soll er versucht haben, einem weiteren Stadtrats-Kandidaten, mit dem er sich zerstritte­n hatte, zu verbieten, das Logo der Freien Wähler im Wahlkampf zu verwenden – außer, dieser Stadtratsk­andidat zahle eine Spende von mehreren Hundert Euro an den Verein der Freien Wähler. Die Staatsanwa­ltschaft wertet dies als versuchte Erpressung.

Wenn die Staatsanwa­ltschaft einen Strafbefeh­l beantragt, heißt das noch nicht, dass die Vorwürfe juristisch erwiesen sind oder Hummel die beantragte Strafe tatsächlic­h bekommt. Zunächst muss ein Richter am Amtsgerich­t entscheide­n, ob der Strafbefeh­l erlassen wird. Dies passiert in der Mehrheit der Fälle, ist aber keine Selbstvers­tändlichke­it. Möglich ist auch, dass das Gericht den Strafbefeh­l ablehnt. Die Augsburger Staatsanwa­ltschaft wollte den Antrag auf Erlass des Strafbefeh­ls auf Anfrage nicht bestätigen. Man könne keine Auskünfte zum Verfahrens­stand geben, weil nicht sichergest­ellt sei, dass die Verfahrens­beteiligte­n von der Abschlussv­erfügung der Staatsanwa­ltschaft Kenntnis haben, heißt es.

Sollte der Strafbefeh­l erlassen werden, haben Beschuldig­te zwei Wochen Zeit, dagegen vorzugehen. Sofern sie dies tun, wirkt der Strafbefeh­l wie eine Anklagesch­rift, es kommt dann zu einem öffentlich­en Prozess. Hummels Verteidige­r Bernd Oostenryck sagt auf Anfrage, er könne inhaltlich noch nichts zu den Vorwürfen sagen, zumal ihm der Strafbefeh­l noch nicht vorliege, und er verärgert sei, dass die Presse schon davon wisse. Die Beschuldig­ungen, sagt Oostenryck, stünden aber aus seiner Sicht auf tönernen Füßen.

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Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild) Der Augsburger Kommunalpo­litiker Peter Hummel soll unter falschem Namen Menschen und politische Kontrahent­en diffamiert haben. Die Strafverfo­lger wollen eine Bewährungs­strafe erwirken.

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