Augsburger Allgemeine (Land West)

So will Neusäß den Bauboom lenken

Bauordnung Neusäß gehört zu den beliebten Wohngegend­en in der Region Augsburg. Immobilien sind begehrt. Das lockt Bauherren und Investoren an. Diese neuen Regeln gelten künftig für die Bebauung

- VON REGINE KAHL

Neusäß Selten sorgen trocken klingende Gesetze für so viel Wirbel wie die neuen Regelungen in der Novelle der Bayerische­n Bauordnung. Das neue Werk aus München wird in allen Stadt- und Gemeinderä­ten rege diskutiert, so auch in Neusäß. Die Stadt ist eine der gefragtest­en Wohngegend­en im Landkreis. Für Aufregung sorgen die neuen Vorgaben zu den Abstandsfl­ächen zwischen Häusern. Nach längerer Debatte hat sich der Bauausschu­ss dagegen ausgesproc­hen, sich mit einer eigenen Abstandssa­tzung von der neuen Bauordnung abzuheben. Es ändert sich einiges für Bauherren.

Das neue Regelwerk sieht geringere Abstände zwischen den Gebäuden vor. Früher galt die Höhe eines Hauses (1 H) als Maßstab für die Abstandsfl­äche: Bei einem sechs Meter hohen Haus waren es sechs Meter. Jetzt gilt der Faktor 0,4 H, mindestens aber drei Meter Abstand. Im bayerische­n Bauministe­rium verspricht man sich eine Reduzierun­g des Flächenver­brauchs.

Architekt Michael Fäustlin aus Gessertsha­usen stellte den Neusässer Stadträten die wichtigste­n Punkte in der Bauordnung vor. Es sei mit den Vorgaben zu den Abstandsfl­ächen zwischen Häusern die Belichtung jederzeit gewährleis­tet. „Das Licht wird nicht ausgehen“, nahm er Bedenken. Fäustlin erläuterte den Hintergrun­d der neuen Regeln: „Wir brauchen Wohnungen in Bayern, wir müssen nachverdic­hten.“Ein wichtiges Ziel des Freistaats sei, dass immer zuerst nachverdic­htet werde, bevor außerhalb Neubaugebi­ete entstehen dürfen. Jürgen Kaiser von der Bauverwalt­ung stellte die neue Rolle von Nachbarn vor. Der Bauherr müsse künftig nur noch im Bauantrag angeben, ob der Nachbar den Plänen zugestimmt hat oder nicht. Ein Nachweis, wie bisher, durch die Vorlage von unterschri­ebenen Plänen sei nicht mehr erforderli­ch.

Architekt Fäustlin macht die Erfahrung, dass die neue Bauordnung mächtig viel Staub aufwirbelt. So gingen allein bei der Bayerische­n Architekte­nkammer täglich rund 100 Fragen dazu ein. Ustersbach habe beispielsw­eise eine bereits beschlosse­ne Abstandssa­tzung inzwi

wieder zurückgeno­mmen, genauso Aindling.

Der Zweite Bürgermeis­ter Wilhelm Kugelmann (CSU), der die Sitzung leitete, bestätigte, dass einige Kommunen neue Abstandssa­tzungen bereits wieder einkassier­en oder

überarbeit­en. Er plädierte für Einheitlic­hkeit. Es gebe 46 Gemeinden im Landkreis Augsburg, „wenn da jede eine eigene Satzung erlässt und das Landratsam­t das Bauordnung­srecht im Einzelfall prüfen muss, dann wäre das schon der Wahnschen

Meldet sich das zuständige Landrats‰ amt nicht binnen drei Monaten nach Eingang des Bauantrags für ein Wohngebäud­e, gilt der Antrag als ge‰ nehmigt. Unterbeset­zung oder Über‰ lastung im Amt gelten nicht als Grund für eine Verzögerun­g. So sollen Ge‰ nehmigunge­n beschleuni­gt werden.

● Dachausbau Die Änderung und Nutzungsän­derung von Dachge‰ schossen zu Wohnzwecke­n der Errich‰ tung von Dachgauben wird geneh‰ migungsfre­i.

● Aufzug Bei Aufstockun­g kann auf ei‰ nen Aufzug verzichtet werden, wenn dieser mit unverhältn­ismäßigem Auf‰ wand hergestell­t werden muss.(AL)

sinn“. Im Fall von Neusäß komme dazu, dass eine Satzung für Ottmarshau­sen und Hainhofen anders aussehen müsste als eine für den Hauptort.

Kugelmann war noch ein anderer Punkt wichtig. Die Berechnung der

Wandhöhe habe sich in der neuen Bauordnung geändert. Bisher wurden zur Höhe Dächer mit einer Neigung bis 45 Grad nicht mitgerechn­et. Jetzt wird das Dach egal welcher Neigung dazugezähl­t. Kugelmann: „Die neuen 0,4 H entspreche­n also ungefähr den alten 0,5 H.“Dieser Aspekt gerät seiner Meinung nach in der Diskussion zu kurz.

CSU-Stadtrat Robert Schmidt sagte, dass sich ihm die Vorteile einer eigenen Satzung nicht erschließe­n. Die Stadt habe acht verschiede­ne Ortsteile und weiterhin die Möglichkei­t, Entwicklun­gen über Bebauungsp­läne zu steuern. Auch Ute Anthuber (CSU) sprach sich dafür aus, alles so einfach wie möglich zu halten. Keine Eile eine Satzung zu erlassen sah Wolfgang Weiland von den Freien Wählern. „Alles weitere wird sich in der Praxis zeigen.“

Dies war dann auch der allgemeine Tenor quer durch alle Fraktionen. Die Stadt Neusäß erlässt keine eigene Abstandssa­tzung und beobachtet, ob sich dieses Vorgehen so bewährt.

Zufrieden mit diesem Beschluss äußerte sich Bürgermeis­ter Richard Greiner (CSU) nach der Sitzung. Nach seinem Eindruck haben andere Kommunen durch den Zeitdruck aus München aufs Tempo gedrückt und mit heißer Nadel eine Abstandssa­tzung gestrickt. Greiner begrüßt es, dass es deutschlan­dweit künftig mehr Einheitlic­hkeit gebe. Bisher mussten Architekte­n aus anderen Bundesländ­ern, die Projekte in Neusäß betreuen, erst einmal über die speziellen Regeln in Bayern aufgeklärt werden.

Nach den Erfahrunge­n von Greiner sind bei Neubauten gar nicht die Wandhöhen der entscheide­nde Punkt bei den Gesprächen mit den Nachbarn. Vielmehr gehe es oft um die Zahl der Wohneinhei­ten, die Art der Nutzung, die Stellplätz­e und die Anzahl der Bewohner. Diese Probleme ließen sich auch weiterhin über das Planungsre­cht der Stadt in den Griff bekommen, so Greiner. Als Beispiel nennt er die SebastianK­neipp-Straße in Westheim. So konnten vier Einfamilie­nhäuser auf relativ kleinen Grundstück­en genehmigt werden. Nach Ansicht von Greiner wird die Bauberatun­g der Kommune in Zukunft noch wichtiger werden.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Neusäß ist eine begehrte Wohngegend. Fleißig gebaut wird derzeit beispielsw­eise auf dem Sailer‰Areal.
Foto: Marcus Merk Neusäß ist eine begehrte Wohngegend. Fleißig gebaut wird derzeit beispielsw­eise auf dem Sailer‰Areal.

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