Augsburger Allgemeine (Land West)
So will Neusäß den Bauboom lenken
Bauordnung Neusäß gehört zu den beliebten Wohngegenden in der Region Augsburg. Immobilien sind begehrt. Das lockt Bauherren und Investoren an. Diese neuen Regeln gelten künftig für die Bebauung
Neusäß Selten sorgen trocken klingende Gesetze für so viel Wirbel wie die neuen Regelungen in der Novelle der Bayerischen Bauordnung. Das neue Werk aus München wird in allen Stadt- und Gemeinderäten rege diskutiert, so auch in Neusäß. Die Stadt ist eine der gefragtesten Wohngegenden im Landkreis. Für Aufregung sorgen die neuen Vorgaben zu den Abstandsflächen zwischen Häusern. Nach längerer Debatte hat sich der Bauausschuss dagegen ausgesprochen, sich mit einer eigenen Abstandssatzung von der neuen Bauordnung abzuheben. Es ändert sich einiges für Bauherren.
Das neue Regelwerk sieht geringere Abstände zwischen den Gebäuden vor. Früher galt die Höhe eines Hauses (1 H) als Maßstab für die Abstandsfläche: Bei einem sechs Meter hohen Haus waren es sechs Meter. Jetzt gilt der Faktor 0,4 H, mindestens aber drei Meter Abstand. Im bayerischen Bauministerium verspricht man sich eine Reduzierung des Flächenverbrauchs.
Architekt Michael Fäustlin aus Gessertshausen stellte den Neusässer Stadträten die wichtigsten Punkte in der Bauordnung vor. Es sei mit den Vorgaben zu den Abstandsflächen zwischen Häusern die Belichtung jederzeit gewährleistet. „Das Licht wird nicht ausgehen“, nahm er Bedenken. Fäustlin erläuterte den Hintergrund der neuen Regeln: „Wir brauchen Wohnungen in Bayern, wir müssen nachverdichten.“Ein wichtiges Ziel des Freistaats sei, dass immer zuerst nachverdichtet werde, bevor außerhalb Neubaugebiete entstehen dürfen. Jürgen Kaiser von der Bauverwaltung stellte die neue Rolle von Nachbarn vor. Der Bauherr müsse künftig nur noch im Bauantrag angeben, ob der Nachbar den Plänen zugestimmt hat oder nicht. Ein Nachweis, wie bisher, durch die Vorlage von unterschriebenen Plänen sei nicht mehr erforderlich.
Architekt Fäustlin macht die Erfahrung, dass die neue Bauordnung mächtig viel Staub aufwirbelt. So gingen allein bei der Bayerischen Architektenkammer täglich rund 100 Fragen dazu ein. Ustersbach habe beispielsweise eine bereits beschlossene Abstandssatzung inzwi
wieder zurückgenommen, genauso Aindling.
Der Zweite Bürgermeister Wilhelm Kugelmann (CSU), der die Sitzung leitete, bestätigte, dass einige Kommunen neue Abstandssatzungen bereits wieder einkassieren oder
überarbeiten. Er plädierte für Einheitlichkeit. Es gebe 46 Gemeinden im Landkreis Augsburg, „wenn da jede eine eigene Satzung erlässt und das Landratsamt das Bauordnungsrecht im Einzelfall prüfen muss, dann wäre das schon der Wahnschen
Meldet sich das zuständige Landrats amt nicht binnen drei Monaten nach Eingang des Bauantrags für ein Wohngebäude, gilt der Antrag als ge nehmigt. Unterbesetzung oder Über lastung im Amt gelten nicht als Grund für eine Verzögerung. So sollen Ge nehmigungen beschleunigt werden.
● Dachausbau Die Änderung und Nutzungsänderung von Dachge schossen zu Wohnzwecken der Errich tung von Dachgauben wird geneh migungsfrei.
● Aufzug Bei Aufstockung kann auf ei nen Aufzug verzichtet werden, wenn dieser mit unverhältnismäßigem Auf wand hergestellt werden muss.(AL)
sinn“. Im Fall von Neusäß komme dazu, dass eine Satzung für Ottmarshausen und Hainhofen anders aussehen müsste als eine für den Hauptort.
Kugelmann war noch ein anderer Punkt wichtig. Die Berechnung der
Wandhöhe habe sich in der neuen Bauordnung geändert. Bisher wurden zur Höhe Dächer mit einer Neigung bis 45 Grad nicht mitgerechnet. Jetzt wird das Dach egal welcher Neigung dazugezählt. Kugelmann: „Die neuen 0,4 H entsprechen also ungefähr den alten 0,5 H.“Dieser Aspekt gerät seiner Meinung nach in der Diskussion zu kurz.
CSU-Stadtrat Robert Schmidt sagte, dass sich ihm die Vorteile einer eigenen Satzung nicht erschließen. Die Stadt habe acht verschiedene Ortsteile und weiterhin die Möglichkeit, Entwicklungen über Bebauungspläne zu steuern. Auch Ute Anthuber (CSU) sprach sich dafür aus, alles so einfach wie möglich zu halten. Keine Eile eine Satzung zu erlassen sah Wolfgang Weiland von den Freien Wählern. „Alles weitere wird sich in der Praxis zeigen.“
Dies war dann auch der allgemeine Tenor quer durch alle Fraktionen. Die Stadt Neusäß erlässt keine eigene Abstandssatzung und beobachtet, ob sich dieses Vorgehen so bewährt.
Zufrieden mit diesem Beschluss äußerte sich Bürgermeister Richard Greiner (CSU) nach der Sitzung. Nach seinem Eindruck haben andere Kommunen durch den Zeitdruck aus München aufs Tempo gedrückt und mit heißer Nadel eine Abstandssatzung gestrickt. Greiner begrüßt es, dass es deutschlandweit künftig mehr Einheitlichkeit gebe. Bisher mussten Architekten aus anderen Bundesländern, die Projekte in Neusäß betreuen, erst einmal über die speziellen Regeln in Bayern aufgeklärt werden.
Nach den Erfahrungen von Greiner sind bei Neubauten gar nicht die Wandhöhen der entscheidende Punkt bei den Gesprächen mit den Nachbarn. Vielmehr gehe es oft um die Zahl der Wohneinheiten, die Art der Nutzung, die Stellplätze und die Anzahl der Bewohner. Diese Probleme ließen sich auch weiterhin über das Planungsrecht der Stadt in den Griff bekommen, so Greiner. Als Beispiel nennt er die SebastianKneipp-Straße in Westheim. So konnten vier Einfamilienhäuser auf relativ kleinen Grundstücken genehmigt werden. Nach Ansicht von Greiner wird die Bauberatung der Kommune in Zukunft noch wichtiger werden.