Augsburger Allgemeine (Land West)
Mann stiehlt Waren im Wert von 20.000 Euro bei Amazon
Prozess Ein 38-Jähriger ließ 100 Handys, Uhren und Elektroartikel mitgehen. Warum er mit einem milden Urteil davonkam
Landkreis Augsburg Es war ein ungewöhnlicher Diebstahlprozess am Dienstagnachmittag vor dem Augsburger Amtsgericht: Unstrittig war, dass im Mai 2020 ein 38 Jahre alter Familienvater bei seinem Arbeitgeber Amazon in Graben 100 Mobiltelefone, über 100 Uhren und weitere Elektroartikel im Gesamtwert von über 20.000 Euro gestohlen hatte. Trotzdem kam der Angeklagte glimpflich davon.
In einem Strafbefehl wurde eine neunmonatige Haftstrafe zur Bewährung verhängt. Dagegen legte der Mann aber Einspruch ein, sodass der Fall vor Gericht landete. Der Angeklagte hatte, auch das war unstrittig, die Waren nicht gestohlen, weil er sie weiterverkaufen oder selber benutzen wollte, sondern weil er psychische Probleme hatte. Ein ärztliches Gutachten bescheinigte ihm Kleptomanie.
Vor diesem Hintergrund erschien seinem Anwalt die Strafe aus der ersten Instanz zu hart: „Ich kämpfe weiter für die Einstellung des Verfahrens,
weil mein Mandant die Waren gestohlen hatte, als er sich in einem krankhaften und behandlungsbedürftigen Zustand befand. Wir haben es hier nicht mit einem klassischen Diebstahl zu tun.“
Der Angeklagte führte aus, dass er sich in die Angst vor der CoronaPandemie hereingesteigert habe und zum Tatzeitpunkt familiäre Probleme gehabt hätte. Die Sachen habe er gestohlen, weil ihm dies ein kurzfristiges Glücksgefühl beschert habe. Das Diebesgut hat er auch vor seiner Frau in der gemeinsamen Wohnung versteckt, aber keine Anstalten gemacht, es zu verkaufen oder zu nutzen.
Richterin Silvia Huber räumte ein, dass man es hier mit einem besonderen Fall zu tun habe: „Hier sitzt nicht der klassische Dieb vor uns“, sagte sie. Doch einer Einstellung des Verfahrens wollte sie nicht zustimmen: „Das ist im Hinblick auf die Höhe des Schadens und der Anzahl der Geräte schwierig.“Auch die Staatsanwältin sprach sich gegen eine Einstellung aus.
Dann solle man über eine Verwarnung
oder eine Geldstrafe sprechen, schlug der Verteidiger vor: „Mein Mandant hat in Rumänien eine Ausbildung zum Feuerwehrmann gemacht, konnte diesen Beruf aber in Deutschland bislang nicht ausüben, weil ihm die Sprachkenntnisse noch fehlen.“Ihm sei es wichtig, dass ihm dieser Weg durch eine Bewährungsstrafe und einen Eintrag ins Führungszeugnis nicht verbaut würde.
Als einziger Zeuge wurde der Kommissar gehört, der mit dem Fall befasst war. Er berichtete, dass sich der Amazon-Sicherheitsbeauftragte an die Polizei gewandt habe, nachdem der Diebstahl entdeckt worden war. Daraufhin habe man Spind, Auto und die Wohnung des Angeklagten durchsucht, wo das Diebesgut schließlich entdeckt wurde. „Der Angeklagte hat allen Durchsuchungen zugestimmt“, sagte der Kommissar. Der 38-Jährige hatte noch versucht, sich im Rahmen einer Schlichtung mit dem Versandhändler zu einigen, doch dem stimmte Amazon nicht zu.
Das hielt die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer dem Angeklagten zugute. Auch sei davon auszugehen, dass der Angeklagte die Diebesware nicht zu Geld machen wollte. Trotzdem hielt sie an einer Bewährungsstrafe fest.
Das sah der Verteidiger anders: „Wir brauchen keine Bewährungsstrafe,
eine Verwarnung reicht vollkommen aus.“Der Angeklagte sei gut integriert, arbeite wieder bei einer anderen Firma und habe sich weder in Rumänien noch in Deutschland bisher etwas zuschulden kommen lassen.
Das sah Richterin Silvia Huber ähnlich: „Es spricht viel für Sie“, sagte sie zu dem Angeklagten. Für solche besonderen Fälle sei eine Verwarnung möglich. In ihrem Urteil verhängte sie die Verwarnung und eine Geldstrafe in Höhe von 140 Tagessätzen zu 30 Euro, die der Angeklagte aber wahrscheinlich nicht zu zahlen braucht: „Das ist eine Geldstrafe auf Bewährung. Sie ist nicht zu zahlen, wenn sie sich in den nächsten zwei Jahren nichts zuschulden kommen lassen.“
Verbunden ist dies aber mit der Auflage, 800 Euro an das Fritz-Felsenstein-Haus in Königsbrunn zu zahlen. Der Verteidiger erklärte nach kurzer Absprache mit seinem Mandanten, dass er die Strafe annehme. Die Staatsanwaltschaft ließ offen, ob sie Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen wird.