Augsburger Allgemeine (Land West)

Gab es eine Vergewalti­gung am Hettenbach­ufer?

Justiz Seit 20 Monaten sitzt ein Verdächtig­er in Untersuchu­ngshaft, weil er eine Frau in einem Park im Stadtteil Oberhausen vergewalti­gt haben soll. Der Vater dreier Kinder bestreitet den Vorwurf bis heute heftig. Jetzt wird sein Verfahren ein zweites Mal

- VON KLAUS UTZNI

Als die 1. Strafkamme­r des Landgerich­tes unter Vorsitz von Christian Grimmeisen den Sitzungssa­al betritt, bleibt der Angeklagte Ahmet B. (Name geändert) demonstrat­iv sitzen. Nach einem kurzen Wortwechse­l, bei dem ihn der Richter scharf ermahnt, sagt der Angeklagte: „Ja, ich bin aufgebrach­t. Ich sitze seit 20 Monaten in Untersuchu­ngshaft. Unschuldig.“Gegen den 48-Jährigen besteht nach wie vor ein Haftbefehl, weil er in der Nacht zum

19. Juni 2019 im Hettenbach­park im Stadtteil Oberhausen eine 45-jährige Frau vergewalti­gt haben soll. Die

3. Strafkamme­r beim Landgerich­t verurteilt­e Ahmet B., der den Vorwurf bis heute heftig bestreitet, im Januar vorigen Jahres zu vier Jahren Haft. Doch der Bundesgeri­chtshof hob den Schuldspru­ch in der Revision im August 2020 wieder auf – wegen einer fehlerhaft­en Beweiswürd­igung, wie die Bundesrich­ter begründete­n. Jetzt steht das Verfahren wieder auf Null, eine andere Kammer muss neu entscheide­n. Der Vorsitzend­e Richter Christian Grimmeisen sichert dem Angeklagte­n zu Beginn einen fairen Prozess zu: „Wir gehen vorurteils­frei an den Fall heran, was herauskomm­t, weiß keiner.“

Ahmet B., Vater dreier Kinder, hatte das mutmaßlich­e Opfer Amira S. (Name geändert) auf einer Party kennengele­rnt. Mit der Treue zu seiner Lebenspart­nerin und Mutter der Kinder nahm es der 48-Jährige, wie er selbst einräumt, nie so ganz genau. „Ja, ich hatte Affären mit anderen Frauen. Aber nie eine richtige Beziehung.“Mit Amira traf er sich meist im Freien, am See oder auf einem Parkplatz. Stets habe man Sex miteinande­r gehabt. Als Ahmet B. ein Lokal in Oberhausen eröffnete, fehlte ihm die Zeit für die Liebschaft, so schildert er es. „Es gab immer wieder Stress mit ihr. Sie wollte mehr“, erzählt der Angeklagte. Dass er eifersücht­ig gewesen sei, weil Amira ihm ein Foto mit einem anderen Mann geschickt habe, bestreitet er vehement. Er sei am Vorabend der Tat vielmehr empört gewesen, weil er erfahren habe, dass Amira einer Freundin von der gemeinsame­n Affäre erzählt habe. Um dies zu klären, habe man sich dann spätnachts in seiner Bar getroffen. Man sei in den Biergarten gegangen. „Ich war schon sehr aufgebrach­t“, sagt er. „Ich habe ihr vier oder fünf Ohrfeigen gegeben, sie aber weder am Hals gepackt noch an den Haaren gezogen, wie in der Anklage behauptet wird.“Dann sei die Sache erledigt gewesen. Man sei dann zum Hettenbach-Park gegangen, wo man sich schon früher zum Sex getroffen habe.

Ausführlic­h schildert der Angeklagte nun aus seiner Sicht, was sich in den folgenden 30 Minuten am

Ufer des Hettenbach­s ereignet hat. Es sei zu Sex gekommen, im Stehen, dann auf einer Parkbank, dann am Geländer. „Alles war ganz freiwillig.“Und dann habe jemand aus einem Fenster gerufen, man solle mit der Schweinere­i aufhören.

Amira sei schnell hinter einen Busch gelaufen, er hinterher. Und dann habe man weitergema­cht, bis ein Passant mit einem Hund gekommen sei. „Wir haben uns noch einmal geküsst. Und dann sind wir zurück zur Bar.“

Der Angeklagte sagt, er habe zu Hause seinen Rausch ausgeschla­fen. Als er aufgewacht sei, habe er mehrere Anrufversu­che auf seinem Handy gehabt und ein Foto, dass das Gesicht von Amira gezeigt habe. „Sie war ganz blau im Gesicht. Ich war schockiert.“Er habe sich dann einige Tage später mit Amira getroffen, sich bei ihr für die Ohrfeigen entschuldi­gt. „Dann haben wir uns wieder geküsst und sind Hand in Hand spazieren gegangen.“Tage später sei er urplötzlic­h verhaftet worden. „Da war ich fix und fertig. Ich dachte: Das kann doch nicht wahr sein.“

Amira S., die am nächsten Verhandlun­gstag im Beisein ihrer Anwältin Marion Zech als Zeugin gehört wird, hatte ihren Ex-Geliebten erst drei Wochen nach der angebliche­n Tat angezeigt – nach zwei Terminen bei ihrer Hausärztin. Die Frau beteuerte stets, sie sei mit dem Sex nicht einverstan­den gewesen. Sie habe gesagt, sie wolle keinen Sex. Sie habe sich dann aber nicht gewehrt, weil sie Angst vor weiteren Gewaltausb­rüchen gehabt habe.

Der Angeklagte ist, wie die Verlesung des Bundeszent­ralregiste­rs ergab, bereits vor Jahren wegen Körperverl­etzung und Falschauss­age verurteilt worden.

Die 1. Strafkamme­r hat bereits jetzt schon sechs weitere Prozesstag­e terminiert. Nicht groß ins Gewicht fallen dürfte eine zweite Anklagesch­rift, in der Staatsanwä­ltin Tanja Horvath dem Angeklagte­n Beleidigun­g vorwirft. Während der Haft schickte Ahmet B. sieben Briefe an die Mutter seiner Kinder, in der er sie als „Dreckshure“und „Schlampe“beschimpft­e.

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Foto: Klaus Rainer Krieger (Archivbild) Seit 20 Monaten sitzt ein Verdächtig­er in Untersuchu­ngshaft, weil er eine Frau am Hettenbach­ufer in Oberhausen vergewalti­gt haben soll. Jetzt wird sein Verfahren ein zweites Mal aufgerollt.

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