Augsburger Allgemeine (Land West)
Mit diesen Ideen halten sich Händler über Wasser
Wirtschaft Die Geschäfte brauchen dringend Einnahmen, um den Lockdown zu überstehen. Deshalb verkaufen Augsburger Einzelhändler beispielsweise Schulranzen, die sie online vorbestellen – und Kleidung gleich kartonweise
Eigentlich wäre jetzt die Zeit, in der künftige Erstklässler zusammen mit ihren Eltern den Schulranzen aussuchen. Viele Familien haben hierfür in den letzten Jahren sogenannte Schulranzenpartys der Händler genutzt, um den passenden Tornister zu finden. Doch in Zeiten des Lockdowns sind solche Angebote oder überhaupt der Gang ins Geschäft unmöglich. Weil Kinder aber dennoch einen Ranzen brauchen und bei der Auswahl auch dabei sein sollten, hat sich unter anderem in Augsburg Koffer Kopf etwas einfallen lassen: die Online-SchulranzenBeratung. Auch andere Augsburger Händler probieren es mit neuen Konzepten.
Eltern können bei Koffer Kopf über das Online-Portal des Händlers einen Termin buchen und dann über die Konferenz-Plattform Zoom mit den Verkäufern in Kontakt treten. „Natürlich kann man sich auch selbst im Netz informieren und online kaufen, wir haben aber festgestellt, dass unsere Kunden sich auch freuen, eine persönliche Einschätzung von unserem Team zu bekommen“, erzählt Inhaber Jürgen Faller. Das Angebot werde gut angenommen. „Meistens sitzt die ganze Familie vor dem Laptop und diskutiert und lässt sich eben beraten.“Eine Öffnung, sagt der Geschäftsmann, ersetze diese Art des Verkaufs nicht. Sie helfe aber, mit den Kunden in Kontakt zu bleiben und wenigstens etwas Umsatz zu machen.
Not macht erfinderisch, das gilt auch für die aktuelle Zeit der Pandemie. Händler in Augsburg und im Umland haben das zuletzt immer wieder bewiesen. Da wurden Beratungstermine über WhatsApp – etwa bei Sport Förg – angeboten oder über das soziale Netzwerk Instagram die neuesten Modekreationen vorgeführt, die der Kunde dann per Click and Collect abholen kann. Bei Schuh Schmid packt man seit einigen Tagen in großem Stil Klamotten in Kartons und bietet diese zum Verkauf an – sowohl in den SchmidFilialen als auch bei jenen von K&L, die der Augsburger Händler vor einiger Zeit übernommen hat. Die Frühlingsboxen gibt es zu stark vergünstigten Preisen. Darin enthalten sind beispielsweise Jacken, T-Shirts, Longsleeves oder Sweatshirts. Es gibt sie für Kinder, Erwachsene, für große Größen oder auch den Bereich Sport. Bis zu 75 Prozent günstiger als im regulären Verkauf werden die Waren in den Schachteln angeboten.
Es ist eine Art Überraschungsbox: Denn der Kunde kann zwar seine Größe angeben, aber nicht den Inhalt bestimmen. Auch ein Umtausch ist ausgeschlossen. „Es ist derzeit unsere einzige Chance, Ware zu verkaufen und Umsatz zu machen“, so Inhaber Robert Schmid. Zuletzt hatte er berichtet, dass er sogar Lagerflächen anmieten muss, um all die Klamotten und Schuhe, die wegen des Lockdowns nicht abverkauft werden konnten, unterzukriegen. Auch wirtschaftlich mache die Krise seinen Modehäusern zu schaffen. Jeder Euro Umsatz zähle daher. Die Resonanz auf die Boxen sei gut.
Damit die Innenstadthändler in der Krise nicht vergessen werden, hat sich die Konditorei Dichtl außerdem eine Osteraktion einfallen lassen. Die Konditorei stellt Händlern der Stadt ihre Schoko-Osterhasen zur Verfügung, die in Schaufenstern der einzelnen Geschäfte versteckt werden. Passanten sollen die Hasen suchen, das Schaufenster fotografieren und ihre Entdeckung auf den Social-Media-Seiten der Händler und des Café Dichtl posten. Wer fünf Fenster online gestellt hat, gewinnt selbst einen der Schokohasen. „Ziel ist es, die Innenstadt etwas zu beleben und den Kunden beim Blick in die Schaufenster vielleicht auf das ein oder andere Produkt aufmerksam zu machen, das er sich per Click and Collect besorgen kann“, sagt Marion Wiedersatz, Assistentin der Geschäftsführung von Dichtl. So hoffe man, den Lockdown gemeinsam zu überstehen.
Aktuelle Zahlen des Handelsverbands machen deutlich, wie wichtig jede Art von Umsatz ist. Sollten nicht bald Lockerungen in Kraft treten oder andere Hilfen greifen, sehen 15 Prozent der Befragten Händler in Bayern eine Geschäftsaufgabe im ersten Halbjahr als unausweichlich an, weitere 35 Prozent für das zweite Halbjahr. Ein Wert, den Andreas Gärtner, Bezirksgeschäftsführer für Schwaben, auch für Augsburg und Schwaben als realistisch ansieht. Erneut forderte der Handelsvertreter daher schnelle Öffnungsmöglichkeiten unter Auflagen. Es sei Händlern nicht mehr vermittelbar, dass stark besuchte Geschäfte wie Baumärkte nun öffnen dürfen, aber ein Modehändler weiter keinen einzigen Kunden empfangen darf.