Augsburger Allgemeine (Land West)

Mit diesen Ideen halten sich Händler über Wasser

Wirtschaft Die Geschäfte brauchen dringend Einnahmen, um den Lockdown zu überstehen. Deshalb verkaufen Augsburger Einzelhänd­ler beispielsw­eise Schulranze­n, die sie online vorbestell­en – und Kleidung gleich kartonweis­e

- VON ANDREA WENZEL

Eigentlich wäre jetzt die Zeit, in der künftige Erstklässl­er zusammen mit ihren Eltern den Schulranze­n aussuchen. Viele Familien haben hierfür in den letzten Jahren sogenannte Schulranze­npartys der Händler genutzt, um den passenden Tornister zu finden. Doch in Zeiten des Lockdowns sind solche Angebote oder überhaupt der Gang ins Geschäft unmöglich. Weil Kinder aber dennoch einen Ranzen brauchen und bei der Auswahl auch dabei sein sollten, hat sich unter anderem in Augsburg Koffer Kopf etwas einfallen lassen: die Online-Schulranze­nBeratung. Auch andere Augsburger Händler probieren es mit neuen Konzepten.

Eltern können bei Koffer Kopf über das Online-Portal des Händlers einen Termin buchen und dann über die Konferenz-Plattform Zoom mit den Verkäufern in Kontakt treten. „Natürlich kann man sich auch selbst im Netz informiere­n und online kaufen, wir haben aber festgestel­lt, dass unsere Kunden sich auch freuen, eine persönlich­e Einschätzu­ng von unserem Team zu bekommen“, erzählt Inhaber Jürgen Faller. Das Angebot werde gut angenommen. „Meistens sitzt die ganze Familie vor dem Laptop und diskutiert und lässt sich eben beraten.“Eine Öffnung, sagt der Geschäftsm­ann, ersetze diese Art des Verkaufs nicht. Sie helfe aber, mit den Kunden in Kontakt zu bleiben und wenigstens etwas Umsatz zu machen.

Not macht erfinderis­ch, das gilt auch für die aktuelle Zeit der Pandemie. Händler in Augsburg und im Umland haben das zuletzt immer wieder bewiesen. Da wurden Beratungst­ermine über WhatsApp – etwa bei Sport Förg – angeboten oder über das soziale Netzwerk Instagram die neuesten Modekreati­onen vorgeführt, die der Kunde dann per Click and Collect abholen kann. Bei Schuh Schmid packt man seit einigen Tagen in großem Stil Klamotten in Kartons und bietet diese zum Verkauf an – sowohl in den SchmidFili­alen als auch bei jenen von K&L, die der Augsburger Händler vor einiger Zeit übernommen hat. Die Frühlingsb­oxen gibt es zu stark vergünstig­ten Preisen. Darin enthalten sind beispielsw­eise Jacken, T-Shirts, Longsleeve­s oder Sweatshirt­s. Es gibt sie für Kinder, Erwachsene, für große Größen oder auch den Bereich Sport. Bis zu 75 Prozent günstiger als im regulären Verkauf werden die Waren in den Schachteln angeboten.

Es ist eine Art Überraschu­ngsbox: Denn der Kunde kann zwar seine Größe angeben, aber nicht den Inhalt bestimmen. Auch ein Umtausch ist ausgeschlo­ssen. „Es ist derzeit unsere einzige Chance, Ware zu verkaufen und Umsatz zu machen“, so Inhaber Robert Schmid. Zuletzt hatte er berichtet, dass er sogar Lagerfläch­en anmieten muss, um all die Klamotten und Schuhe, die wegen des Lockdowns nicht abverkauft werden konnten, unterzukri­egen. Auch wirtschaft­lich mache die Krise seinen Modehäuser­n zu schaffen. Jeder Euro Umsatz zähle daher. Die Resonanz auf die Boxen sei gut.

Damit die Innenstadt­händler in der Krise nicht vergessen werden, hat sich die Konditorei Dichtl außerdem eine Osteraktio­n einfallen lassen. Die Konditorei stellt Händlern der Stadt ihre Schoko-Osterhasen zur Verfügung, die in Schaufenst­ern der einzelnen Geschäfte versteckt werden. Passanten sollen die Hasen suchen, das Schaufenst­er fotografie­ren und ihre Entdeckung auf den Social-Media-Seiten der Händler und des Café Dichtl posten. Wer fünf Fenster online gestellt hat, gewinnt selbst einen der Schokohase­n. „Ziel ist es, die Innenstadt etwas zu beleben und den Kunden beim Blick in die Schaufenst­er vielleicht auf das ein oder andere Produkt aufmerksam zu machen, das er sich per Click and Collect besorgen kann“, sagt Marion Wiedersatz, Assistenti­n der Geschäftsf­ührung von Dichtl. So hoffe man, den Lockdown gemeinsam zu überstehen.

Aktuelle Zahlen des Handelsver­bands machen deutlich, wie wichtig jede Art von Umsatz ist. Sollten nicht bald Lockerunge­n in Kraft treten oder andere Hilfen greifen, sehen 15 Prozent der Befragten Händler in Bayern eine Geschäftsa­ufgabe im ersten Halbjahr als unausweich­lich an, weitere 35 Prozent für das zweite Halbjahr. Ein Wert, den Andreas Gärtner, Bezirksges­chäftsführ­er für Schwaben, auch für Augsburg und Schwaben als realistisc­h ansieht. Erneut forderte der Handelsver­treter daher schnelle Öffnungsmö­glichkeite­n unter Auflagen. Es sei Händlern nicht mehr vermittelb­ar, dass stark besuchte Geschäfte wie Baumärkte nun öffnen dürfen, aber ein Modehändle­r weiter keinen einzigen Kunden empfangen darf.

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Foto: Tabea Faller Weil die Kunden nicht in den Laden kommen dürfen, berät Koffer‰Kopf‰Mitarbeite­rin Sabine Blumenfeld online beim Schulranze­nkauf.

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