Augsburger Allgemeine (Land West)
Bund und Länder ringen um Wege aus dem Lockdown
Pandemie Ab kommende Woche mehr Kontakte erlaubt. Söder attackiert Scholz
Berlin Die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder haben am Mittwoch bis spät in die Nacht und zunehmend gereizt um die Corona-Strategie für die kommenden Wochen gerungen. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe dauerte der Pandemie-Gipfel im Kanzleramt weiter an. Nach achtstündigen Gesprächen soll es sogar zum Eklat zwischen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) gekommen sein. In seinem Streit um den Härtefallfonds sagte Söder laut Teilnehmern zum Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidaten: „Ich weiß nicht was Sie getrunken haben. Sie sind hier nicht Kanzler.“
Zuvor hatte sich die Runde darauf geeinigt, dass der Lockdown bis zum 28. März verlängert wird. Ab der kommenden Woche sind aber mehr Kontakte möglich. Erlaubt sind Treffen des eigenen Haushalts mit einem weiteren Haushalt – allerdings begrenzt auf fünf Personen. Kinder bis 14 Jahre werden dabei nicht mitgezählt. Im Moment sind Zusammenkünfte lediglich im Kreis des eigenen Haushalts mit einer weiteren Person erlaubt, Kinder mit eingerechnet. Auch Buchläden, Blumengeschäfte und Gartencenter sowie Fahrschulen dürfen laut einem inoffiziellen Zwischenergebenispapier bundesweit ab Montag wieder öffnen.
Massive Kritik gab es den Informationen zufolge an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Denn inzwischen ist klar, dass Corona-Schnelltests womöglich erst weit später flächendeckend verfügbar sind, als von ihm angekündigt. Spahn hatte Massen-Schnelltests bereits für Anfang März versprochen, tatsächlich können sie wohl vor April nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung gestellt werden. Viele Lockerungsszenarien aus den Beschlussvorlagen waren an massenhafte Schnelltests gebunden. Wenn diese nicht ausreichend zur Verfügung stünden, könne auch nicht entsprechend gelockert werden, soll Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) gesagt haben.
Angesichts der zunehmenden Verbreitung von mutierten VirusVarianten warnen viele vor zu schnellen Lockerungen. Auf der anderen Seite drängen Wirtschaftsund Handelsverbände auf rasche und klare Öffnungsperspektiven. Auch Bundesländer, in denen der Tourismus eine wichtige Rolle spielt, drängen auf Öffnung.
Geeinigt hatte sich die Runde darauf, dass auch die rund 60 000 deutschen Hausarztpraxen in die Impfstrategie mit einbezogen werden. Ab April werde so viel Impfstoff vorhanden sein, dass er auch für die Verteilung in der Fläche zur Verfügung stehe. Dann könnte die bisher starre Impfreihenfolge aufgeweicht
Bund soll Kosten für Schnelltests übernehmen
werden. Ärzte könnten dann selbst entscheiden, welche ihrer Patienten den Impfstoff am dringendsten benötigen.
Heftig diskutiert wurde um die Sieben-Tage-Inzidenz-Werte, ab welchen weitere Lockerungen möglich sind. Der bisher geltende Wert von 35 Neuinfektionen pro 100000 Einwohner pro Woche wurde schließlich gekippt. Neue Zielgröße ist 50, ab diesem Wert kann etwa der Handel unter Auflagen wieder öffnen, ebenso Galerien und Museen. Eine Notbremse, bei der Lockerungen wieder zurückgenommen werden, gilt ab einem Wert von 100. Dann werden auch die Kontaktbeschränkungen, die momentan noch gelten, wieder eingeführt. Derzeit pendelt der Wert um die 60. Heftig diskutiert wurde über einen umfangreichen Stufenplan für weitere Öffnungen. Tief in der Nacht schienen die Gespräche völlig festgefahren.