Augsburger Allgemeine (Land West)
Der gefallene Held
New Yorks Gouverneur genoss durch sein Corona-Management Kultstatus. Nun gerät Andrew Cuomo in Erklärungsnot. Drei Frauen erheben Vorwürfe
Wenn vermeintliche Helden stürzen, ist der Aufprall oft besonders schmerzhaft. Für den Betroffenen selbst, aber auch für diejenigen, die ihre Hoffnungen in ihn gesetzt haben. Insofern ist der Fall des New Yorker Gouverneurs geradezu klassisch. In der Corona-Pandemie stieg Andrew Cuomo zum umjubelten Star auf – er wurde zum Gegenbild des CoronaLeugners und US-Präsidenten Donald Trump. Seine Pressekonferenzen erreichten geradezu Kultstatus – sogar mit dem Emmy, dem Fernsehpreis der USA, wurde der 63-Jährige ausgezeichnet. In Zeiten, in denen die Demokraten mit einem 78-jährigen Biden ins Weiße Haus einziehen, galt Cuomo geradezu als politisches Zukunftsversprechen. Als Präsidentschaftskandidat wurde er gehandelt.
Nun der tiefe Fall. Cuomo muss zum Krisenmanager in eigener Sache werden. Gleich drei Frauen werfen ihm sexuelle Belästigung vor: Die 36 Jahre alte Lindsay Boylan, eine ehemalige Beraterin, sagt, Cuomo habe sie 2018 in seinem Büro ungefragt auf den Mund geküsst. Eine frühere Gesundheitsberaterin beschuldigt ihn, sie verbal bedrängt zu haben. Eine dritte Frau wirft Cuomo vor, sie unangemessen angefasst und gefragt zu haben, ob er sie küssen dürfe.
In seiner Partei, den Demokraten, versucht man gar nicht erst, die Sache schönzureden. Die Vorwürfe seien ernst, die New Yorker Justizministerin Letitia James will sie untersuchen. Cuomo selbst sagt: „Ich räume ein, dass einige der Dinge, die ich gesagt habe, als unerwünschte Flirts fehlinterpretiert worden sind. Soweit das jemand so empfunden hat, tut mir das aufrichtig leid.“Er betont aber auch, dass er „nie jemanden unangemessen berührt“und auch nie jemandem unsittliche Avancen gemacht habe. Die Anschuldigungen sind längst nicht das einzige Problem: Der Gouverneur soll Corona-Zahlen geschönt und dadurch Menschenleben gefährdet haben. Das Ende seiner politischen Karriere scheint damit so gut wie besiegelt. Der geschiedene Vater von drei erwachsenen Töchtern stünde vor den Trümmern seiner
Lebensplanung, sollte er aus dem Amt fliegen. Denn sein Ziel war es stets, es dem eigenen Vater mindestens gleichzutun. Mario Cuomo war von 1983 bis 1994 Gouverneur in New York, schon in jungen Jahren engagierte sich Andrew – seine Großeltern sind italienische Einwanderer – als dessen Wahlkampfmanager. Er setzte sich für Obdachlose ein, ersann Ideen für eine innovative Wohnungspolitik, gewann Preise für seine Managementreformen. Und doch verlief seine Karriere nicht immer geradlinig. Bereits 2002 galt der Jurist als aussichtsreicher Anwärter für den Posten eines Gouverneurs, eine Art Ministerpräsident – und musste seine Bewerbung wegen überheblicher Äußerungen wieder zurückziehen. Erst 2010 gelang der Schritt. Das Ende der Karriereleiter dürfte damit erreicht sein. Margit Hufnagel