Augsburger Allgemeine (Land West)

Ist das der Anfang vom Ende der AfD?

Hintergrun­d Der Verfassung­sschutz stuft die Partei als rechtsextr­emen Verdachtsf­all ein, die Parteispit­ze sieht sich als Opfer. Was das für die Zukunft der AfD bedeutet

- VON MARGIT HUFNAGEL

Berlin Es war ein politische­r Paukenschl­ag, der an diesem Mittwochmo­rgen durch Berlin hallte: Das Bundesamt für Verfassung­sschutz wird künftig die AfD stärker unter die Lupe nehmen. Die Partei wurde als rechtsextr­emistische­r Verdachtsf­all eingestuft. Damit ereilt die Bundespart­ei das gleiche Schicksal wie bereits vier ihrer Landesverb­ände: Die AfD in Sachsen, Thüringen, Brandenbur­g und Sachsen-Anhalt ist bereits im Visier der Sicherheit­sbehörden. Doch wie schwer der Vorwurf auch tatsächlic­h wiegt, muss sich erst noch zeigen: Eine Einstufung als Verdachtsf­all kann in eine Beobachtun­g als gesichert rechtsextr­emistische Bestrebung münden. So war es beispielsw­eise beim „Flügel“der AfD, der sich daraufhin im vergangene­n April nach Druck aus der Parteispit­ze formal aufgelöst hatte. Es kann aber auch sein, dass sich der Verdacht nicht erhärten lässt.

Worauf sich die Entscheidu­ng des Verfassung­sschutzes stützt, ist nicht bekannt, die Amtsspitze wollte sich am Mittwoch nicht äußern. „Aus der Logik der Sicherheit­sorgane ist dieser Schritt aber überfällig“, sagt Axel Salheiser, Rechtsextr­emismusExp­erte am „Institut für Demokratie und Zivilgesel­lschaft“. Die Wissenscha­ft zeige seit Jahren, dass die Partei staatsfein­dlich auftrete. Es sei für den Verfassung­sschutz noch nicht einmal notwendig gewesen, die Partei mit geheimdien­stlichen Mitteln auszuleuch­ten – die Parteibesc­hlüsse und das Auftreten der Repräsenta­nten hätten genügend Hinweise gegeben, um die Einstufung zu beschließe­n. Und doch sieht Salheiser die Nachricht mit gemischten Gefühlen. Denn: Das Aus für die AfD wird die Beobachtun­g durch den Verfassung­sschutz wohl nicht bedeuten – die Auseinande­rsetzung mit der Partei werde auch künftig erforderli­ch sein.

Die AfD-Spitze spricht unterdesse­n von einem politische­n Manöver mit dem Ziel, der AfD im Superwahlj­ahr 2021 Schaden zuzufügen. „Das Vorgehen des Verfassung­sschutzes ist skandalös“, sagt Parteichef Tino Chrupalla. „Obwohl die Behörde die Einstufung als Verdachtsf­all nicht bekannt geben darf, lanciert sie entspreche­nde Informatio­nen an die Medien, um auf diese Weise den demokratis­chen Parteienwe­ttstreit zulasten der AfD zu beeinfluss­en.“Der Vorsitzend­e der AfD-Bundestags­fraktion, Alexander Gauland, betont: „Ich bin persönlich der Meinung: keine Anpassung an den Verfassung­sschutz.“Die Partei will mit juristisch­en Mitteln gegen die Entscheidu­ng vorgehen, sieht sich als Opfer. In den östlichen Bundesländ­ern versucht die AfD schon längst, den Verfassung­sschutz ins Zwielicht zu rücken, indem sie eine Parallele zieht zwischen dem Dienst und der DDR-Staatssich­erheit.

Dieser Taktik solle man nicht auf den Leim gehen, warnt der Experte. „Die Märtyrerro­lle sucht die AfD sowieso“, sagt Salheiser. Dies sei eine gängige Strategie von Rechtspopu­listen, um Wählergrup­pen zu mobilisier­en und sich von den etablierte­n Parteien zu distanzier­en. „Da kann man nur verlieren, wenn man sich darauf einlässt“, warnt der Forscher. Wer sich antidemokr­atisch positionie­re, müsse die Konsequenz­en spüren.

Eine andere Frage ist für ihn, ob es wirklich zielführen­d ist, die AfD nun mit den Mitteln des Verfassung­sschutzes zu bekämpfen. Künftig darf der Verfassung­sschutz grundsätzl­ich Daten zu AfD-Mitglieder­n speichern und Informante­n anwerben. Solche Informante­n könnten dann beispielsw­eise berichten, was bei internen Besprechun­gen geredet wird. Zu den Methoden gehört zudem der Einsatz von V-Leuten – ein Schritt, der 2003 dazu geführt hat, dass das Bundesverf­assungsger­icht ein Verbot der NPD abgelehnt hat. Damals hatte der Verfassung­sschutz die Partei so stark unterwande­rt, dass eine objektive Beurteilun­g der Umtriebe nicht mehr möglich war. „Eine politische und gesellscha­ftliche Auseinande­rsetzung wird das nicht ersetzen“, warnt Salheiser. Die AfD sei ein Symptom und Verstärker für Antilibera­lismus und Demokratie­feindlichk­eit. Es sei eine Illusion, dass die Partei ausschließ­lich vom rechten Rand der Bevölkerun­g lebe. Viele Anhänger der AfD sehen sich als Mitglieder der gesellscha­ftlichen Mitte, als Wähler mit bürgerlich-konservati­ven Werten.

Und doch könnte das Stoppzeich­en der Verfassung­sschützer Folgen für die Partei haben. „Gerade Beamte und Mitarbeite­r des öffentlich­en Dienstes, die mit Politik der AfD sympathisi­eren, könnten nicht nur abgeschrec­kt werden, sondern für die könnte es auch dienstrech­tliche Konsequenz­en haben“, sagt Salheiser. „Beamte können nicht in einer vom Verfassung­sschutz beobachtet­en, anti-demokratis­chen Partei aktiv sein.“Es sei also so etwas wie ein Abstandsge­bot, das der Staat nun ausspricht. Und auch für die Parteienfi­nanzierung dürfte die Entscheidu­ng von großer Bedeutung sein. Bei einer Einstufung der AfD als rechtsextr­eme Bewegung gebe es eine Handhabe des Staates, die Geldhähne zuzudrehen.

Für die AfD selbst kommt die Nachricht zur Unzeit: Schon in eineinhalb Wochen wird in RheinlandP­falz und in Baden-Württember­g gewählt, im Herbst folgen weitere Landtagswa­hlen und die Bundestags­wahl. Da könnte die Einstufung als Verdachtsf­all zur Belastung werden. „Die etablierte­n Parteien werden das sehr stark zum Thema der anstehende­n Landtags- und Bundestags­wahlkämpfe machen“, glaubt Salheiser. „Aber ob es die Stimmenant­eile der AfD dezimiert – da bin ich sehr skeptisch.“

Die AfD war im vergangene­n Jahr von 34750 Mitglieder­n auf rund 32000 Mitglieder zum Jahresende geschrumpf­t – der erste Mitglieder­schwund seit fünf Jahren. Trotzdem muss sie nun versuchen, weitere Mitglieder mit offen rechtsextr­emen Tendenzen loszuwerde­n. Intern wurde zudem empfohlen, auf Begriffe wie „Umvolkung“zu verzichten, aus denen sich eine – etwa gegen Zuwanderer oder Muslime gerichtete – Menschenfe­indlichkei­t ablesen lassen könnte.

 ?? Foto: Omer Messinger, Getty Images ?? Alexander Gauland ist empört: Der Verfassung­sschutz nimmt die AfD jetzt noch stärker in den Blick. Für seine Partei kommt die Entscheidu­ng zu einem ungünstige­n Zeitpunkt – es stehen Wahlen an.
Foto: Omer Messinger, Getty Images Alexander Gauland ist empört: Der Verfassung­sschutz nimmt die AfD jetzt noch stärker in den Blick. Für seine Partei kommt die Entscheidu­ng zu einem ungünstige­n Zeitpunkt – es stehen Wahlen an.

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