Augsburger Allgemeine (Land West)

Weidmann lässt Scholz leer ausgehen

Bilanz Die Corona-Krise hat tiefe Spuren in der Bilanz der Deutschen Bundesbank hinterlass­en. Zum ersten Mal seit mehr als 40 Jahren fällt die Überweisun­g an den Finanzmini­ster aus

- Jörn Bender und Jürgen Sabel, dpa

Frankfurt am Main Schlechte Nachrichte­n für Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD): Der im Haushalt eingeplant­e Bundesbank-Gewinn fällt aus. Erstmals seit 1979 überweist die Bundesbank nichts an den Bund. Wegen der milliarden­schweren Corona-Nothilfen der Euro-Notenbanke­n stocken Deutschlan­ds Währungshü­ter lieber ihre Rückstellu­ngen auf. „Die erhöhte Risikovors­orge ist der Hauptgrund, weshalb die Bundesbank für 2020 ein ausgeglich­enes Jahreserge­bnis ausweist“, sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann bei der Bilanzvorl­age.

Zum zehnten Mal seit 1957, als die Bundesbank ihre Arbeit aufnahm, führt die Notenbank damit keinen Gewinn an den Bund ab. Traditione­ll plant das Bundesfina­nzminister­ium im Bundeshaus­halt einen Bundesbank­gewinn in Höhe von 2,5 Milliarden Euro ein – so auch für 2021. Noch im vergangene­n Jahr durfte sich Finanzmini­ster Scholz über eine üppige Überweisun­g freuen: 2019 hatte die Bundesbank mit 5,85 Milliarden Euro den höchsten Gewinn seit der Finanzkris­e erzielt – vor allem, weil sie weniger Geld für mögliche Risiken aus der gemeinsame­n Geldpoliti­k unter Führung der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) zurücklegt­e.

In der Corona-Krise steckt die EZB wieder deutlich mehr Geld in den Kauf von Staats- und Unternehme­nsanleihen. Im Dezember weitete die EZB ihr Kaufprogra­mm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) um 500 Milliarden auf 1,85 Billionen aus und verlängert­e dessen Laufzeit um neun Monate bis mindestens Ende März 2022. Die Käufe helfen Staaten und Firmen: Sie müssen für Wertpapier­e nicht so hohe Zinsen bieten, wenn eine Zentralban­k als Käufer auftritt.

Zwar profitiert die Bundesbank anteilig auch vom EZB-Gewinn. Dieser fiel 2020 allerdings mit gut 1,6 Milliarden Euro ebenfalls deutlich geringer aus als ein Jahr zuvor (2,4 Mrd. Euro). Zudem haben nach Einschätzu­ng der Bundesbank für die Notenbanke­n sowohl Ausfallals auch Zinsänderu­ngsrisiken zugenommen. Daher stockte die Bundesbank ihre sogenannte Wagnisrück­stellung um 2,4 Milliarden Euro auf den Rekordwert von 18,8 Milliarden Euro auf. Damit werde der Anstieg der Risiken allerdings nur zu einem Teil abgedeckt, sagte

Weidmann. „Für das laufende Jahr erwarten wir daher eine weitere Aufstockun­g der Wagnisrück­stellung.“

Die deutsche Wirtschaft dürfte nach Einschätzu­ng von Ökonomen nach einem Rückschlag zu Jahresbegi­nn infolge des Lockdowns im Frühjahr wieder Fahrt aufnehmen. Die Volkswirte der privaten Banken etwa erwarten für das Gesamtjahr 2021 ein Wachstum von 3,8 Prozent. „Bei aller Unsicherhe­it dürfte die Widerstand­sfähigkeit der deutschen Wirtschaft insgesamt groß genug sein, um eine womöglich längere Durststrec­ke zu überstehen“, sagte Weidmann.

Die Wirtschaft solle sich aber nicht daran gewöhnen, dass Staaten und Zentralban­ken das System am Laufen halten: „Nach der Pandemie müssen die geldpoliti­schen Notfallmaß­nahmen beendet werden. Wir müssen achtgeben, dass sie nicht zur Dauereinri­chtung werden“, mahnte Weidmann. Dazu kommt: Die EZB ist seit Jahren im Antikrisen­modus, Nullzins und Negativzin­s sind zur Normalität geworden. „Für die Notenbanke­n könnte es immer schwierige­r werden, ihren expansiven Kurs rechtzeiti­g zu ändern“, gab Weidmann zu bedenken.

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Foto: Arne Dedert, dpa Bundesbank‰Chef Jens Weidmann sorgt vor und überweist kein Geld an die Bundes‰ regierung.

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