Augsburger Allgemeine (Land West)
Staat macht sozialen Wohnbau unnötig teuer
Wohnen Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt Jahr für Jahr. Eigentlich können Ex-Kasernenflächen und bundeseigene Grundstücke für den Neubau billig an Gemeinden verkauft werden. Doch die Möglichkeit wird selten genutzt
Augsburg/Berlin Für 238 Millionen Euro laufen derzeit bei der Stadt Augsburg und ihrer Wohnbaugruppe große Neubauprojekte. Namen wie „Reesepark“und „Sheridanpark“verraten, dass sie auf ehemaligen US-Kasernen entstehen. Gut 550 sozial geförderte und nach Willen der Stadt dauerhaft bezahlbare Mietwohnungen sollen in den kommenden Jahren bezugsfertig sein – teilweise als neues Quartier mit Supermarkt, Café und Drogeriemarkt.
Angesichts der dreistelligen Millionensummen wirkt der Beitrag eines neuen Bundesprogramms zur verbilligten Abgabe von Bundesgrundstücken wie ein Scherflein zu dem Projekt: 166268 Euro billiger überließ die „Bima“, abgekürzte Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, ein kleines Grundstück am einstigen „Vehicle Park“der Stadt und damit immerhin kostenlos.
Quer verteilt über die Republik besitzt der Bund fast 26000 ungenutzte Grundstücke. Wie in Augsburg
oft Überbleibsel des Kalten Krieges in Form aufgegebener Militärstandorte der Alliierten oder später der Bundeswehr. Bis 2015 verkauft die Bima bundeseigene Wohnungen und Grundstücke zum Höchstpreis. „Wir sind es, abgesehen von der gesetzlichen Verpflichtung, auch den Steuerzahlern schuldig, möglichst hohe Einnahmen für den Bundeshaushalt zu erzielen“, sagte zu dieser Zeit der damalige Bima-Vorstandssprecher Jürgen Gehb. Kommunale Wohnbaugesellschaften wurden von finanzkräftigen Investoren überboten oder stiegen gar nicht erst ins Bieterrennen ein.
Bis zu einer halbe Milliarde Euro erlöste die Behörde pro Jahr. Zugleich erhöhte die Bima kräftig die Mieten in ihren eigenen Wohnanlagen und erklärte, es sei nicht ihre Aufgabe, dass der Steuerzahler billige Mieten subventioniere. „Der Staat als Spekulant“, lauteten damals Zeitungsüberschriften, als die Behörde 1700 Mietwohnungen in Berlin meistbietend verkaufen wollte. Dazu kam noch, dass die Bima auch die Mieten ihrer eigenen Wohnanlagen zu dieser Zeit kräftig erhöhte.
Nach parteiübergreifenden Protesten und der zunehmenden Krise am Wohnungsmarkt kam es 2015 unter der damaligen SPD-Bauministerin Barbara Hendricks offiziell zum Kurswechsel: Die Bima konnte nun verbilligt alle Grundstücke an Kommunen abgeben, insbesondere für sozialen Wohnbau. Seit 2018 soll der Kaufpreis einer Fläche um 25000 Euro pro geplanter Sozialwohnung verbilligt werden, teilweise werden Grundstücke damit zum Preis von null Euro unentgeltlich von der Bima – wie im Augsburger Fall – abgegeben.
Der Bedarf an günstigem Wohnraum wächst: Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt in Deutschland jedes Jahr um mehr als 40000 Mietwohnungen,
weil deutlich mehr aus der Sozialbindung fallen, als gebaut werden. Gab es in der alten Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung noch knapp vier Millionen Sozialwohnungen in Deutschland, droht die Zahl in wenigen Jahren unter die Millionen-Marke zu fallen. Doch wie aus der Antwort der Bundesregierung
auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervorgeht, wird die sogenannte „Verbilligungs-Richtlinie“beim Verkauf von bundeseigenen Grundstücken nur in Ausnahmefällen angewendet. Die Bima habe von 2015 bis Mitte Februar 2021 rund 1800 Liegenschaften an Länder, Kommunen oder deren Wohnbaugesellschaften veräußert, heißt es dort. „In 344 Fällen wurde eine Verbilligung gewährt. Dies entspricht einem Anteil von rund 19 Prozent.“
Der bau- und wohnungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion und bayerische Liberalen-Vorsitzende Daniel Föst hält diese Zahlen für eine Bankrotterklärung: „Es ist ein Skandal, dass der Bund nur eins von fünf Grundstücken vergünstigt an die Kommunen abgibt“, sagt Föst, der die Anfrage gestellt hatte. „Das Bauland ist einer der größten Flaschenhälse beim Wohnungsbau, aber der Bund rückt seine Grundstücke nur widerwillig und unter hoher Belastung für die Kommunen heraus“, kritisiert er. „Je teurer das Bauland, desto teurer sind am Ende auch die Mieten.“
Der FDP-Politiker kritisiert insbesondere den Bundesfinanzminister heftig, zu dessen Ressort die Bima gehört: „Olaf Scholz fordert als SPDKanzlerkandidat einen Mietenstopp, während er als Finanzminister mit seiner restriktiven Verkaufspolitik die Mieten treibt“, sagt Föst. „Der Bund muss viel mehr und viel schneller seine Grundstücke verbilligt zur Verfügung stellen, damit in den Kommunen neuer und günstiger Wohnraum entstehen kann.“
Wohnbaugesellschaften werden überboten
Bayerns FDPChef spricht von einem Skandal