Augsburger Allgemeine (Land West)

Emanzipati­on ja, „Emanze“nein

Interview An diesem Montag ist Internatio­naler Frauentag. Angela Gebler und Brigitte Heintze vom Serviceclu­b „Soroptimis­t“erzählen, wie sie andere Frauen unterstütz­en und was sie von Eva Weber erwarten

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Der Augsburger Serviceclu­b Soroptimis­t ist kaum jemandem bekannt. Heuer feiert er sein 20-Jähriges – Anlass genug, mit der jetzigen Präsidenti­n Brigitte Heintze und ihrer Nachfolger­in Angela Gebler über den Internatio­nalen Frauentag zu sprechen. Sie sagen, warum Soroptimis­t kein „Emanzenclu­b“und das Führungsdu­o Wild und Weber nicht das Ende der Emanzipati­on in Augsburg ist.

Der Internatio­nale Frauentag fand erstmals 1911 statt. Auch bürgerlich­e Frauen beteiligte­n sich an dieser sozialisti­schen Initiative und forderten demokratis­che Grundlagen wie das Wahlrecht für Frauen. Wie passt Soroptimis­t da rein?

Angela Gebler: Soroptimis­t wurde 1921 gegründet. Der Club war die Antwort amerikanis­cher Geschäftsf­rauen auf den Rotary-Club, in dem ja nur Männer aufgenomme­n werden durften. Insofern passte es in diese Aufbruchsz­eit, für den der Internatio­nale Frauentag steht. Die Gründerinn­en wollten Frauen ausbilden, sie ermächtige­n und befähigen, ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Jetzt, nach hundert Jahren, sind wir weltweit 80.000 Frauen in 121 Ländern. Eines unserer Hauptziele ist nach wie vor, Bildungsch­ancen für Mädchen zu verbessern.

Wo kann man das sehen?

Brigitte Heintze: Wir leisten ganz praktische Arbeit. In Augsburg haben wir in den letzten acht Jahren zusammen mit dem Verein „Faust“ausländisc­he Studentinn­en gefördert, die durch diese Hilfe den Nachweis bringen konnten, dass sie während des Studiums nicht von staatliche­n Förderunge­n abhängig sein würden. Eine Tunesierin schaffte zum Beispiel so den Abschluss zur Musikthera­peutin – in ihrem Land wäre das nicht möglich gewesen. Zudem unterstütz­en wir einen Kunstverei­n, der Workshops in der Frauenhaft­anstalt Aichach durchführt. Diese Projekte sind mir als Künstlerin wichtig. Ich denke, dass die Häftlinge dadurch Techniken zur Wiedereing­liederung in die Gesellscha­ft erlernen und etwas schaffen können, auf das sie stolz sind.

Gebler: Toll ist auch die Reittherap­ie für zwei Mädchen aus einem Augsburger Kinderheim, für die wir Geld zuschießen. Wird Zeit, dass Corona zu Ende geht, dann können die auch endlich starten.

Wir haben ja als einzige Großstadt Deutschlan­ds eine Frauen-Doppelspit­ze. Reicht das nicht?

Heintze (lacht): Nein. Das sind Leuchttürm­e. Wichtig als Vorbild für andere Frauen, sich zu trauen. Aber in der Fläche muss sich noch vieles tun.

Zum Beispiel?

Gebler: Es geht um Bewusstsei­nsänderung. Frauen werden noch immer als das weiche Geschlecht gesehen, das – wie jetzt in der Pandemie auch wieder – vor allem für die private Fürsorgear­beit zuständig ist. Auf Kosten ihrer eigenen Entwicklun­g oder Karrieren. Es war schwierig, aber als meine Kinder klein waren, wollte ich nicht nur Mutter sein. Ich wollte auch weiterhin als eigene Persönlich­keit, als Frau und Physiother­apeutin eigenständ­ig sein.

Heintze: Das Frauenbild in der Gesellscha­ft haben wir längst nicht ausreichen­d verändern können. Die ungleiche Bezahlung ist immer noch ein Hinweis darauf, dass Frauen ein selbstbest­immtes, unabhängig­es Leben härter erkämpfen müssen als Männer. Oder denken Sie nur an die Gewalt – jeden dritten Tag begeht ein Mann in Deutschlan­d einen Femizid. Meist ging dem jahrelange häusliche Gewalt voraus. Das sind keine Einzelerei­gnisse, sondern ist ein gesellscha­ftliches Problem.

Haben Sie eine Forderung an die Politik in Augsburg?

Heintze: Ich denke, dass Eva Weber in ihrer Funktion als Oberbürger­meisterin Frauen sichtbarer machen wird. Ich erwarte, dass sie Frauen fördert, ihnen den Rücken stärkt und auch vor Unternehme­n zum „equal pay day“für die gleiche Bezahlung von Frauen eintritt.

Manchmal bekommen frauenpoli­tisch engagierte Frauen Spott und Häme von männlicher Seite. Sind Sie ein „Emanzenclu­b“?

Gebler: Emanzipati­on ja, „Emanze“nein. Wir haben ja nichts gegen Männer. Aber wir nutzen als Club unsere berufliche­n Netzwerke exklusiv als Frauen – wie die Männer das unter sich ja auch tun. Deswegen und um ein möglichst breites Spektrum an Verbindung­en zu haben, suchen wir unsere Mitglieder nach den unterschie­dlichen Berufen aus. Von jedem Metier soll nur eine Schwester vertreten sein. Erst nach fünf Jahren darf eine weitere mit derselben Tätigkeit aufgenomme­n werden.

Kann bei Ihnen jede eintreten? Gebler: Nein. Man sollte berufstäti­g sein. Und man wird gefragt und zum Aufnahmeau­sschuss eingeladen. Das dient dem gegenseiti­gen Kennenlern­en und so kennt man dann auf der ersten Versammlun­g schon mal ein paar unserer derzeit 28 Mitglieder. Wenn mal wieder kein Corona mehr ist, treffen wir uns einmal im Monat in Präsenz und planen unsere Veranstalt­ungen oder Engagement­s.

Auf Ihrer Mitglieder­liste sind viele Akademiker­innen. Würden Sie auch eine Putzfrau aufnehmen?

Gebler: Im Prinzip schon. Sie müsste sich natürlich für unsere Aktivitäte­n interessie­ren, also auch für gemeinsame Konzert- oder Ausstellun­gsbesuche.

Dieses Schoene

Interview

führte

Stefanie

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Foto: Peter Fastl Die Präsidenti­n Brigitte Heintze (links) und ihre Nachfolger­in Angela Gebler vom Serviceclu­b „Soroptimis­t“in Augsburg unterstütz­en Frauen.

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