Augsburger Allgemeine (Land West)

Frauen wird selten ein Denkmal gesetzt

Weltfrauen­tag Die wenigsten Straßennam­en erinnern an Frauen, es fehlt an Gedenktafe­ln und Ehrenbürge­rinnen. Welche Frauen einen Platz in der Landkreisg­eschichte verdient hätten

- VON FELICITAS LACHMAYR

Landkreis Augsburg Kennen Sie eine Frau, die im Landkreis Geschichte geschriebe­n hat? Nein? Dann sind Sie nicht allein. Fragt man in den Städten und Gemeinden nach, folgt vor allem eins: interessie­rtes Grübeln und die Beteuerung, man werde da mal recherchie­ren.

Denn selten wurde historisch bedeutsame­n Frauen im Kreis ein Denkmal gesetzt. Das zeigt sich auch in Straßennam­en. In Bobingen sind fünf Straßen nach Frauen benannt, während 58 auf Männer zurückgehe­n. In Stadtberge­n finden sich gerade mal drei weibliche Straßennam­en, in Königsbrun­n vier. In anderen Kommunen sieht es nicht viel besser aus.

Auch wurden bislang so gut wie keine Frauen im Augsburger Land zu Ehrenbürge­rinnen ernannt. Lediglich die Stadt Stadtberge­n würdigte die Französin Andrée Touboul aus der Partnersta­dt Brie-ComteRober­t als solche. Doch woran liegt es, dass Frauen in der Erinnerung­skultur immer noch hintenanst­ehen?

„Die Geschichts­schreibung ist stark männlich geprägt“, sagt die Historiker­in Martha Schad. „Überall im öffentlich­en Raum wird an große Männer erinnert, an Frauen hingegen selten.“Dabei gebe es genug weibliche Vorbilder, betont die Neusässeri­n.

Sie selbst hat in ihren rund 30 Büchern und Übersetzun­gen vergessene­n Frauen einen Platz in der Geschichte verliehen – unter anderem den Damen aus dem Hause Fugger. Damit war die 81-Jährige die Erste an der Uni Augsburg, die 1989 zu einem Frauenthem­a promoviert­e.

Doch auf die Frage nach einer bekannten Frau aus dem Landkreis muss auch Schad passen. „Es besteht vielerorts Nachholbed­arf, aber ich bin sehr zuversicht­lich“, sagt die Historiker­in. Denn heute werde sich stärker dafür eingesetzt, die Geschichte von Frauen ins Bewusstsei­n zu rücken, als noch vor 30 Jahren.

Das zeigt ein Antrag der Grünen in Bobingen. Darin fordern sie, künftig mehr weibliche Straßennam­en zu vergeben. Die Anna-Müller-Straße sei bislang die einzige Straße, die an eine Bobingerin erinnert. Müller war Mitglied der SPD und wurde 1948 als erste Frau in den damaligen Gemeindera­t gewählt. „Es sagt einiges über unsere Erinnerung­skultur aus, wenn einem spontan keine bekannte Frau aus dem

einfällt“, sagt Fraktionsv­orsitzende Monika Müller-Weigand. Sozial und politisch engagierte Frauen habe es immer gegeben, aber sie seien geschichtl­ich nicht berücksich­tigt worden.

Für die SPD-Landtagsab­geordnete Simone Strohmayr ist das längst überfällig. Denn auch sie sagt: „Frauen müssen noch mehr ins öffentlich­e Bewusstsei­n gerückt werden.“Gerade lokal seien sie oft unterreprä­sentiert. Um das zu ändern, bedürfe es ein Umdenken in der Gesellscha­ft genauso wie politische Initiative­n. „Mehr Straßen nach Frauen zu benennen, wäre ein wirksames, öffentlich sichtbares Zeichen“, sagt Strohmayr.

Dass Frauen auch bei der Benennung öffentlich­er Einrichtun­gen weniger berücksich­tigt werden oder

Anlass für hitzige Diskussion­en bieten, zeigte die Namensgebu­ng der Anna-Pröll-Mittelschu­le in Gersthofen 2018. An die Widerstand­skämpferin wollte dort zunächst niemand erinnern, auch der Bürgermeis­ter hätte die Schule lieber nach dem Ballonfahr­er August von Parseval benannt. Doch Eltern, Schüler und Lehrer sprachen sich für die Benennung nach Anna Pröll aus, bis der Stadtrat zustimmte.

Die Suche nach herausrage­nden Frauen im Landkreis führt fast zwangsläuf­ig auch zu Anita Pfaff aus Stadtberge­n. Die 78-Jährige war jahrelang als Professori­n für Sozialpoli­tik, Gesundheit­sökonomie und Finanzwiss­enschaften sowie als Frauenbeau­ftragte an der Universitä­t Augsburg tätig.

Als Tochter des Politikers SubOrt

hash Chandra Bose, der in den 1940er Jahren für die indische Unabhängig­keit kämpfte und eine bis heute umstritten­e Rolle einnahm, ist sie mit dem Umgang von historisch­em Erbe vertraut. Auch sie sagt: „Frauen haben immer eine wichtige Rolle gespielt, aber sie wurden meist herunterge­buttert. Das war im Landkreis nicht besser als anderswo.“Dass sich junge Frauen sowohl über die strukturel­le Benachteil­igung als auch über die hart erkämpften Rechte teils nicht mehr bewusst sind, hält Pfaff für gefährlich. Denn die derzeitige­n Errungensc­haften seien keine Selbstvers­tändlichke­it. „Für Mädchen ist es deshalb wichtig, starke Vorbilder zu haben und zu wissen, was andere Frauen vor ihnen erreicht haben.“

 ?? Foto: Marcus Merk (Archivbild) ?? Die Namensgebu­ng der Anna‰Pröll‰Mittelschu­le sorgte 2018 für hitzige Diskussion­en in Gersthofen. Denn anfangs wollte kaum jemand an die Widerstand­skämpferin erinnern. Doch ihr Name setzte sich durch. Seit Kurzem ziert auch die Handschrif­t von Anna Pröll die Schulfassa­de.
Foto: Marcus Merk (Archivbild) Die Namensgebu­ng der Anna‰Pröll‰Mittelschu­le sorgte 2018 für hitzige Diskussion­en in Gersthofen. Denn anfangs wollte kaum jemand an die Widerstand­skämpferin erinnern. Doch ihr Name setzte sich durch. Seit Kurzem ziert auch die Handschrif­t von Anna Pröll die Schulfassa­de.

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