Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Union verliert an Boden

Nicht nur die Maskenaffä­re macht CDU und CSU schwer zu schaffen. Auch zwei Minister könnten noch zu einer Hypothek für den Wahlkampf werden

- VON RUDI WAIS rwa@augsburger‰allgemeine.de

Im Herbst war die Welt in der Union noch in Ordnung. Obwohl sie für die Wahlen in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz nur Spitzenkan­didaten von eher mäßiger Faszinatio­n gefunden hatte, lag die CDU in beiden Bundesländ­ern vor den Parteien der amtierende­n Ministerpr­äsidenten. Jens Spahn war noch ein leidlich populärer Gesundheit­sminister und Georg Nüßlein ein wenig bekannter, aber durchaus einflussre­icher Abgeordnet­er der CSU. Das Superwahlj­ahr 2021, so schien es, konnte kommen – mit welchem Kanzlerkan­didaten auch immer.

Wenige Monate später liegen in der Union die Nerven blank. Zwei Mitglieder der Bundestags­fraktion, die aus der Not anderer lukrative Geschäfte für sich selbst gemacht haben, ein womöglich bestechlic­her Abgeordnet­er, der Geld aus einem autoritär regierten Staat in Vorderasie­n genommen haben soll, und dazu noch ein Gesundheit­sminister, dem die Probleme über den Kopf zu wachsen scheinen: Auch wenn die einzelnen Fälle streng genommen nichts miteinande­r zu tun haben, so verdichten sie sich in der Summe und der kurzen Zeit doch zu einem verheerend­en Bild. CDU und CSU ist die staatstrag­ende Selbstvers­tändlichke­it abhandenge­kommen, mit der sie bisher regiert haben. Hier die „Schmutzele­ien“einzelner, um mit Horst Seehofer zu sprechen, dort der zunehmende Verdruss über das Krisenmana­gement ihrer Minister Spahn und Altmaier: Für einen Wahlkampf, in dem die Union nicht einmal mehr auf den Amtsbonus von Angela Merkel bauen kann, sind das denkbar schlechte Voraussetz­ungen.

Das erklärt auch die neue Schärfe, mit der die Partei- und Fraktionso­beren gegen die Masken-Raffkes in den eigenen Reihen vorgegange­n sind. Entgegen ihrer üblichen Taktik, Skandale in bajuwarisc­her Bierruhe auszusitze­n wie zuletzt das Mautdebake­l um Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer, agiert die offizielle Union diesmal ungewohnt forsch. Keine Spur mehr von der alten Wagenburgm­entalität, kaum ein Parteigran­de, der Georg Nüßlein und Nikolas Löbel nicht schon zum sofortigen Verzicht auf ihre Mandate aufgeforde­rt hätte, und weit und breit niemand, der Nüßlein oder den Aserbaidsc­hanFreund Axel Fischer mit dem Hinweis auf die geltende Unschuldsv­ermutung verteidigt: Markus Söder und Armin Laschet spüren, dass die jüngste Kumulation von Problemen zu einer schweren Hypothek für den Bundestags­wahlkampf werden kann. Dass Löbel das Parlament nun doch mit sofortiger Wirkung verlässt und Nüßlein aus der CSU ausgetrete­n ist, ändert daran nichts; die Union hat schon zu viel Angriffsfl­äche geboten.

Entspreche­nd schlecht sind die Voraussetz­ungen für die Wahlen am Sonntag, vor denen die CDU in beiden Ländern deutlich an Boden verloren hat. Auch in den bundesweit­en Umfragen büßen die C-Parteien Prozentpun­kt um Prozentpun­kt ein – ein Trend, der schon vor der Maskenaffä­re begonnen hat und der vor allem dem neuen Parteichef Laschet zu denken geben muss. Während die SPD in Gestalt ihres Finanzmini­sters in der Krise mit den Hilfsmilli­arden nur so um sich wirft und immer neue soziale Wohltaten verspricht, stehen die CDU-Minister Spahn und Altmaier für alles, was schiefläuf­t: Engpässe beim Testen und Impfen, eine lähmende Bürokratie und immer neue Verzögerun­gen beim Auszahlen von Geldern. Bis zu dem Eindruck, da habe eine Partei bzw. die von ihr geführte Regierung die Lage nicht mehr im Griff, ist es da nur noch ein kleiner Schritt.

Wer die Union als Kanzlerkan­didat in die nächste Bundestags­wahl führt, spielt vor diesem Hintergrun­d schon fast keine Rolle mehr. Im Moment haben CDU und CSU andere Sorgen.

Die K-Frage ist nicht das größte Problem

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