Augsburger Allgemeine (Land West)
Royale Schlammschlacht
Großbritannien, das kann man so sagen, erlitt am Montag einen kollektiven Nervenzusammenbruch. Das zweistündige Interview-Drama mit Harry und Meghan erschüttert einmal mehr das Bild vom Königshaus, das sich gern so unnahbar wie glanzvoll präsentiert – und sich nun gegen schwere Vorwürfe zur Wehr setzen wird und muss, will es nicht in eine tiefe existenzielle Krise stürzen.
Es erinnert verdächtig an das Interview von Prinzessin Diana im Jahr 1995, als sie zum Rundumschlag ausholte. Die Parallelen dürften kaum zufällig sein. Die Abrechnung der Sussexes wirkte wie eine späte Rache von Harry für die Leiden der Mutter. Hier präsentierte sich das Paar – wie schon damals die „Königin der Herzen“– als gutmütig, warmherzig und ahnungslos, das an der empathielosen, strikt hierarchischen und anachronistischen Institution verzweifelte. Es handelt sich um die eine Seite der Geschichte. Sie klingt verstörend, zumindest in Teilen.
Denn ein paar Haken gibt es. So fällt es schwer zu glauben, dass Meghan nicht klar war, in welche Familie sie einheiraten würde. So naiv kann die ehemalige Schauspielerin kaum gewesen sein, insbesondere, weil Harry beinahe besessen von seinem Hass auf die Boulevardmedien ist und seiner künftigen Ehefrau sicherlich den Alltag im Kreis der Windsors beschrieben hat, der weniger Märchen als harte Arbeit ist. Die Realität bestand eben nicht nur aus glamourösen Auftritten und Reisen durch die Welt für wohltätige Zwecke. Privilegien zu haben schien das Paar als Grundrecht zu betrachten, die dafür zu erfüllenden Aufgaben und der mit dem royalen Status einhergehende strenge Blick von Presse und Öffentlichkeit lehnten die beiden dagegen als Zumutung ab.
Zahlreiche Insider betonten in den vergangenen Monaten außerdem immer wieder, dass die Herzogin jegliche Hilfe und Ratschläge vor und nach der Hochzeit ablehnte, stattdessen einige Mitarbeiter mobbte und mit einem US-amerikanischen Arbeitsethos im britischen Haushalt aneckte. Doch eine Art von Selbstreflexion war in dem Interview nicht zu erkennen. Stattdessen Klagen und Beschwerden, einige sicherlich gerechtfertigt, andere vermutlich überspitzt oder gar unangebracht. Manche Vorwürfe klingen nach verletzter Eitelkeit, nach Verbitterung und Neid.
Wie 1995 nach Dianas Interview ist auch jetzt die Marke des Königshauses schwer beschädigt, vielleicht sogar nachhaltiger als je zuvor. Daran tragen sowohl die Abtrünnigen im fernen Kalifornien Schuld als auch die „Firma“in der britischen Heimat. Beide Seiten haben Fehler gemacht. Das jetzige Gespräch ist der vorläufige Tiefpunkt in dieser traurigen Saga um Meghan und Harry, die mit ihren Aussagen vermutlich kaum jemanden zum Meinungsumschwung animiert haben. Die einzige Siegerin dieser Schlammschlacht, so viel steht fest, heißt Oprah Winfrey.