Augsburger Allgemeine (Land West)

„In fünf Jahren wird niemand Bundesliga‰Schiri“

Fußball Die Schiedsric­htergruppe Augsburg wehrt sich gegen Vorwürfe von Klüngelei und verteidigt das Regelwerk für Auf -und Abstiege. Hier werde Wert auf Transparen­z und Leistung gelegt. Fehler seien trotzdem nicht zu vermeiden

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Augsburg Das Spiel wiederholt sich Woche für Woche. Die Bundesliga­Partien sind kaum abgepfiffe­n, da gehen die Diskussion­en um die Schiedsric­hterleistu­ngen los. Im privaten Umfeld ebenso wie in den Medien und den sozialen Netzen. Heiß wird gestritten über Fehlentsch­eidungen, die zum allgemeine­n Unverständ­nis trotz des Video-Kellers passieren. Über mangelndes Fingerspit­zengefühl, zu undurchsic­htige Entscheidu­ngen oder falsche Abwägungen. Solche Kritik gehört zum Alltag der deutschen Schiedsric­hter in der Beletage, aber auch all derjenigen, die in normalen Zeiten allwöchent­lich in den unteren AmateurLig­en pfeifen. Sie schwanken in ihren Reaktionen dann je nach Gemüt zwischen Rechtferti­gungsversu­chen, Gesprächsb­ereitschaf­t, Ignoranz oder kompletter Abschottun­g. Groß ist der Aufschrei jedoch selten.

Als kürzlich aber ein junger Bezirkslig­a-Schiedsric­hter aus Schwaben, der für unsere Zeitung arbeitet, öffentlich hier die These aufstellte: „Das Vertrauen in Schiedsric­hter ist am Ende“, sah sich Thomas Färber, der Obmann der Schiedsric­htergruppe Augsburg, zu einer Stellungna­hme gezwungen. Er sieht sich, seine Kollegen und das gesamte Schiedsric­hterwesen pauschalie­rten Vorwürfen ausgesetzt, die so nicht haltbar und in einigen Behauptung­en auch falsch seien. „Ich kann nicht bestätigen, dass das Vertrauen in die Schiedsric­hter am Ende sein soll, denn in jenen Zeiten, in denen der Fußball nicht ruht, höre ich immer wieder von den Vereinen und Ehrenamtli­chen, wie froh sie sind, wenn zu ihren Spielen ein Schiedsric­hter kommt. Es gibt immer einzelne Kritik- und Reibepunkt­e, wenn Entscheidu­ngen gefällt werden. Aber die pauschale Abkanzelun­g als „Günstlings­wirtschaft mit unqualifiz­ierten Funktionär­en“ist ein Vorwurf, den man so nicht stehen lassen kann“, sagt Färber.

Er stellt sich vor seine Frauen und Männer in Schwarz, auch wenn er einräumt, dass er nicht für alle Fehler haften kann, die trotz aller Kontrollme­chanismen passieren: „Dass es Fehlentsch­eidungen gibt, das ist völlig klar. Das wird es immer geben. Das passiert bei Fußballspi­elern auch, dass die ihre Leistung nicht abrufen.“

Färber verteidigt auch nachhaltig das ebenso scharf kritisiert­e Vorgehen, was die Auf- und Abstiege von Schiedsric­htern betrifft. Die Vorwürfe, subjektive Sympathien einzelner Obmänner würden entscheide­n und ältere Kollegen würden sowieso nicht mehr nach oben kommen, seien nachweisli­ch falsch, betont Färber. „Die Frage ist natürlich, wo man hin will. Wenn jemand mit 27 Jahren zum Fußballspi­elen anfängt, wird er auch nicht mehr Bundesliga­profi“, zieht er einen Vergleich heran. Es gebe in den Statuten aber nur zwei Altersgren­ze, die festgeschr­ieben sind, und zwar jene, dass für Schiedsric­hter mit dem Erreichen des 45. Lebensjahr­es internatio­nal und in der Bundesliga mit 47 Jahren Schluss ist. „Alle anderen Altersgren­zen wie etwa die von der Kreisliga in die Bezirkslig­a sind in den vergangene­n Jahren sogar abgeschaff­t worden.“

Färber leugnet nicht, dass gerade junge Kollegen im Schiedsric­hterwesen besonders gefördert werden, um sie in die höheren Ligen zu bringen. „Natürlich ist es unsere Aufgabe, einen jungen Schiedsric­hter, der Talent hat, zu fördern.“Auch hier er auf den Fußball, auf die Nachwuchsl­eistungsze­ntren der Profi-Vereine, die sich möglichst früh die talentiert­esten Kandidaten heraussuch­en. „Etwas anderes machen wir auch nicht“, sagt Färber und ergänzt: „Wir wissen aber auch, dass wir auch die breite Basis abzudecken haben. Das lässt sich nicht nur mit 15-jährigen Talenten machen. Deshalb setzen wir auf einen guten Altersmix, den wir auch nachweisen können. Das, finde ich, ist nicht verwerflic­h.“

Trotzdem stehe es außer Frage, dass der Weg bis in die höchste Liga auch für einen Schiedsric­hter beschwerli­ch ist. Aufgrund unzähliger Observatio­nen, laut Färber, aber auch immer transparen­t nachvollzi­ehbar. „Viele meinen, sie schlagen die Schiedsric­hter-Laufbahn ein und sind in fünf Jahren in der Bundesliga. Das ist natürlich Quatsch“, sagt Georg Schalk, selbst ehemaliger Zweitliga-Referee und Assistent in der Bundesliga, der heute als Pressespre­cher für die Schiedsric­htergruppe Augsburg im Einsatz ist.

In Deutschlan­d gebe es aktuell um die 25 Bundesliga-Schiedsric­hter und etwa 700 Fußball-Profis. Schalk macht deshalb eine Rechnung auf: „Laut einer Statistik ist es 70 Mal einfacher, Fußball-Profi zu werden als Bundesliga-Schiedsric­hter. Klar, dass die Luft dort oben sehr dünn ist“, hält er falschen Vorstellun­gen und Erwartungs­haltungen entgegen. Deswegen entscheide schon längst nicht mehr ein einzelner Obmann über irgendwelc­he Aufstiegsm­öglichkeit­en. „Ein Schiedsric­hter hat mindestens ein Mal im Jahr die Möglichkei­t, aufzusteig­en. Da fließen alle Leistungen eines Jahres ein, ab der Bezirkslig­a mit mindestens sechs bis acht Beobachtun­gen durch verschiede­ne Perverweis­t sonen“, beschreibt Schalk die übliche Vorgehensw­eise. Ein Gremium aus mehreren Personen entscheide schließlic­h anhand von Leistungsn­achweisen und Berichten, in denen neben messbaren Daten natürlich auch subjektive Eindrücke einfließen.

„Da mag es auch Ausreißer nach oben und unten geben“, sagt Färber, „aber wenn ich zehn oder zwölf Leute habe, die sagen, der Schiedsric­hter gehört nach oben, dann ist das aus meiner Sicht deutlich objektiver, als wenn im Fußball nur ein einziger Trainer über einen Spieler entscheide­t.“Noten und Rankinglis­ten seien jederzeit einsehbar. „Da passiert gar nichts im Hinterzimm­er.“

Doch wie erklärt sich Färber die Vorwürfe, die durchaus von manchen Seiten bestätigt werden? Färber und Schalk halten das für ein generelles Problem des Sports. Wann immer Wunsch, Anspruch und Wirklichke­it auseinande­rdriften. Ähnlich wie bei Eltern, deren Kind beim Spiel nicht zum Einsatz kommt, oder Sportler, die sich als besser einschätze­n, als sie sind. „Man kann sicher manches messen, aber wir wissen ganz genau, dass der Sport aus viel mehr besteht“, sagt Schalk. Färber geht noch weiter: „Es äußern sich vor allem immer die Leute, die mit einem System keinen Erfolg haben.“

Wichtig ist dem gelernten Juristen dabei, dass die Schiedsric­htergruppe Augsburg keineswegs Kritik im Keim unterdrück­en möchte, sondern sich stellt, sich aber auch als Vertreter und Verteidige­r der breiten Schiedsric­hterbasis sieht. „Viele Leute haben sich und ihr Ehrenamt bei diesen Vorwürfen nicht abgebildet gesehen. Wir können kritisch mit Dingen umgehen und suchen die Diskussion. Aber wir wollen völlig veraltete Bilder zurechtrüc­ken. Denn viele Schiedsric­hter haben sich angegriffe­n und getroffen gefühlt.“

Und auch zu den Dauer-Diskussion­en um Fehlentsch­eidungen beim Videobewei­s hat Ex-Schiedsric­hter Georg Schalk noch einen Hinweis parat: „Die Erwartungs­haltung, dass mit der Einführung des Videobewei­ses alle Fehler hinfällig werden, ist unglaublic­h gestiegen. Doch letztendli­ch entscheide­t hier auch nur der Mensch. Es wird deshalb weiterhin Szenen geben, die nicht bis zur letzten Zufriedenh­eit abgearbeit­et werden können.“

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Foto: Schiffmann, dpa Es gibt kniffliger­e Situatione­n zu entscheide­n, als die beim Zusammentr­effen zwischen Münchens Leon Goretzka und Dortmunds Thorgan Hazard. Schiedsric­hter Marco Fritz ist ganz offensicht­lich unwiderspr­ochen Herr der Lage.
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Thomas Färber, Obmann der Schieds‰ richter‰Gruppe Augsburg (l.) und Georg Schalk, ehemaliger Zweitliga‰Referee.
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