Augsburger Allgemeine (Land West)
Die zweite Chance
Hintergrund Mitten in der Debatte um dubiose Lobbygeschäfte verhilft die CDU einem Mann zum Comeback, über dessen eigenen Skandal gerade erst ein paar Grashalme gewachsen sind. Warum Philipp Amthor wieder da ist
Augsburg Das muss man auch erst einmal schaffen: ein Comeback mit 28 Jahren. In einem Alter, in dem die meisten Politiker sich noch abstrampeln, um einen guten Platz auf der Gemeinderatsliste zu bekommen, feiert Philipp Amthor seine Rückkehr auf die große politische Bühne. Es ist noch kein Jahr her, dass sich der ambitionierte CDUPolitiker in einem Geflecht aus undurchsichtigen Lobbygeschäften verheddert. Er hatte sich für ein bis dato weithin unbekanntes Unternehmen namens Augustus Intelligence starkgemacht und dafür Aktienoptionen erhalten. Als die Geschichte im Sommer vergangenen Jahres auffliegt, geht der Senkrechtstarter mit der zelebrierten Spießer– Attitüde in den Sinkflug.
Amthor entschuldigt sich öffentlich, räumt seinen Fehler ein und betont sicherheitshalber, er sei nicht käuflich. Sein Traum, Parteichef in
Mecklenburg-Vorpommern zu werden und die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Manuela Schwesig herauszufordern, ist erst einmal ausgeträumt. Doch in seiner Partei hat man offenbar das Gefühl, dass diese Geschichte noch nicht zu Ende erzählt ist. Während ganz Deutschland über Politiker diskutiert, die mit dubiosen Lobbygeschäften Geld in die eigene Tasche wirtschaften, nominiert die CDU ausgerechnet ihren gestrauchelten Jungstar als Spitzenkandidaten in Mecklenburg-Vorpommern für die Bundestagswahl. Damit ist er Nachfolger von Angela Merkel auf der Landesliste. Das Timing für die Aufstellung? Eher mittelgut.
Und so musste der neue Parteichef am Montagabend in den „Tagesthemen“auch unangenehme Fragen zu Amthors Rückkehr in die erste Reihe beantworten. Armin Laschet, dem die Wut über die Masken-Abzocker in dem Interview deutlich anzumerken ist, kommt beim Fall Amthor beinahe ins Schleudern. „Er hat nichts rechtswidriges gemacht, aber es war nicht akzeptabel, was er gemacht hat. Und er ist jetzt Kandidat, ja, in Mecklenburg-Vorpommern“, sagt er – und findet dann doch noch einen Ausweg aus der argumentativen Sackgasse: Man könne den Fall keineswegs mit der Bereicherung und der Raffke-Mentalität vergleichen. Heißt: Die Masken-Dealer Georg Nüßlein und Nikolas Löbel sind für die Union untragbar geworden, Amthor bekommt eine zweite Chance. Das liegt auch daran, dass der junge Mann, der die äußerliche Frühverspießerung regelrecht zur Marke gemacht hat, eine der wenigen echten Nachwuchshoffnungen der CDU ist. Mit seinen grundkonservativen Positionen ist er für die Älteren gut wählbar, seine unkonventionelle Art spricht aber auch jüngere Zielgruppen an. In den Sozialen Netzwerken werden Amthors Beiträge zwar immer wieder auch zum Gespött. Bisweilen wirkt er wie ein Schauspieler, der versucht, einen Bundestagsabgeordneten darzustellen. Aber immerhin fällt er auf, er sticht heraus aus der grauen Masse. Auch im Parlament hört man inzwischen hin, wenn Amthor ans Rednerpult tritt. Ein Videoclip, in dem er einen Antrag der AfD-Fraktion leidenschaftlich in seine atomaren Bestandteile zerlegt und als „groben Unfug“entlarvt, wurde im Internet schon mehr als 2,2 Millionen Mal aufgerufen.
Nun also das Comeback mit 28. Kleinlaut ist Amthor mit dem ersten Karriereknick jedenfalls nicht geworden. „Wer Manuela Schwesig gut findet, der bekommt Saskia Esken, Kevin Kühnert und die ganze Trümmertruppe der SPD im Bund dazu“, lästert er in seiner Nominierungsrede und warnt vor „Bevormundung“, „Umerziehung“und „Umverteilung“. Die Parteifreunde jubeln und drücken wegen der Lobbygeschäfte noch mal ein Auge zu.