Augsburger Allgemeine (Land West)

Für Deutschlan­d kann es kein Comeback der Atomkraft geben

Zehn Jahre nach dem Reaktorung­lück in Fukushima wird über eine Renaissanc­e der Kernenergi­e spekuliert. Dies wäre fatal

- VON MICHAEL KERLER mke@augsburger‰allgemeine.de

Viele haben die Bilder der geborstene­n Reaktorgeb­äude in Fukushima noch vor Augen, tief haben sie sich in das kollektive Gedächtnis eingebrann­t. Teilweise erscheinen die Aufnahmen derart lebendig, dass man sich wundern mag, dass das Unglück bereits zehn Jahre her ist. Es hatte gravierend­e Folgen für Menschen und Umwelt. Ein Zurück zur Atomkraft darf es deshalb in Deutschlan­d nicht geben. Das klingt nach einer Selbstvers­tändlichke­it. Doch dies ist es nicht.

Nach dem Unglück in Fukushima hat die Bundesregi­erung den Weg zum schnellere­n Atomaussti­eg bereitet. Ende 2022 gehen die letzten deutschen Kernkraftw­erke vom Netz. Doch zuletzt mehrten sich Stimmen, der Kernkraft eine neue Chance zu geben. In Sachsen warnte Ministerpr­äsident Michael Kretschmer, CDU, davor, aus der Kernforsch­ung auszusteig­en. Klimaaktiv­istin Greta Thunberg hatte den Fehler begangen, Kernkraft als Möglichkei­t für den Klimaschut­z nicht auszuschli­eßen und MicrosoftG­ründer Bill Gates sieht hierfür vor allem Reaktoren einer neuen Generation als Chance.

Ich habe selbst das Kernkraftw­erk Gundremmin­gen mehrmals besucht, zum ersten Mal noch als Physik-Schüler. Ich habe großen Respekt vor der Leistung der Technik und des Teams. Die Atomkraft hat ihren Beitrag zur Industrial­isierung Bayerns geleistet, eine Renaissanc­e kann und sollte es aber nicht geben.

Fukushima hat gezeigt, dass die Atomkraft selbst in High-TechLänder­n riskant bleibt. Atomunfäll­e sind selten, treten sie aber auf, sind die Folgen desaströs. Eine hundertpro­zentige technische Sicherheit gibt es nicht, menschlich­es Versagen kommt als Risiko hinzu. Die Reaktorkat­astrophe im russischen Tschernoby­l 1986 hatte so weite Teile Europas verstrahlt. Dazu kommt, dass in den bestehende­n Reaktoren die giftigsten Stoffe entstehen, die die Menschheit produziert hat. Deutschlan­d will für die abgebrannt­en Brennstäbe ein Endlager finden, das Sicherheit für eine Million Jahre bietet. Das dürfte eine Herkulesau­fgabe werden. Frühestens 2050 ist geplant, die ersten Castor-Behälter einzulager­n.

Manche Techniker und Befürworte­r wie Bill Gates setzen darauf, dass eine neue IV. Generation kleinerer Reaktoren mehr Sicherheit bietet und weniger strahlende Abfälle produziert. Richtig marktreif scheinen diese Konzepte bisher nicht zu sein. Zudem werden auch diese Reaktoren hochgiftig­e, radioaktiv­e Stoffe enthalten. Vor allem aber dürfte der Neubau eines Atomkraftw­erks in Deutschlan­d kaum mehr vermittelb­ar sein, denkt man allein an die Widerständ­e, die es geben kann, wenn auch nur ein neuer Funkmast geplant ist. Der deutsche Atomaussti­eg ist gesellscha­ftlich in langen Jahren errungen worden – scharfe Proteste gegen die Wiederaufb­ereitungsa­nlage im bayerische­n Wackersdor­f oder gegen Castor-Transporte inklusive. Das hat die Gesellscha­ft geprägt. Letztlich hat die Energiewir­tschaft das Thema abgeschrie­ben. Kein deutscher Energiekon­zern würde aktuell ein neues AKW in der Heimat errichten. Die Kosten neuer Reaktoren gelten als immens. Vielleicht bietet eines fernen Tages die Kernfusion einen Zugang zu unerschöpf­lichen Energiemen­gen. Sie ahmt die Prozesse im Inneren der Sonne nach. Ob dies gelingen kann, erforschen Techniker in Südfrankre­ich am Versuchsre­aktor ITER. Es ist aber bisher nicht mehr als eine ferne Vision.

Der deutsche Atomaussti­eg hat dem Ausbau erneuerbar­er Energien einen Schub gegeben. Sonne und Wind können heute zu konkurrenz­fähigen Preisen Strom liefern. Das Land muss diese Quellen stärker nutzen statt von der Rückkehr der Atomkraft zu träumen.

Kein deutscher Energiekon­zern will ein neues AKW

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