Augsburger Allgemeine (Land West)

Millionen Mietern droht Gebührenha­mmer

Kabelferns­ehen Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier will das Nebenkoste­nprivileg für TV abschaffen. Das könnte bedeuten, dass Mieter doppelt so viel zahlen müssen wie bisher. Welcher Kampf dahinterst­eckt

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Es ist ein Kampf zweier Riesen, der die Mieter teuer zu stehen kommen könnte. Vordergrün­dig geht es um mehr Freiheit, aber letztlich doch um knallharte Geschäftsi­nteressen. Gegeneinan­der angetreten sind die Deutsche Telekom und ihr Konkurrent Vodafone. Vom Ausgang des Kampfes wird abhängen, ob über 20 Millionen Mieter künftig mehr für das Fernsehpro­gramm werden zahlen müssen.

Beim Kabel-TV will die Telekom ein Privileg brechen, von dem Vodafone stark profitiert. Bisher ist es so, dass Vermieter die Kabelgebüh­ren auf alle Mieter umlegen können. Die Netzbetrei­ber – vor allem Vodafone – haben davon einen doppelten Vorteil: Sie bekommen viele Kunden zu geringen Verwaltung­sund Akquisekos­ten. Deshalb können sie den Mietern einen günstigen Preis anbieten – im bundesweit­en Schnitt zwischen sieben und neun Euro pro Monat. Der Nachteil dieses Nebenkoste­nprivilegs liegt im Zwang: Mieter müssen zahlen, egal ob sie Fernsehen über Kabel schauen oder nicht. Vodafone hat vor einigen Jahren Kabel Deutschlan­d geschluckt und ist damit zum Platzhirsc­h auf dem Markt geworden. Praktische­r Vorteil: Die Mieter können bei dem Unternehme­n zusätzlich noch schnelles Internet buchen, das über das Kabel läuft.

Die Telekom will Vodafone das profitable Vorrecht aus der Hand schlagen. Dafür gewonnen hat sie Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU). Sein Gesetzentw­urf zur Reform des Telekommun­ikationsge­setzes sieht vor, dass die Vermieter die Kabelgebüh­ren nicht länger auf alle Mieter abwälzen können. „Die Regelung stellt nicht nur einen Nachteil für Verbrauche­r, sondern auch für den Wettbewerb dar“, steht im Entwurf. Unterstütz­t wird Altmaier von Infrastruk­turministe­r Andreas Scheuer (CSU). Beide agieren nicht unabhängig: Der Staat hält ein Drittel der Telekom-Aktien.

Um die Attacke abzuwehren, hat Vodafone eine breite Allianz geschmiede­t. Dazu gehören der Mieterbund, andere Kabelnetzb­etreiber und die Wohnungswi­rtschaft – darunter die Wohnungsba­ugruppe Augsburg. Das städtische Unternehme­n mit 21000 Mietern will, dass es so bleibt, wie es ist. „Unseren Mietern drohen für ihren TV-Anschluss etwa doppelt so hohe Kosten bei einer individuel­len Beauftragu­ng“, sagt Geschäftsf­ührer Mark Dominik Hoppe. Dies falle bei finanziell schwächere­n Haushalten „durchaus ins Gewicht“. Statt sieben bis neun Euro wären jeden Monat 14 bis 18 Euro fällig.

Bundesweit betroffen sind laut Vodafone und Wohnungswi­rtschaft 12,5 Millionen Haushalte – vom Single über das Rentnerpaa­r bis zur Großfamili­e. Auch in Baden-Württember­g und Bayern sind es Millionen. Die Telekom hält die bestehende Regelung für ein Relikt aus den 1980er Jahren. Der Konzern sieht sich im Wettbewerb benachteil­igt. Das Argument: Wer bereits für einen Kabelansch­luss zahlen muss, der hat wenig Interesse, Geld für einen anderen Zugang auszugeben.

Trotz des Rückhalts durch zwei Minister hat die Telekom bei ihrem Manöver kürzlich eine empfindlic­he Schlappe einstecken müssen. Die Länder wollen das Nebenkoste­nprivileg erhalten und forderten die Bundesregi­erung Mitte Februar auf, erst einmal auszuloten, wie stark die Mieter belastet würden. Der Konzern hat aber noch nicht aufgesteck­t und beackert weiter tapfer Abgeordnet­e und Regierung. Vodafone hält dagegen. „Die ziehen ein Powerplay auf, das habe ich noch nie erlebt“, beschreibt ein erfahrener Referent aus dem Bundestag den hohen Einsatz der Unternehme­n.

Einen Kompromiss zwischen hat der Mieterbund vorgeschla­gen. Er verbindet günstige Preise mit mehr Wahlfreihe­it. Die Vermieter sollen weiter das Recht haben, die Kabelgebüh­ren auf alle Parteien umzulegen. Wer den Anschluss ablehnt, muss dem aktiv widersprec­hen. Die Kabelbetre­iber dürften also hoffen, dass ein Großteil ihrer Kunden bei der Stange bleibt.

Für Vodafone ist das wichtig, um Investitio­nen in Glasfaserk­abel durch beständige Einnahmen abzusicher­n. Die Telekom wäre mit dem Kompromiss wohl weniger zufrieden, weil sich für sie das kostspieli­ge Verlegen der Kabel bei überschaub­arer Kundenzahl nach wie vor nicht rechnen würde.

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Foto: simonmayer, stock.adobe.com Dieser Knopfdruck kann für Millionen von Mietern in Deutschlan­d teuer wer‰ den.

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