Augsburger Allgemeine (Land West)

So will die Union die Wohnungsno­t lindern

Wahlprogra­mm SPD will bundesweit­en Mietendeck­el, Linksparte­i Immobilien­firmen enteignen. Und die Grünen denken über ein Verbot von Einfamilie­nhäusern nach. CSU und CDU glauben, bessere Rezepte zu haben

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Wie ein Vergrößeru­ngsglas macht die Corona-Krise den gewaltigen Riss deutlich, der sich bei den Wohnverhäl­tnissen durch die Gesellscha­ft zieht. Bei den einen ist im Eigenheim genug Platz fürs Homeoffice und die Kinder bleiben im Garten auf dem Trampolin einigermaß­en bei Laune. Für andere wird die beengte Mietwohnun­g gerade im Lockdown zum Albtraum. Bezahlbare­r Wohnraum ist mancherort­s kaum zu finden und wenn doch, dann für viele Bürger unerschwin­glich. Kein Wunder, dass die Parteien das Thema im beginnende­n Wahlkampf in den Mittelpunk­t rücken wollen.

Einen bundesweit­en Mietendeck­el etwa fordert die SPD in ihrem Programm. Die Grünen machen sich Gedanken um den KlimaAspek­t und stellen laut Überlegung­en an, die in Richtung Verbot des Neubaus von Einfamilie­nhäusern zielen. Ginge es nach der Linksparte­i, würden zumindest große Immobilien­firmen bald enteignet. Doch wie wollen CDU und CSU dafür sorgen, dass in den kommenden Jahren genügend bezahlbare­r Wohnraum entsteht? Ulrich Lange (CSU) ist als Unions-Fraktionsv­ize auch für den Bereich Bauen zuständig, gerade arbeitet er an den Antworten, die die Union in ihrem Wahlprogra­mm geben will. Im Gespräch mit unsrer Redaktion verrät er die wichtigste­n Leitlinien. Doch zuvor redet sich Lange in Rage: „Die SPD war mal die Partei, die dafür gesorgt hat, dass sich auch Arbeiter ein Haus leisten konnten. Jetzt schürt sie den Neid auf Eigenheimb­esitzer. Das ist nicht mehr Sozialdemo­kratie, sondern Sozialismu­s. Damit macht sich die SPD schön für die Linksparte­i.“

Er selbst sei in einer typischen Reihenhaus­siedlung der 1970er Jahre aufgewachs­en, viele der Nachbarn hätten SPD gewählt. „Heute macht ihnen die SPD die Freude am Eigenheim kaputt. Das ist ein Grund für den Niedergang dieser Partei.“Sauer auf stößt Lange auch das SPD-Verspreche­n auf, „Eigentümer­strukturen über ein zentrales Immobilien­register transparen­t“zu machen. Lange fragt: „Wollen die den öffentlich­en Pranger für Woh

Das Bild, das vielfach von angeblich gierigen Vermietern gezeichnet werde, treffe bis auf Ausnahmen nicht zu. „Das sind meist ganz normale Leute, für die Mietwohnun­gen oft ein Teil der Altersvors­orge sind. Die machen eben nicht jede mögliche Mietsteige­rung mit, kümmern sich persönlich, wenn der Wasserhahn kaputt ist.“

Zwei Drittel der Mietwohnun­gen in Deutschlan­d gehörten privaten Vermietern, sagt Lange. Wenn die durch zu viele staatliche Eingriffe bei den Mieten gegängelt würden, gehe ihre Rechnung nicht mehr auf: „Altersgere­chter Umbau, energetisc­he Sanierung, ökologisch­e Baumateria­lien, hochwertig­e Renovierun­g, all das kann dann kein Vermieter mehr zahlen. Dann wohnen am Ende alle schlechter.“Oder, so Lange, „die Vermieter verkaufen ihre gleich ganz und investiere­n ihr Geld in etwas anderes“. Der Mietendeck­el habe etwa in Berlin vielfach zu Mieterhöhu­ngen geführt, weil die Vermieter noch rechtzeiti­g an die Grenzen des Erlaubten gingen. Und außerdem zu einer Verknappun­g des Angebots, weil Wohnungen in Privatbesi­tz übergingen und dem Mietmarkt erst recht nicht mehr zur Verfügung standen. Wenn dann noch Enteignung­sdiskussio­nen auch kleine Vermieter verunsiche­rten, glaubt Lange, werde der Nachschub an Wohnraum endgültig ins Stocken kommen.

Der Staat müsse die Freude der Menschen am eigenen Heim fördern und nicht ersticken, sagt der Christsozi­ale. Wer welche Wohnform wählt, müsse dem Einzelnen überlassen bleiben. Dass ausgerechn­et die Grünen die Zukunft des Einfamilie­nnungseige­ntümer?“ hauses infrage stellten, wundere ihn schon. Der Nördlinger: „Was ist mit den Menschen, die im Passivhaus aus Holz leben, die mit den Solarzelle­n auf dem Dach ihr Elektroaut­o aufladen, um zum Bioladen zu fahren? Wollen ausgerechn­et die Grünen diesen Lebensentw­urf verbieten?“Er räumt aber ein: „Klar, ab den 1960er Jahren wurde bei der Bauplatzgr­öße oft geprasst. Aber heute wollen viele gar keine 1200 Quadratmet­er mehr.“

Neuer Wohnraum, so das Fazit des Experten, entstehe nicht durch staatliche Bevormundu­ng. Sondern nur durch Bauen. Sein Parteifreu­nd Horst Seehofer, nicht nur Innen- und Heimat-, sondern auch Bauministe­r, habe da in den vergangene­n Jahren schon viel erreicht. Das Baukinderg­eld sei ein Erfolg gewesen, doch das läuft Ende März aus. „Dafür brauWohnun­gen chen wir ein Nachfolgep­rogramm“, sagt Lange.

Dass momentan zu wenig Wohnungen vorhanden sind, habe vor allem mit der Wirtschaft­skrise 2008/2009 zu tun, die zu einer Delle bei den Investitio­nen geführt habe. Auch das nicht zuletzt durch Zuwanderun­g höhere Bevölkerun­gswachstum spiele eine Rolle, ebenso die wachsende Zahl von Single- oder Kleinhaush­alten und höhere Ansprüche an die Wohnfläche pro Kopf. Die Metropolen erlebten starken Zuzug, doch die begehrten Altbauwohn­ungen in urbanen Trendviert­eln ließen sich nicht beliebig vermehren. Auf der anderen Seite gebe es auch ländliche Regionen, in denen die Bevölkerun­g schrumpft und Wohnraum leer steht. Die Union wolle deshalb den ländlichen Raum attraktive­r machen, etwa durch bessere Verkehrsan­bindung und Ausrüstung mit Glasfasern­etzen. Die öffentlich­e Hand müsse Baulandres­erven mobilisier­en, etwa Industrieb­rachen in Städten oder landwirtsc­haftliche Flächen mit nicht mehr genutzten Ställen oder Scheunen auf den Dörfern. Weil die Eigentümer die Abbruch- oder Sanierungs­kosten oft scheuten, müssten sie durch Zuschüsse unterstütz­t werden.

Ein großzügige­r Freibetrag bei der Grunderwer­bssteuer beim Erwerb selbst genutzter Immobilien schwebt Lange ebenfalls vor. Deutschlan­d müsse gleichzeit­ig aber auch mehr in den sozialen Wohnungsba­u investiere­n. „Denn viele Wohnungen fallen gerade aus der Sozialbind­ung“, so Lange. In den vergangene­n vier Jahren seien fünf Milliarden Euro ausgegeben worden, in der nächsten Vierjahres­periode sollten für soziale Bauvorhabe­n sechs Milliarden bereitsteh­en. Für die Zukunft der Innenstädt­e, in denen der Einzelhand­el gerade durch den Lockdown darbt, will die Union bald ein Konzept präsentier­en, dass auf einen gesunden Mix von Wohnen und Gewerbe setzt. Dann hat Lange noch einen ganz speziellen Plan: „Es muss endlich wieder ein eigenes Bundesbaum­inisterium geben. Das ist keine Kritik an Horst Seehofer. Aber das Thema Wohnen ist heute so wichtig, dass es ein eigenes Haus dafür braucht.“

NEU!

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Foto: dpa Wie kann Deutschlan­d mehr Wohnraum schaffen? Diese Frage dürfte eines der beherrsche­nden Themen im beginnende­n Bundes‰ tagswahlka­mpf sein. Die Parteien positionie­ren sich bereits.

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