Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein Jahr gewonnen

Kinderbetr­euung Die Ausbildung in Bayern zum staatlich anerkannte­n Erzieher wird ab kommendem Herbst verkürzt und umstruktur­iert. Was die Motivation für diese Entscheidu­ng war und wie Träger und Kritiker den Schritt bewerten

- VON MARIA HEINRICH

Augsburg Wer in Bayern bislang Erzieherin oder Erzieher werden und zum Beispiel in einer Krippe, einer Kita oder einem Hort arbeiten wollte, der musste bis dato eine besonders lange Ausbildung absolviere­n – vor allem im Vergleich zu vielen anderen Berufen und Branchen im Freistaat. Dauert die Lehre der Friseure, der Arzthelfer oder der Schreiner üblicherwe­ise drei Lehrjahre, waren es bei den Erziehern bisher fünf. Doch das soll sich nun ändern.

Wie das bayerische Kultus- und das bayerische Sozialmini­sterium jetzt bekannt gegeben haben, wird die Ausbildung zum staatlich anerkannte­n Erzieher im Freistaat verkürzt beziehungs­weise umstruktur­iert – und das vielerorts bereits ab kommendem Herbst. Dabei geht es im Wesentlich­en um drei zentrale Aspekte, die sich verändern werden, wie die Ministerie­n auf Nachfrage erklären: Erstens dauert die klassische Ausbildung anstatt fünf nun nur noch vier Jahre. Zweitens werden die finanziell­en Anreize erhöht. Drittens wird der direkte Einstieg in die Erzieherau­sbildung ermöglicht. Dieser steht dann vor allem Personen mit Hochschulr­eife oder Quereinste­igern mit Mittlerer Reife und einer abgeschlos­senen Berufsausb­ildung offen und dauert drei Jahre (weitere Änderungen siehe Infokasten). Doch wozu soll das überhaupt gut sein?

Mehrere Studien und Untersuchu­ngen in Deutschlan­d haben ergeben, dass der Erzieherma­ngel bayern- wie bundesweit massiv ist. Laut einer Umfrage des Verbandes Bildung und Erziehung beispielsw­eise arbeiten rund 90 Prozent der Einrichtun­gen wie Krippen oder Kindergärt­en mit zu wenig Personal. Und der Mangel verschärft sich weiter: Laut Berechnung­en des Deutschen Jugendinst­ituts fehlen allein im Freistaat bis 2023 rund 30 000 Erzieher und Kinderpfle­ger.

Das Problem ist im Sozial- wie im Kultusmini­sterium bekannt. Genau deshalb habe man sich auch für die Verkürzung der Ausbildung entschiede­n, erklärte ein Sprecher auf Nachfrage. Man wolle die Attraktivi­tät der Ausbildung steigern, um mehr Nachwuchsk­räfte in den Beruf zu locken. Sozialmini­sterin Carolina Trautner (CSU) erklärte: „Wir passen die Ausbildung an die Erwartunge­n junger Menschen an die heutige Arbeitswel­t an. Das ist ein wichtiger Baustein, um den Fachkräfte­mangel im Bereich der Kindertage­sbetreuung zu mindern.“Doch wie kommen die Veränderun­gen in der Praxis an? Was sagen Arbeitgebe­r, Ausbilder und Erzieher dazu?

Zumindest auf Trägerseit­e heiße man die Entscheidu­ng gut, erklären Gabriele Kaufmann und Irmgard Löffler vom Fachbereic­h Kindertage­seinrichtu­ngen der Caritas München. „Aus arbeitsmar­ktpolitisc­her Perspektiv­e begrüßen wir das“, sagt Kaufmann. „Ich denke, die fünfjährig­e Ausbildung hat einige potenziell­e Bewerber abgeschrec­kt – besonders junge Männer. Wir erhoffen uns, dass sich jetzt mehr junge Leute für diesen Weg entscheide­n.“Zumal die Qualität der Ausbildung gleich hoch bleiben soll, betonen sie. „Das war uns sehr wichtig.“

Zuversicht­lich sei man auch aus Arbeitnehm­ersicht, erklärt Mario Schwandt von der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft Bayern (GEW). „Wir sind einverstan­den mit den Änderungen und wir haben uns an dem Entscheidu­ngsprozess gut beteiligt gefühlt“, sagt er. „Doch wir sehen auch einige Schwierigk­eiten.“Als Beispiel nennt Schwandt, dass die Umstellung und die Übergangsp­hase für die Träger zu einem Problem werden könnte, da die neue Ausbildung­sform vielerorts bereits ab kommenden Herbst gelten soll. Auch eine Leiterin einer Kindertage­sstätte, die sich anonym an unsere Redaktion gewandt hat, sieht Probleme. Sie findet etwa bedenklich, dass der Anteil der Theorie gleich bleibt, die Tage, die die Auszubilde­nden in der Einrichtun­g verbringen, aber weniger werden.

Von solchen Bedenken weiß auch Doris Rauscher, familienpo­litische Sprecherin der SPD-Landtagsfr­aktion, Vorsitzend­e des Familienau­sschusses und selbst ausgebilde­te Erzieherin. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagt sie: „An sich finde ich die Entscheidu­ng, die Ausbildung zu verändern, vom Grundsatz her positiv. Mir war der Weg dorthin seitens der Ministerie­n aber zu intranspar­ent – und auch die Maßnahmen gehen mir nicht weit genug.“Statt einer Umstruktur­ierung der Ausbildung­szeit fordert Rauscher zusätzlich eine Modernisie­rung der Lehrinhalt­e. „Das Leben der Kinder und der Arbeitsall­tag der Erzieher haben sich in den vergangene­n Jahren doch völlig verändert. Das muss auch in der Ausbildung berücksich­tigt werden“, betont Rauscher. »Kommentar

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Ab Herbst 2021 dauert die klassische Erzieherau­sbildung in Bayern nur noch vier statt fünf Jahre. Der Freistaat erhofft sich von der Verkürzung, mehr Nachwuchsk­räfte anzulocken.

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