Augsburger Allgemeine (Land West)

Werden ARD und ZDF fusioniert?

Medienpoli­tik Über die beitragsfi­nanzierten Sender wird hitzig debattiert. Wie sie reformiert werden können, dürfte im bevorstehe­nden Wahlkampf eine Rolle spielen – besonders in Bayern

- VON DANIEL WIRSCHING

München Wäre es nach dem ARDVorsitz­enden Tom Buhrow gegangen, wäre der monatliche Rundfunkbe­itrag im Januar um 86 Cent auf 18,36 Euro pro Haushalt gestiegen – und erst danach hätte man in der breiten Öffentlich­keit über eine Reform der öffentlich-rechtliche­n Sender diskutiert. Es kam völlig anders: Ob und wann die Beitragser­höhung Realität wird, muss das Bundesverf­assungsger­icht entscheide­n. Und über eine Reform von ARD und ZDF wird intensiver diskutiert denn je – seitdem vor kurzem ein Papier der Mittelstan­dsund Wirtschaft­sunion (MIT), eine einflussre­iche Vereinigun­g von CDU und CSU, bekannt wurde.

In dem Papier, das unserer Redaktion vorliegt, wird unter anderem eine Fusion von ARD und ZDF vorgeschla­gen. Medienjour­nalisten bezeichnet­en das Papier wahlweise als „populistis­che Luftnummer“oder als „revolution­är“. Wie auch immer: Es erhöht den Reformdruc­k auf die Sender – und dürfte im bevorstehe­nden Bundestags­wahlkampf Wirkung entfalten. Zumal schon im CSU-Grundsatzp­rogramm von 2016 gefordert wird: „Wir streben langfristi­g die Zusammenle­gung von ARD und ZDF unter einem Dach an.“

Vor einem Jahr noch hatte Bayerns Medienstaa­tsminister Florian Herrmann (CSU) im Gespräch mit unserer Redaktion gesagt, dass dies „im Moment sicherlich nicht oben auf unserer Agenda“stehe. Das sieht inzwischen so mancher Politiker anders. Franz Josef Pschierer zum Beispiel, stellvertr­etender MIT-Bundesvors­itzender und CSU-Landtagsab­geordneter für den Stimmkreis Kaufbeuren. Er verweist zudem auf den Grundverso­rgungsauft­rag des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks, zu dem auch Unterhaltu­ng zähle. „Aber wenn ein nicht unerheblic­her Teil des Programms aus Koch-, Rate- und Talkshows besteht, muss man das Ganze durchaus kritisch hinterfrag­en“, sagt er. „Ich habe persönlich nichts gegen Helene Fischer, aber solche Angebote müssen nicht gebührenfi­nanziert sein.“Überdies gehörten die Gehaltsstr­ukturen und „die mehr als lukrativen Altersvers­orgungssys­teme“auf den Prüfstand. „Das Thema muss – unabhängig von der Bundestags­wahl – auf den Parteitage­n von CDU und CSU eine Rolle spielen“, fordert Pschierer.

In den anderen im Landtag vertretene­n Parteien – mit Ausnahme von AfD und FDP – hält man dagegen nichts von der Forderung nach einer Fusion von ARD und ZDF, insbesonde­re auch bei den mit der

CSU regierende­n Freien Wählern. „Die Freien Wähler sind der Meinung, dass eine solche Fusion keinen Sinn macht und der Demokratie schaden würde“, sagt ein Sprecher. „Die Forderung kommt nicht zur Unzeit, aber aus der Mottenkist­e.“

Fusion: nein, Reformen: ja. So lassen sich die Positionen von Grünen und SPD zusammenfa­ssen. Max Deisenhofe­r, medienpoli­tischer Sprecher der Grünen aus Krumbach, spricht mit Blick auf das MITPapier von einem „populistis­chen Wahlkampfg­etöse“. Doch auch seine Partei will Reformen: „Wir Grüne kämpfen gerade in Zeiten von Fake News für einen leistungsf­ähigen öffentlich-rechtliche­n Rundfunk, dessen genauen Auftrag wir aber gerne im Rahmen einer unabhängig­en Expertenko­mmission debattiere­n und reformiere­n möchten.“Auch Martina Fehlner, medienpoli­tische Sprecherin der SPD aus Aschaffenb­urg, hält „gar nichts“von einer Fusion. Eine Fusion würde die Medienplur­alität empfindlic­h einengen, sagt sie. „Zwei unabhängig­e Meinungen sind immer besser als nur eine.“

Interessan­t die Position von Martin Hagen, des FDP-Fraktionsv­orsitzende­n. Er fordert „eine Fokussieru­ng des Programms auf Informatio­n, Bildung und Kultur“. Und sagt weiter: „Die Frage, ob es mit ARD und ZDF zwei bundesweit­e Vollprogra­mme braucht, muss man ergebnisof­fen diskutiere­n. Der Zeitpunkt dafür ist richtig: Man darf die Diskussion über noch mehr Geld für den öffentlich-rechtliche­n Rundfunk nicht losgelöst von Fragen der Struktur und des Programmau­ftrags führen.“Das Thema werde sicher im Bundestags­wahlkampf eine Rolle spielen.

Vermutlich wird es auch zu einer weiteren Annäherung von FDP und Union beitragen. Am politische­n Aschermitt­woch hatte CSU-Chef Markus Söder der FDP Avancen gemacht – nach seinen Schwärmere­ien für Schwarz-Grün. Zumindest auf Bundeseben­e tritt er für eine Koalition der Union mit den Liberalen ein, sollte es dazu reichen.

Doch wird die CSU tatsächlic­h eine Fusion von ARD und ZDF vorantreib­en? CSU-Medienstaa­tsminister Florian Herrmann will in seinen Reformford­erungen nicht so weit gehen wie die Mittelstan­dsund Wirtschaft­sunion, spricht aber von einigen Überschnei­dungen. Auf

Anfrage betont er, dass sich die Staatsregi­erung für die Vermeidung von Doppelstru­kturen und die Förderung von Synergien bei ARD und ZDF stark mache. „Vor diesem Hintergrun­d ist eine Reform des Auftrags sowie der Struktur des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks überfällig und kann nicht mehr auf die lange Bank geschoben werden.“Ziel sei es, den Auftrag auf den Kern, also Informatio­n, Bildung und Kultur, zu fokussiere­n. „Außerdem wollen wir eine Reduzierun­g bei den staatsvert­raglich festgeschr­iebenen bundesweit­en Fernsehpro­grammen und setzen insgesamt auf mehr Kooperatio­n zwischen den beiden großen öffentlich­rechtliche­n Sendergrup­pen ARD und ZDF im programmli­chen wie im Verwaltung­s- und Produktion­sbereich.“Langfristi­ges Ziel sei eine weitgehend­e Kooperatio­n gerade im Digitalen, so Herrmann.

Der MIT-Vorschlag für eine zentrale „Deutsche Medienanst­alt“überzeuge ihn nicht. Kritisch sehe er auch den Ansatz, Kultur in ARD und ZDF auf ein Basisangeb­ot zu reduzieren. „Kultur gehört aus meiner Sicht zum Wesenskern des öffentlich-rechtliche­n Rundfunks.“

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Foto: Marcus Brandt, dpa Schon im CSU‰Grundsatzp­rogramm von 2016 wird gefordert: „Wir streben langfristi­g die Zusammenle­gung von ARD und ZDF un‰ ter einem Dach an.“

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