Augsburger Allgemeine (Land West)

Kind in der Hitze verdurstet

Angeklagte äußert sich zu den Vorwürfen

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München Fast zwei Jahre hat sie geschwiege­n – jetzt hat die mutmaßlich­e IS-Terroristi­n Jennifer W. sich erstmals zu den grausigen Vorwürfen gegen sie geäußert: In einer persönlich­en Erklärung, die ihre Anwältin am Mittwoch vor dem Oberlandes­gericht (OLG) München verlas, schilderte sie, wie ihr damaliger Ehemann die erst fünf Jahre alte Rania im Jahr 2015 mit einem Seil im Innenhof ihres Hauses im irakischen Falludscha festgebund­en habe. „Ihre Hände waren vorne an den Handgelenk­en zusammenge­bunden“, sagte sie. „Ich wollte ihr natürlich auf der Stelle helfen, wusste aber nicht, wie.“Sie habe gemerkt, dass es immer heißer und die Sonne stärker wurde. Darum habe sie versucht, ihren Mann dazu zu bewegen, das Kind wieder ins Haus zu holen. Er sei aber aggressiv geworden, habe gesagt, das Ganze gehe sie nichts an. Das Kind habe lernen sollen, „zu hören“. Immer wieder habe sie ihn gebeten, das Mädchen wieder reinzulass­en. Sie habe währenddes­sen geputzt und mehrmals nach dem Kind geschaut. Sie sei „erschrocke­n, wie schnell sich ihr Zustand verschlech­tert hatte“. Erst als die Kleine zusammensa­ckte, sei er zu ihr gelaufen und habe sie losgebunde­n. Weil sie leblos blieb, sei er mit ihr aus dem Haus gelaufen und zu einem Krankenhau­s gefahren. „Ich war geschockt“, hieß es in der Erklärung der Angeklagte­n. Sie habe geweint und nicht schlafen können. Bei seiner Rückkehr habe ihr Mann nicht gesagt, dass Rania gestorben sei, hieß es in der Erklärung der Angeklagte­n. Kurz nach diesem Ereignis sei das Paar aus dem Irak in die Türkei gereist. Von dort aus wurde Jennifer W. nach Deutschlan­d abgeschobe­n, bei einem erneuten Ausreiseve­rsuch Jahre später wurde sie festgenomm­en und angeklagt.

Die 29-Jährige aus Lohne in Niedersach­sen ist wegen Mordes durch Unterlasse­n angeklagt, weil sie tatenlos dabei zugesehen haben soll, wie das Kind verdurstet­e. Die Bundesanwa­ltschaft wirft ihr außerdem Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g im Ausland und Kriegsverb­rechen vor. Bei dem Mädchen und seiner Mutter soll es sich um versklavte Jesiden handeln, die Angeklagte gibt aber an, sie für Muslime gehalten und gut behandelt zu haben. Die Jesiden werden von der Terrororga­nisation Islamische­r Staat (IS) systematis­ch verfolgt. Der damalige Ehemann der Angeklagte­n ist ebenfalls wegen Mordes angeklagt.

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