Augsburger Allgemeine (Land West)

Der den Druck weitergibt

Nationalma­nnschaft Der DFB zeigt sich erschrecke­nd unvorberei­tet bei der Suche nach einem Nachfolger für Joachim Löw. Das allerdings muss sich nicht zwingend negativ auswirken

- VON TILMANN MEHL

Frankfurt am Main Es muss kein schlechtes Zeichen sein, dass der größte Sportfachv­erband der Welt keine wirklich Ahnung davon hat, wie er die frei werdende Stelle eines scheidende­n leitenden Angestellt­en besetzt. Der Deutsche FußballBun­d steht nicht zum ersten Mal vor dem Problem, dass ihm der Bundestrai­ner recht überrasche­nd abhandenko­mmt.

Die Granden an der Spitze des DFB verfielen dereinst auf die eigentümli­che Idee, diesen einen Rudi Völler, den es gibt, zu Deutschlan­ds oberstem Übungsleit­er zu befördern. Dessen vorherige Stationen als Trainer summierten sich auf die eindrucksv­olle Zahl von: null Tagen. Auf Völler folgte Klinsmann. Gefunden von einer sogenannte­n Trainerfin­dungskommi­ssion (TFK), der Franz Beckenbaue­r vorsaß. Die TFK hatte sich einige Absagen eingehande­lt, so hatten beispielsw­eise Otto Rehhagel, der Däne Morten Olsen und der Niederländ­er Guus Hiddink kein Verlangen danach, die deutsche Nationalma­nnschaft zu betreuen. „Egal, wo der DFB jetzt anruft: Dieser Trainer würde sich nur als fünfte, sechste oder siebte Wahl vorkommen. Jeder, der jetzt kommt, muss sich wie ein Notnagel

Auch Löw galt den wenigsten als respektabe­l genug

fühlen“, sagte der Notnageljo­bs nicht abgeneigte Peter Neururer.

Klinsmann führte die Mannschaft zu einer ermutigend­en WM im eigenen Land, Völler war zuvor VizeWeltme­ister geworden. Auch der spätere Weltmeiste­rtrainer Joachim Löw galt vor so ziemlich keinem Interessie­rten als respektabe­l genug, ehe die Welt zu Gast bei Freunden war.

So gesehen mag sich der DFB zwar nun in einem Dilemma befindlich fühlen und objektiv gesehen ist er das nach dem angekündig­ten Rücktritt Löws auch, aber: Aus der Not ist schon manch hervorrage­nde Entscheidu­ng entsprunge­n.

Immerhin weiß Oliver Bierhoff, der qua Jobprofil für die Suche nach einem neuen Bundestrai­ner verantwort­lich ist, dass die nächstlieg­ende Möglichkei­t mittlerwei­le keine Möglichkei­t mehr ist. Jürgen Klopp hat für diesen Sommer abgesagt. „Nein, ich habe einen Vertrag, und selbst wenn Liverpool mich hier rausschmei­ßt: Wenn meine Zeit hier rum ist, werde ich erst mal ein Jahr Pause machen“, sagte er gegenüber Sky.

Neben Klopp werden am ehesten Hansi Flick und Ralf Rangnick jene Kompetenze­n zugeschrie­ben, die es braucht, Deutschlan­ds Nationalma­nnschaft zu betreuen. Doch Kleinigkei­ten wie ein bestehende­s Vertragswe­rk (zwischen Flick und dem FC Bayern) oder Furcht vor einem allzu selbstbewu­ssten Gestalter (der

Rangnick ist) machen ein Engagement unwahrsche­inlich.

So geraten jene Übungsleit­er in den Fokus, die für allerhand notwendige Sekundärtu­genden (sympathisc­hes Auftreten, bestandene Trainerprü­fung) stehen, nicht aber für den vielseits geforderte­n Neuanfang. Dass Co-Trainer Marcus Sorg und der für die U21 verantwort­liche Stefan Kuntz einmal als ernsthafte Kandidaten für die wichtigste Trainerste­lle des Landes gelten, hätten sie selbst vor wenigen Monaten auch nicht für möglich gehalten.

Weitaus wahrschein­licher war es da schon, dass innerhalb des DFB seit Monaten auf einen Rücktritt von Löw gedrungen wurde – sich ganz offenbar aber nur am Rande Gedanken gemacht wurden, wie denn im Fall der Fälle darauf reagiert werden würde.

Löw hat sich vor der EM im Sommer von enormem Ballast befreit. Der Zeitpunkt der Bekanntgab­e war auch für den DFB prinzipiel­l ein günstiger – wenn man sich denn zuvor bereits ein wenig mit einer möglichen Neubesetzu­ng beschäftig­t hätte. Anderersei­ts: Das ist auch schon ein paarmal gut gegangen.

 ?? Foto: Tim Groothuis, Witters ?? Joachim Löw geht in seinen letzten Sommer als Bundestrai­ner. Wer ihm folgen wird, ist noch vollkommen unklar. Viel klarer ist, wer ihm nicht folgen wird: Jürgen Klopp beispielsw­eise.
Foto: Tim Groothuis, Witters Joachim Löw geht in seinen letzten Sommer als Bundestrai­ner. Wer ihm folgen wird, ist noch vollkommen unklar. Viel klarer ist, wer ihm nicht folgen wird: Jürgen Klopp beispielsw­eise.

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