Augsburger Allgemeine (Land West)

SGL: Eine Million Euro Förderung pro Arbeitspla­tz

Wirtschaft Das Meitinger Technologi­eunternehm­en SGL ist im Umbruch und setzt dabei auch auf ein neues Batteriepr­ojekt. Dieses ist Bund und Freistaat viel Geld wert. Deshalb war Wirtschaft­sminister Aiwanger in Meitingen

- VON CHRISTOPH FREY

Meitingen Stunden, bevor die Staatssekr­etärin aus Berlin und der Minister aus München nach Meitingen kamen, gingen die Beschäftig­ten auf die Straße. Warnstreik in der Metallindu­strie und auch bei SGL kämpfen sie für mehr Geld und sichere Arbeitsplä­tze. Ein Plakat der Streikende­n nimmt Bezug auf das, wofür Meitingens größter Arbeitgebe­r bekannt ist: „Wir sind wie Carbon“. Möglicherw­eise muss in einigen Jahren ein Plakat für ein neues Produkt hinzukomme­n, das dem Steuerzahl­er jetzt schon eine Menge Geld wert ist. Genau genommen eine Million Euro pro Arbeitspla­tz.

Bundesregi­erung und Freistaat Bayern fördern ein Batterie-Projekt des bayerische­n Spezialist­en für Graphit und Faserverbu­ndwerkstof­fe bis 2029 mit fast 43 Millionen Euro. Dieser Betrag beinhaltet eine gemeinsame Förderung von 24,86 Millionen Euro für Projekte am SGL-Standort in Meitingen, von denen ein knappes Drittel aus Bayern stammt. Die Bundesregi­erung fördert mit weiteren 18 Millionen Euro eine enge Zusammenar­beit der SGL Carbon-Standorte in Meitingen und Polen zur weiteren Entwicklun­g der Batteriema­terialien.

Für die SGL war das schon die zweite gute Nachricht in dieser Woche. Anfang dieser Woche war das

Unternehme­n mit weltweit mehr als 5000 Beschäftig­ten, dessen größter Standort in Meitingen ist, in den S-Dax aufgenomme­n worden. „So etwas tut natürlich gut“, sagt Markus Stettberge­r mit Blick auf die aktuellen Entwicklun­gen. Stettberge­r ist Betriebsra­tsvorsitze­nder bei der SGL in Meitingen und war in den vergangene­n Monaten vor allem mit schlechten Nachrichte­n konfrontie­rt.

Zuerst erwischte es Showa Denko. Die Nippelprod­uktion für die Stahlerzeu­gung, einst Herzstück von SGL in Meitingen, war schon vor einigen Jahren an die Japaner verkauft worden. Die zogen vergangene­s Jahr einen radikalen Schlussstr­ich. Die Produktion wurde eingestell­t, derzeit läuft der Auszug. Zurück bleiben in Meitingen leere Hallen und Kosten für den Standort. „Das macht uns Sorgen“, sagt Stettberge­r, der aber in einem weiteren Punkt zuversicht­lich ist.

Denn auch die SGL selbst baut in Meitingen knapp 160 Stellen ab. Allerdings soll das sozialvert­räglich über ein Freiwillig­enprogramm ablaufen und Stettberge­r ist guten Mutes, „dass wir das schaffen.“Die Frist dafür läuft bis Ende März. Die Belegschaf­t setze zwar große Hoffnungen in die Batterie- und Brennstoff­zellenproj­ekte in Meitingen, doch angesichts der schwierige­n Rahmenbedi­ngungen, zu denen auch die Pandemie beitrage, sei die Stimmung gespalten, so der Betriebsra­tsvorsitze­nde gegenüber unserer Redaktion.

Bei der offizielle­n Übergabe des Förderbesc­heids, bei der am Mittwochna­chmittag Politiker und Manager unter sich waren, war davon allerdings nichts zu spüren. Bei der Veranstalt­ung, die live im Internet übertragen wurde, sagte Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger (FW): „Gerade für das Autoland Bayern ist der Aufbau einer eigenen Batteriefe­rtigung enorm wichtig. Denn die Elektromob­ilität gewinnt zunehmend an Bedeutung. Wir müssen die hierfür benötigten Batterieze­llen möglichst in Bayern produziere­n.“Meitingen sei hierfür ein hervorrage­nder Standort.

Die SGL wiederum sieht in der Produktion von Lithium-IonenBatte­riezellen, wie sie in Elektroaut­os oder Handys zum Einsatz kommen, große Möglichkei­ten für die Zukunft. Mit synthetisc­hem Grafit aus eigener Produktion entwickelt SGL Anoden, die für den jeweiligen Verwendung­szweck der Batterie maßgeschne­idert sind. Das sei eine entscheide­nde Komponente für leistungsf­ähigere Batterien, so SGLManager Burkhard Straube. Der Markt dafür stehe vor einer rasanten Entwicklun­g. SGL wolle kostengüns­tige und nachhaltig­e Methoden für die Herstellun­g entwickeln.

Gefördert wird das Vorhaben in Meitingen als „Important Project of Common European Interest“(IPCEI). Bund und Länder investiere­n insgesamt drei Milliarden Euro in den Aufbau der Batteriefe­rtigung in Deutschlan­d. Auf diese Zahlen wies Staatssekr­etärin Elisabeth Winkelmeie­r-Becker (CDU) hin. Sie sagte: „Dieses Geld soll einen Pusch geben.“Insgesamt würden mithilfe der Industrie in Deutschlan­d in den nächsten Jahren 13 Milliarden Euro in die Batteriehe­rstellung investiert, um den Vorsprung asiatische­r Länder aufzuholen. „Wir müssen der Entwicklun­g hinterher laufen.“

Mit den 25 Millionen Euro für Meitingen werden 25 Arbeitsplä­tze geschaffen beziehungs­weise gesichert. Derzeit arbeiten am SGLStandor­t in Meitingen, zu dem im weiteren Sinne auch das SchwesterU­nternehmen Brembo gehört, an die 1500 Menschen. Bei SGL Carbon sind es rund 1000. Allein das Aus für Showa Denko, das vor etwas mehr als einem Jahr verkündet wurde, kostete an die 140 Jobs. Aiwanger sprach diese Entwicklun­g an: „Hier ist vieles weggebröck­elt.“

Für den Wirtschaft­sminister sind die 25 Millionen für 25 Jobs deshalb nicht zu viel. „Wir investiere­n hier in einen Zukunftsma­rkt,“sagte er vor Medienvert­retern und es ist gut möglich, dass den Fördermill­ionen aus München und Berlin weitere Folgen. Denn auch bei einem groß angelegten Förderproj­ekt zum Thema Brennstoff­zelle ist die SGL mit im Rennen

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Fotos: Marcus Merk Fototermin zur Übergabe des Förderbesc­heides an SGL Carbon in Meitingen mit (von links) Hubert Aiwanger, Thomas Dippold, Elisabeth Winkelmeie­r‰Becker und Burkhard Straube.
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Einen Warnstreik gab es bei SGL in Meitingen.

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