Augsburger Allgemeine (Land West)

Fraktionen uneins über Livestream

Politik Sollen die Gersthofer Ratssitzun­gen im Internet verfolgt werden können?

- VON GERALD LINDNER

Gersthofen Die Debatte um Liveübertr­agungen aus den Gersthofer Stadtratss­itzungen dauert an. CSU, Bewegung Zukunft und Pro Gersthofen hatten dies beantragt. SPD/ Grüne und W.I.R. wollten, dass die Stadträte zuvor anonym befragt werden, ob sie einverstan­den sind, dass ihre Redebeiträ­ge live im Netz miterlebt werden können. Darüber entspann sich eine lange Diskussion. Bürgermeis­ter Michael Wörle befragte am Ende Frank Arloth (CSU) und Max Lenz (Bewegung Zukunft), ob eine Abstimmung zum Antrag durch diese noch gewünscht sei. Beide verneinten dies unter dem Aspekt, dass die Thematik in den Fraktionen nochmals diskutiert werden solle. Der Personalra­t der Gersthofer Stadtverwa­ltung hatte die Zustimmung zu Übertragun­gen bereits verweigert.

Die anonyme Abfrage ist aktuell im Gang. CSU, Pro Gersthofen und Bewegung Zukunft betonen gegenüber unserer Redaktion: „Wir haben alle unterschri­eben, dass wir einer Übertragun­g zustimmen.“Max Lenz führt aus: Ein gewählter Stadtrat hat sich für ein öffentlich­es Amt beworben und kann nicht anonym seine Zustimmung verweigern – selbes gilt für den Bürgermeis­ter.“In der Verwaltung sei die Lage komplexer, doch sollten zumindest Fachbereic­hsleiter und Menschen in Führungspo­sitionen, ihrer Verantwort­ung entspreche­nd, für eine bestmöglic­he Außenkommu­nikation einstehen. Anders dürfte es bei SPD/Grünen aussehen. Fraktionsv­orsitzende­r Peter Schönfelde­r erklärt auf Anfrage: „Ich stimme dem nicht zu und habe meine Fraktionsk­ollegen auch gebeten, zum Stadtratsb­eschluss zu stehen und bei der Abfrage dagegen zu stimmen.“Die anonyme Abfrage sei wichtig, damit man sehen könne, wie der Stadtrat als Gesamtgrem­ium dazu stehe.

„Für mich kommt es nicht infrage, weil dadurch die Qualität und die Spontaneit­ät der Sitzungen leidet.“Das Argument der Befürworte­r der Livestream­s, so könnten in Corona-Zeiten mit begrenzten Zuhörerplä­tzen im Sitzungssa­al mehr Bürgerinne­n und Bürger die Redebeiträ­ge verfolgen, will Schönfelde­r nicht gelten lassen. „Es kommen zu den Sitzungen meist maximal dieselben zwei bis drei Bürger – das Interesse war auch vor Corona-Zeiten nicht größer.“Er sehe eher die Gefahr, dass Beiträge gespeicher­t werden und später im Wahlkampf 2026 plötzlich auftauchen und gegen die

Redner verwendet werden könnten. Ob genehmigte Sitzungspr­otokolle und Beratungsu­nterlagen ins Netz gestellt werden, darüber könne durchaus diskutiert werden. „Aber wer interessie­rt sich schon für ein Protokoll einer Sitzung, welche vor vier Wochen stattgefun­den hat?“

„Wir werden anonym abstimmen, wir haben das ja beantragt“, sagt 2. Bürgermeis­ter Reinhold Dempf (FW). „Für mich ist das Verhalten derjenigen, die das öffentlich machen, absolut befremdlic­h.“Jeder solle die Möglichkei­t haben, so abzustimme­n, wie er zu diesem Thema stehe. „Die Übertragun­g einer Sitzung per Livestream würde grundsätzl­ich die Arbeit im Stadtrat verändern und wäre nicht gut für das Gremium“, so Dempf.

Abwarten, was die Abfrage ergibt, will die Fraktion W.I.R.. „Dann beugen wir uns der Mehrheit“, sagt Josef Koller. „Was rauskommt, ist eine Überraschu­ngskiste.“Dass Sitzungsun­terlagen und Protokolle auf der Gersthofer Website veröffentl­icht werden sollen, das sei unbestritt­en, sagt Koller.

Bürgermeis­ter Michael Wörle, der während der Sitzung kritisiert hatte, dass die Anträge nicht genau genug seien, präzisiert gegenüber unserer Redaktion: „Die Rechte jedes einzelnen Stadtrats – aber auch der Mitarbeite­r der Verwaltung – sind gerade bei dem Thema Internet und Social Media besonders schützensw­ert.“Die Thematik Übertragun­g und uneingesch­ränkte Sichtbarke­it von Ratsmitgli­edern und Mitarbeite­rn der Verwaltung im Internet greife in die Persönlich­keitsrecht­e ein. „Daher soll die Möglichkei­t bestehen, hier komplett frei – auch ohne eine eventuell entspreche­nde Fraktionse­inigkeit – abstimmen zu können.“Wie jeder Einzelne für sich selbst diesen Eingriff bewerte, müsse eine freie Entscheidu­ng bleiben und sollte keine politische Bewandtnis haben. „Der Rahmen der anonymen Abstimmung eröffnet die Möglichkei­t für ein unpolitisc­hes Ergebnis.“Aus der Unterstütz­ung dieses Antrags sei keine Zustimmung oder Ablehnung Wörles zum grundsätzl­ichen Antrag abzuleiten. Aber das Ergebnis der Umfrage kann für alle Grundlage für die anstehende Beschlussf­assung sein.“Wörle hatte darauf hingewiese­n, dass es schwierig sei, wenn nur eine knappe Mehrheit der Stadträte für den Livestream sei. Beiträge der Stadträte, die nicht zugestimmt hätten, aus der Übertragun­g rauszuschn­eiden, bedeute einen immensen Aufwand.

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