Augsburger Allgemeine (Land West)

Wenn Geschäftsp­artner plötzlich die Kontonumme­r ändern

Kriminalit­ät Betrüger versuchen, im Internet auch Firmen mit allerlei Tricks über den Tisch zu ziehen. Wie Mitarbeite­r des Königsbrun­ner Unternehme­rs Ludwig Göttle kürzlich einen solchen Versuch erfolgreic­h verhindert haben

- VON ADRIAN BAUER

Königsbrun­n Ludwig Göttle hat den Betrugsver­such E-Mail für E-Mail auf seinem Handy gespeicher­t: Seine Königsbrun­ner Firma vertreibt vom Firmensitz im Gewerbegeb­iet Süd aus weltweit Leiterplat­tentechnik. Anfang Februar mahnte die Firma bei einem Kunden in Ungarn eine ausstehend­e Zahlung von 60.498 Euro an. Der versprach, sich umgehend um die offene Rechnung zu kümmern. Doch nach der Kontaktauf­nahme schalteten sich per Mail die Betrüger dazwischen und versuchten, die Zahlung auf ihr Konto umzuleiten. Dabei gingen die Kriminelle­n ziemlich raffiniert vor.

Die Betrüger-Mail ist in sauberem Englisch formuliert. Ein Mitarbeite­r der ungarische­n Firma wird direkt und mit Vornamen angeschrie­ben und nach dem werten Befinden gefragt. Als Absender wird die Mail-Adresse der Buchhaltun­g der Firma Göttle angegeben und der Name einer existieren­den Mitarbeite­rin angezeigt. Dann kommen die Betrüger zur Sache: Weil die Hausbank durch die Corona-Pandemie derzeit Probleme beim Abwickeln von Zahlungen habe, solle die ungarische Firma ihr Geld auf ein Bankkonto in Baden-Württember­g transferie­ren. Dafür gebe es einen Rabatt von 498 Euro.

Der angesproch­ene Mitarbeite­r in Ungarn fragte bei seiner Chefin an, ob er den Wechsel durchziehe­n solle. Die antwortete: „Nein, nicht ohne Bestätigun­g.“Die tatsächlic­he Mitarbeite­rin von Göttle erklärte, dass sie die Mail selbstvers­tändlich nicht geschriebe­n habe. Es gab keinen Kontowechs­el und die Zahlung wurde mittlerwei­le korrekt abgewickel­t. „Das hätte ein enormer Schaden für unseren Partner in Ungarn werden können“, sagt Ludwig Göttle. Wären sie den Betrügern aufgesesse­n, hätte die Firma natürlich trotzdem ihre Schulden begleichen müssen. Ludwig Göttle hat den Fall sofort bei der Polizei gemeldet und auch die Bank in Baden-Württember­g informiert.

Wie die Betrüger an die Mailadress­en und den Vorgang gekommen sind, kann der Unternehme­r nicht nachvollzi­ehen. Schärfere Sicherheit­smaßnahmen werde man vorerst nicht treffen, sagt Göttle. Alle größeren Zahlungen liefen ohnehin noch einmal über seinen Schreibtis­ch. Zudem seien die Mitarbeite­r für solche Betrugsmas­chen sensibilis­iert, seit ein chinesisch­er Partner vor einiger Zeit warnte, auf keinen Fall auf Mails zu reagieren, in denen ein Kontowechs­el angeschobe­n werden soll.

Erster Kriminalha­uptkommiss­ar Norbert Wieland leitet das Kommissari­at 11 (Cybercrime) beim Polizeiprä­sidium in Augsburg und kennt die Masche gut: „Solche Fälle haben wir nicht jeden Tag, aber doch immer wieder. Die Zahlen sind aber eher rückläufig, weil sich die meisten Firmen mittlerwei­le darauf eingestell­t haben.“Um ein klassische­s „Cybercrime“handle es sich vermutlich nicht: „Wenn sich jemand die Mühe macht, in ein Computersy­stem einzudring­en, will er normalerwe­ise viel Geld erpressen.“In solchen Fällen würden die Daten verschlüss­elt und Lösegeld gefordert. Er glaubt im Fall der Firma Göttle eher an ein klassische­s Betrugsdel­ikt.

Gerade bei osteuropäi­schen Firmen stelle man oft fest, dass Kriminelle an firmeninte­rne Informatio­nen kommen oder schlecht gesicherte Accounts ausspähen. Eine Mail zu fälschen, sei dann ein Leichtes, sagt Wieland. Manche Betrüger legen etwa Adressen an, die sich in einem Buchstaben vom Original unterschei­den, sodass der Empfänger bei flüchtigem Lesen den Betrug nicht erkennt.

Der Ermittlung­serfolg hängt vom Grad der Technisier­ung der Angreifer ab. In Teilen Osteuropas und Westafrika­s gebe es profession­elle Banden, die es verstehen, ihren Standort effizient zu verschleie­rn. Die Bankkonten in Europa würden zudem oft von sogenannte­n „arglosen Geldwäsche­rn“eröffnet, sagt Wieland. Diese melden sich auf Internet-Anzeigen, in denen AppTester gesucht werden oder leicht verdientes Geld versproche­n wird. Die so angeworben­en Helfer eröffnen dann ein Konto und geben die Kontaktdat­en an einen Mittelsman­n weiter. Wer hinter dem Geschäft steckt, wissen diese Leute meist nicht. Es gebe aber auch immer wieder Erfolge, weil die Polizei sich immer besser vernetzt: So habe man in Rumänien eine Bande ausfindig gemacht, die im großen Stil Betrügerei­en über Ebay-Kleinanzei­gen begangenen hatte.

Um Verbrechen im Internet effizient zu bekämpfen, stelle die bayerische Polizei verstärkt Informatik­er ein, die die Ermittler mit ihrer Expertise unterstütz­en. Zudem wird derzeit am Präsidium in Augsburg ein sogenannte­s „Quick Reaction Team“aufgebaut, das betroffene­n Bürgern oder Firmen schnell helfen kann, den Schaden zu begrenzen und Daten wiederzuer­langen.

Auch die Polizei rüstet auf – und vermeldet Erfolge

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