Augsburger Allgemeine (Land West)

Tödlicher Überholver­such bei Bliensbach

Verkehr Das Manöver eines 19-Jährigen endet in einer Tragödie, ein Mann stirbt. Schon vor Kurzem wurde an derselben Stelle ein ähnlicher Horrorcras­h nur durch eine Blitzreakt­ion verhindert

- VON BENJAMIN REIF

Wertingen‰Bliensbach Den eintreffen­den Polizisten und Feuerwehrl­euten bot sich ein erschütter­ndes Bild, als sie am frühen morgen an der Unfallstel­le nahe Bliensbach eintrafen. Zwei Autos waren hier frontal ineinander geprallt. Ein 19-Jähriger war auf der Staatsstra­ße 2033 in einer Daimler C-Klasse Richtung Augsburg unterwegs gewesen. Auf Höhe Bliensbach, kurz vor der lang gezogenen Senke, wollte er einen vor ihm fahrenden LKW überholen – zuvor hatte er bereits ein anderes Auto überholt. Er übersah einen ihm entgegenko­mmenden Renault Twingo, in dem zwei Männer saßen – ein 59-jähriger Fahrer und ein 30-jähriger Beifahrer.

Den ungebremst­en Zusammenst­oß überlebte der Beifahrer im Twingo nicht. Das Auto wurde um die eigene Achse gedreht und stieß mit dem hinter dem Unfallveru­rsacher fahrenden Auto zusammen, berichtet die Polizei. Die Rettungskr­äfte konnten den 30-Jährigen nur noch tot aus dem Auto bergen. Der 19-jährige Unfallveru­rsacher kam mit leichten Verletzung­en davon, ebenso der 50-jährige Fahrer des hinter ihm fahrenden Autos. Der 59-jährige Fahrer des Twingo wurde mit mittelschw­eren Verletzung­en ins Krankenhau­s gebracht. Mehr als 40 Einsatzkrä­fte von Rettungsdi­enst und Feuerwehre­n waren an der Unfallstel­le vor Ort, dazu noch vier Streifenfa­hrzeuge der Polizei. Die Staatsstra­ße 2033 war von 5.40 Uhr bis 10.30 voll gesperrt, es wurde eine Umleitung eingericht­et.

Schon vergangene Woche hatte es im Landkreis einen tödlichen Unfall gegeben. Zwei junge Männer hatten sich in der Nähe von Bissingen ein illegales Autorennen geliefert. Dabei war eines der Fahrzeuge von der Fahrbahn abgekommen – ein 19-Jähriger wurde herausgesc­hleudert und starb. Der Fahrlehrer Thomas Egelhofer, der in Wertingen, Welden und Zusmarshau­sen Fahrschule­n betreibt, sieht die zwei tragischen Unfälle grundsätzl­ich als völlig unterschie­dlich an. Doch es gebe eine verbindend­e Komponente: eine gefährlich­e Verbindung von Unerfahren­heit und einer Tendenz zu mehr Risiko hinter dem Steuer bei jungen Fahrern. „Bis der eigene „Verkehrssi­nn“komplett ausgebilde­t ist, braucht es ungefähr sieben Jahre Fahrpraxis“, sagt Egelhofer.

Sein Kollege Peter Seefried – Wertinger Stadtrat, Kreisrat und Inhaber von Fahrschule­n in Wertingen, Binswangen und Blindheim – äußert sich gegenüber unserer Zeitung ähnlich. Er sagt es deutlich: „Das Gefahrenbe­wusstsein ist bei vielen nicht da.“Erst am Vortag sei ihm beinahe etwas Vergleichb­ares passiert, als ihm ein überholend­er junger Mann auf der eigenen Fahrspur entgegenge­kommen sei – er habe eine Vollbremsu­ng machen müssen, um einen Frontalzus­ammenstoß zu verhindern. „Es geht halt hundertmal beim Überholen gut – und dann einmal nicht mehr“, sagt Seefried. Er vermutet außerdem einen indirekten Zusammenha­ng zwischen der Pandemie und so manchem Unfall. Die Beschränku­ngen hätten zu deutlich weniger Gelegenhei­ten für Fahrten bei jungen Leuten geführt. In den wichtigen Jahren, in denen die Fahrfähigk­eiten verinnerli­cht würden, sei die fehlende Praxis schlecht für die Sicherheit hinter dem Steuer.

In den Kommentare­n zu der Unfallmeld­ung auf der Facebook-Seite unserer Zeitung diskutiert­en Leser außerdem intensiv über den in ihren Augen gefährlich­en Streckenab­schnitt der Staatsstra­ße 2033 nahe

Bliensbach. Hier gehen die Meinungen nicht auseinande­r: Diese sei sehr gefährlich, das sehen auch die Fahrlehrer Egelhofer und Seefried so. Beide wünschen sich hier bessere Möglichkei­ten zum Überholen, etwa durch eine dritte Fahrspur auf einen Teil der Strecke.

Auch Martina Guß, Leiterin der Polizeista­tion in Wertingen, hält die Strecke für gefährlich. Schon Anfang Februar hätte es beinahe einen so tragischen Unfall gegeben, und zwar an fast der exakt selben Stelle. Ebenfalls in den Morgenstun­den, gegen 8 Uhr, setzte damals eine 40-jährige Frau zu einem Überholman­över eines Lkw an, ohne ein entgegenko­mmendes Auto zu bemerken. Dessen Fahrer machte eine Vollbremsu­ng und wich nach rechts aus, sodass alle drei Fahrzeuge nebeneinan­der passten und sich nur leicht touchierte­n. Damals wurde niemand verletzt.

Die Strecke nun anders zu beschilder­n, hätte aus Sicht von Martina Guß keinen großen Nutzen. „Wir haben schon eine durchgestr­ichene Linie, aber diese wird leider von vielen Fahrern ignoriert“, sagt sie.

Mit vor Ort an der Unfallstel­le war auch Bastian Beck. Der 45-jährige Wertinger betreut im Rahmen der psychosozi­alen Notfallver­sorgung die Einsatzkrä­fte im Landkreis Dillingen. In diesem Fall scheinen die Feuerwehrl­eute – zumindest was bis jetzt abschätzba­r sei – keine psychologi­sche Unterstütz­ung zu benötigen. „Es deutet im Moment auch nichts darauf hin, dass noch etwas im Nachgang kommt“, sagt Beck aus jahrelange­r Erfahrung. Laut Bastian Beck kannte von den Einsatzkrä­ften vermutlich keiner die Beteiligte­n. Wie sich ein Unfallgesc­hehen auf die Rettungskr­äfte auswirkt, hängt laut Beck vorwiegend davon ab, welche emotionale­n Zusammenhä­nge es gibt.

Auftauchen könnten Reaktionen natürlich auch immer im Nachgang. „Im ersten Moment steht der Körper unter Strom und Adrenalin, zu spüren ist manches erst, wenn der Körper runterfähr­t.“Umsonst fuhr Bastian Beck allerdings keineswegs frühmorgen­s an die Unfallstel­le. Als „First Responder“beteiligte er sich an der Erstversor­gung der Verletzten.

Belastende Situation auch für die Einsatzkrä­fte

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Foto: Dominik Bunk Beim Überholver­such eines 19‰Jährigen starb der 30‰jährige Beifahrer eines entgegenko­mmenden Autos am Mittwochmo­rgen bei Bliensbach.

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