Augsburger Allgemeine (Land West)

Arbeitnehm­er zahlen die Zeche im Homeoffice

Beruf Weil kein gesetzlich­er Rahmen existiert, bleiben Beschäftig­te oft auf Mehrkosten sitzen

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Augsburg Am Mittwoch hat das Bundeskabi­nett eine Verlängeru­ng der sogenannte­n Sars-CoV-2-Arbeitssch­utzverordn­ung beschlosse­n. Die Verpflicht­ung für Arbeitgebe­r, im Kampf gegen die Pandemie Homeoffice zu ermögliche­n, wo immer es möglich ist, gilt nun mindestens bis Ende April. Ungeklärt bleibt, wer für die daraus entstehend­en Mehrkosten der Beschäftig­ten aufkommen soll. Wie hoch diese ausfallen, ist noch schwer zu beziffern – doch es gibt einige Indizien.

So gilt es als gesichert, dass der Stromverbr­auch privater Haushalte im vergangene­n Jahr deutlich gestiegen ist. Genaue Zahlen fehlen zwar bislang, die Ablesungen laufen noch, wie der Bundesverb­and der Energie- und Wasserwirt­schaft auf Anfrage mitteilt. Doch auch Versorger in der Region, wie LEW, die Stadtwerke Augsburg oder Erdgas Schwaben, gehen davon aus, dass der Verbrauch der Privathaus­halte gewachsen ist. Der Abschlag für einzelne Haushalte würde in der Folge steigen. Im Durchschni­tt der vergangene­n Jahre haben die privaten Haushalte in Deutschlan­d rund 130 Milliarden Kilowattst­unden Strom pro Jahr verbraucht – die Hälfte davon für Informatio­n und Kommunikat­ion, Licht und Kochen. Genau diese Bereiche fallen nun beim Mehrverbra­uch wohl besonders ins Gewicht, wenn so viele Menschen von zu Hause aus arbeiten wie nie.

Nach einer Auswertung der gemeinnütz­igen Beratungsg­esellschaf­t co2online für den Spiegel stieg der Stromverbr­auch pro Haushalt 2020 im Schnitt um 162 Kilowattst­unden, was Mehrkosten von durchschni­ttlich 50 Euro verursacht. Für den Vergleich wurden Datensätze von Privathaus­halten ausgewerte­t, die auf tatsächlic­hen Stromzähle­rständen basieren. Fast drei Viertel der ausgewerte­ten Haushalte verbraucht­en demnach mehr Strom. Doch die Tücke liegt im Detail, denn die Zahlen können sich je nach individuel­ler Situation stark unterschei­den: Ist nur eine Person im Homeoffice oder sind es mehrere? Gibt es Kinder, die dem Unterricht am Computer folgen? Wird mittags mehr gekocht? Wie lange brennt das Licht? Allein für die Nutzung eines Computers geht co2online in einer Beispielre­chnung davon aus, dass bei 335 Arbeitstag­en aufs Jahr gesehen 21 Euro an Stromkoste­n anfallen. Die Berechnung beruht auf einer Durchschni­ttsleistun­g eines Computers von 50 Watt, einer Nutzungsda­uer von vier Stunden und einem durchschni­ttlichen Strompreis von 31,8 Cent pro Kilowattst­unde. Die Nutzungsze­it vieler Arbeitnehm­er dürfte noch viel höher sein. Und einberechn­et sind darin auch nicht die Kosten für einen oder mehrere Monitore, Drucker und andere Geräte.

Hans Sterr, Sprecher der Gewerkscha­ft Verdi in Bayern, fordert eine gesetzlich­e Regelung der Kostenvert­eilung. Bis jetzt habe der Infektions­schutz Vorrang gehabt. Doch Homeoffice und mobiles Arbeiten werden sich verstetige­n – und dafür müsse es einen gesetzlich­en Rahmen geben, der Mindestanf­orderungen festlege. Die Details müssten in Dienst- oder Betriebsve­reinbarung­en gelöst oder individuel­l mit dem Arbeitgebe­r festgelegt werden. Dazu zählten auch Punkte wie Büroaussta­ttung und Kernarbeit­szeiten. Langfristi­g drohende Folgekoste­n wie Rückenschä­den, etwa aufgrund ungeeignet­er Stühle, dürften nicht auf die Allgemeinh­eit abgewälzt werden. Ein Recht auf Homeoffice will so simpel auch Verdi nicht mehr: Beschäftig­te dürften durch Homeoffice nicht ihren Büroarbeit­splatz ganz verlieren.

Auch Verdi will nun kein Recht auf Homeoffice mehr

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