Augsburger Allgemeine (Land West)

Wer ist der dritte Beschuldig­te im Fall Nüßlein?

Masken‰Affäre Der Korruption­sskandal um den Bundestags­abgeordnet­en aus dem Landkreis Günzburg zieht neue Kreise. Im Fokus der Ermittlung­en steht nun ein weiterer Mann. Auch er betreibt das undurchsic­htige Geschäft der Lobbyisten

- VON HOLGER SABINSKY‰WOLF UND MICHAEL STIFTER

München Es ist Mittwochvo­rmittag, als Erinnerung­en wach werden. Zwei Wochen zuvor waren Ermittler der Generalsta­atsanwalts­chaft München an 13 Objekten in Bayern, Berlin, Hessen und Liechtenst­ein angerückt und haben die Büros und Wohnungen des Bundestags­abgeordnet­en Georg Nüßlein und des Unternehme­rs Thomas Limberger durchsucht. Es sollte der Startschus­s der Masken-Affäre sein, die seither die deutsche Politik durcheinan­derwirbelt. Am Mittwoch kamen im Fall Nüßlein wieder die Ermittler. Dieses Mal durchsucht­en sie an drei Orten die Büros und Privaträum­e eines Mannes, der in München eine Beratungsf­irma betreibt.

Die Affäre um den ehemaligen CSU-Politiker Nüßlein zieht damit weitere Kreise. Der nun in den Fokus der Justiz geratene Geschäftsm­ann gilt bei der Generalsta­atsanwalts­chaft als dritter Beschuldig­ter in dem Verfahren. Gegen ihn wird wegen des Anfangsver­dachts der Bestechung von Mandatsträ­gern ermittelt. Nach Recherchen unserer Redaktion handelt es sich um Michael Kraess. Der 53-Jährige stammt aus Georg Nüßleins Wahlkreis Neu-Ulm und ist Gründer und Geschäftsf­ührer der Beratungsf­irma Quanticon. Vor allem aber ist er ein Vertrauter des schillernd­en Unternehme­rs Thomas Limberger, der in der Causa Nüßlein von Anfang an unter dem Verdacht der Bestechung stand: Kraess sitzt im Präsidium des Vereins Internatio­naler Wirtschaft­ssenat, einer Lobbyverei­nigung, die von jenem Limberger geführt wird, der Nüßlein über den Umweg Liechtenst­ein 660000 Euro bezahlt haben soll. Offenbar handelte sich dabei um eine Provision für die Anbahnung millionens­chwerer Masken-Aufträge mit dem Bundes gesundheit­sministeri­um, den Landes g es und heits ministerie­n von Bayern und Mecklenbur­g-Vorpommern so wieder Bundes polizei.

Der Name Kraess stand nach Informatio­nen unserer Redaktion schon auf dem ersten Dur ch suchungsbe schluss, mit dem die Ermittler unter anderem beiNüßle in und Limberger aufgetauch­t waren. Offenkundi­g hat sich nach Sichtung der damals beschlagna­hmten Unterund Datenträge­r der Verdacht erhärtet, dass auch Kraess sich strafbar gemacht haben könnte.

Nun wird er bei der Generalsta­atsanwalts­chaft München selbst als Beschuldig­ter geführt. Nach unseren Recherchen half er Limberger dabei, aus den Masken-Geschäften zu Beginn der Corona-Pandemie möglichst viel Profit zu schlagen. In welcher Weise das genau geschah und ob es direkte Geldflüsse von Kraess an Nüßlein gegeben hat, ist momentan noch unklar.

Kraess, der bis 2014 Vorstandsc­hef des einflussre­ichen Lobby-Unternehme­ns Concilius war, wirbt ganz offensiv mit seinen guten Kontakten zu Abgeordnet­en und anderen mächtigen Entscheidu­ngsträgern. Auf einer Internetse­ite mit dem Titel „Maschinenr­aum der Politik“beschrieb er seine Philosophi­e einmal so: „Freunde schafft man sich, solange man sie nicht braucht.“Um für seine Mandanten möglichst viel herauszuho­len, will er in den „Maschinenr­aum“des Politikbet­riebes vordringen. An welchen Schrauben Lobbyisten dort drehen, bleibt oft unklar. Mitunter erfährt die Öffentlich­keit gar nicht, wer da alles bei neuen Gesetzen oder Verordnung­en mitredet. Erst vor wenigen Tagen haben CDU und CSU im Zwielicht der Masken-Affäre ihren Widerstand gegen ein Lobbyregis­ter im Bundestag aufgegeben, in dem zumindest die Namen der Einflüster­er festgehalt­en werden müssen. Das Ziel von Lobbyisten wie Limberger und Kraess ist immerhin kein Geheimnis: Die Berater sollen politische Entscheidu­ngen zugunsten ihrer Auftraggeb­er beeinfluss­en. Wie das geht, erklärt Kraess so: „Um als Unternehme­n (...) erfolgreic­h zu sein, benötigt man gut aufgearbei­tete Inhalte, die zeigen, dass das Partikular­interesse eines Unternehme­ns nicht im Widerspruc­h zum vermeintli­chen und politisch gewollten Allgemeinw­ohl steht, sondern dieses sogar fördert.“Und was dient im Frühjahr 2020 zu Beginn der Pandemie dem Allgemeinw­ohl? Eine schnelle Versorgung mit dringend benötigter medizinisc­her Schutzausr­üstung wie Atemschutz­lagen masken. Damit argumentie­rt im Übrigen auch Nüßlein, wenn es um seinen fragwürdig­en Einsatz für Masken-Hersteller geht. „Aufgrund langjährig­er Kontakte zu einem chinesisch­en Anbieter gelang es Dr. Nüßlein in schwierige­n Tagen, dass qualitativ hochwertig­e Masken in der erforderli­chen Stückzahl geliefert werden konnten“, heißt es in einem Schreiben seines Anwalts. Der 51-jährige Politiker, der infolge der Ermittlung­en zunächst aus der Unionsfrak­tion im Bundestag und dann nach 34 Jahren auch aus der CSU ausgetrete­n ist, weist alle Vorwürfe zurück. Sein Bundestags­mandat will er bis zum Ende der Legislatur­periode behalten.

Gegen Nüßlein wird wegen des Verdachts der Bestechlic­hkeit eines Mandatsträ­gers ermittelt. Weil er auf der Rechnung für die Provision keine Umsatzsteu­er ausgewiese­n hat, wird er auch der Steuerhint­erziehung verdächtig­t. Nach Recherchen unserer Redaktion ist das mutmaßlich­e Schmiergel­d über das Liechtenst­einer Bankkonto einer Offshore-Firma in der Karibik geflossen. Der Verantwort­liche dieser Firma ist Thomas Limberger.

Der Lobbyist wirbt mit seinen Kontakten in die Politik

 ?? Foto: Imago Images ?? Schatten im Sitzungssa­al des Bundestage­s: Wie in allen Parlamente­n nehmen auch hier Lobbyisten Einfluss auf die Politik.
Foto: Imago Images Schatten im Sitzungssa­al des Bundestage­s: Wie in allen Parlamente­n nehmen auch hier Lobbyisten Einfluss auf die Politik.

Newspapers in German

Newspapers from Germany