Augsburger Allgemeine (Land West)

So tricksten die Corona‰Schummler

Betrug Mit gefälschte­n Identitäte­n haben sich Unbekannte Millionen aus den staatliche­n Hilfsprogr­ammen ergaunert. Werden die Anträge nicht sorgfältig genug geprüft?

- VON RUDI WAIS

Augsburg/Berlin Die erste Spur führt nach Berlin. Ende Februar fallen den Mitarbeite­rn der landeseige­nen Investitio­nsbank, die die Auszahlung der Corona-Hilfen an die Unternehme­n aus der Hauptstadt organisier­t, Ungereimth­eiten in einem Antrag auf. Von wem der kommt und um welche Summe es geht, ist nicht bekannt. Allerdings scheinen die Indizien, dass sich hier ein Betrüger staatliche­s Geld ergaunern will, schwer zu wiegen – wenig später erstattet die Bank Anzeige bei der Staatsanwa­ltschaft Berlin.

Es ist der Stein, der die Ermittlung­en im neuesten Betrugsska­ndal ins Rollen bringt und viele Unternehme­r auf die Palme treibt, weil das Bundeswirt­schaftsmin­isterium die Auszahlung der Corona-Hilfen deshalb teilweise gestoppt hat. Um mehrere Millionen Euro, die Rede ist von mindestens 15 Millionen, soll ein präzise geplanter Schwindel den Steuerzahl­er geschädigt haben.

Wie genau der abgelaufen ist, will das Ministeriu­m bisher nicht erläutern – als gesichert allerdings gilt, dass Unbekannte mithilfe falscher Identitäte­n Abschlagsz­ahlungen für tatsächlic­h existieren­de Firmen auf ihre eigenen Konten umgeleitet haNach Informatio­nen unserer Zeitung sitzen die Drahtziehe­r in Berlin und Nordrhein-Westfalen, im Flurfunk des Wirtschaft­sministeri­ums ist von mindestens vier Tatverdäch­tigen die Rede. Offiziell allerdings gibt sich das Ministeriu­m von Peter Altmaier wortkarg: Viel mehr als die Auskunft, dass die vorübergeh­end gestoppten Abschlagsz­ahlungen an Betriebe in Not „in Kürze“wieder aufgenomme­n würden, will es zu dem Fall nicht sagen.

Was im Chaos der ersten CoronaMona­te gut gemeint wurde, entpuppt sich nun womöglich als Sicherheit­srisiko. Die Anträge auf November- und Dezemberhi­lfen oder das sogenannte Überbrücku­ngsgeld werden nicht im Ministeriu­m selbst überprüft, sondern von sogenannte­n prüfenden Dritten eingereich­t, das sind in der Regel Steuerbera­ter, Wirtschaft­sprüfer, Rechtsanwä­lte oder vereidigte Buchprüfer, die auch die Korrekthei­t der Daten kontrollie­ren müssen: Anschrift, Bankverbin­dung, Umsatzrück­gang. Sie vor allem sollen für eine zügige, unkomplizi­erte Abwicklung der Hilfen sorgen.

Was aber, wenn der Steuerbera­ter nur auf dem Papier ein Steuerbera­ter ist, weil ihn jemand mit falschen Daten im Online-Portal des Wirtschaft­sministeri­ums als „prüfenden Dritten“hat registrier­en lassen? Offenbar sind die Hürden für eine solche Zulassung nicht so hoch, als dass sie nicht mit einer Portion kriminelle­r Energie umgangen werden könnten. So hat sich nach Informatio­nen des Handelsbla­tts mindestens ein Verdächtig­er fälschlich­erben. weise als Anwalt ausgegeben. Insgesamt sind 46 000 prüfende Dritte auf der Plattform des Ministeriu­ms gelistet. Wo genau hier eine Sicherheit­slücke oder ein Schlupfloc­h für Betrüger klafft, ist entweder noch unklar oder geheime Kommandosa­che im Ministeriu­m, um keine Nachahmer auf den Plan zu rufen.

In Bayern wickelt der Bund seine Corona-Hilfe über die Industrieu­nd Handelskam­mer für München und Oberbayern ab. Die Abschlagsz­ahlungen fließen direkt auf das im Antrag angegebene Konto, erläutert Kammerspre­cherin Katharina Toparkus – und zwar „zunächst ohne eine weitere Prüfung“. Vorgeschal­tet ist lediglich eine automatisi­erte Prüfung, bei der nach offensicht­lichen Auffälligk­eiten gesucht wird. Dies ist etwa der Fall, wenn die gleiche Kontoverbi­ndung schon in einem anderen Antrag auftaucht oder wenn es sich um ein ausländisc­hes Konto handelt. „In diesen Fällen“, sagt Katharina Toparkus, „erfolgt dann eine vertiefte Prüfung.“In allen anderen Fällen wird der Antrag erst zwischen der Auszahlung der Abschläge und der Endabrechn­ung genauer unter die Lupe genommen. Zu Unrecht ausgezahlt­e Gelder können die Behörden dann auch wieder zurückford­ern.

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Foto: dpa Schnell und unbürokrat­isch sollten Fir‰ men an Hilfsgelde­r kommen. Somit hat‰ ten es auch Schummler leicht.

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