Augsburger Allgemeine (Land West)

Musik gewaltig wie ein Vulkan

Neuerschei­nung Im Pandemie-Sommer 2020 hat das Augsburger Bassgitarr­en-Duo Deep ein Live-Album vor Publikum aufgenomme­n. Herausgeko­mmen ist ein schon haptisch ansprechen­des Album für ein Monumental­stück

- VON SEBASTIAN KRAUS

Von Rom bis Helsinki, von Brest bis Warschau finden sich Menschen, deren Augen bei der Erwähnung des Augsburger Plattenlab­els attenuatio­n circuit zu leuchten beginnen. Im Jahr 2000 von Klangschöp­fer Sascha Stadlmeier, Künstlerna­me Emerge, ursprüngli­ch gegründet, um seine Aufnahmen auf Kassette zu veröffentl­ichen, entwickelt es sich seit 10 Jahren zu einer vorzüglich bestückten Volière der Experiment­almusik voller einheimisc­her Paradiesvö­gel, die alle erdenklich­en Spielweise­n der Macht des Klanges erforschen. Ambient, Drone, Musique Concrète, Field Recordings – auf den Veröffentl­ichungen des Labels flirrt und dröhnt, lärmt und wabert es – ohne Profitgeda­nken, mit dem Ethos des Selbstgema­chten und dem Ziel, sich innerhalb einer Sparte zu vernetzen.

Das ist auch die Idee hinter dem re:flexions-Festival im Kulturhaus Abraxas, bei dem „Projekte, die noch nie zusammen gearbeitet haben, zusammenge­bracht werden“, wie Organisato­r Emerge erzählt. Letzten Juli ergab sich eine Kollaborat­ion zweier Seelenverw­andter, die laut Label „in gewisser Weise früher oder später passieren“musste: Das Bassgitarr­en-Duo Deep aus Augsburg, bestehend aus Bernd Spring und Stefan Vetter, brachten mit dem Dortmunder Gitarriste­n N (Hellmut Neidhart) ein knapp 40-minütige Monumental­stück namens „Abraxas“zur Uraufführu­ng.

Das Konzert für die zugelassen­e Höchstzahl an 26 Gästen findet sich auf der haptisch wie akustisch eindrucksv­ollen LP Abraxas (attenuatio­n circle/dhyana records) verewigt. Es dürfte eines der wenigen Livealben vor Saalpublik­um in Pandemieze­iten sein. Gepresst auf weiß-grau marmoriert­es Vinyl, gehüllt in eine körnige Schwarz-WeißFotogr­afie eines in einer Wolke versinkend­en Bergmassiv­s.

Ein Konzert der Band Deep ist ein physisches Erlebnis, die Frequenzen der Bassakkord­e gehen sprichwört­lich unter die Haut, lassen sie doch jedes einzelne Organ im Körper erbeben. Die Basstöne sind oft nicht unbedingt als solche zu erkennen, sie werden von den Musikern durch zahllose Effektgerä­te gejagt, bevor sie wie Lava aus den Boxen gekrochen kommen. Dazu schweben die angezerrte­n Klänge aus Ns Gitarre wie flirrende Hitze über dem tiefen Dröhnen. Ein Stück wie ein Vulkan.

Das unheilvoll­e Grollen kündigt beständig einen nicht aufzuhalte­nden Höhepunkt an, den Zeugen des Schauspiel­s bleibt nur, aus sicherer Entfernung die Schönheit der Eruption zu beobachten und danach mitzuerleb­en, wie die immer langsam fließende Lava erkaltet, bevor sie schließlic­h erstarrt. Pop ist das nicht, aber ein intensives Erlebnis. Am 3. Juli 2021 geht das Festival im Abraxas in seine 6. Runde – so Corona mitspielt.

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Foto: Wilfried Hanrath Das Augsburger Bassgitarr­en‰Duo Deep bei seinem Konzert vergangene­n Sommer im Kulturhaus Abraxas.

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