Augsburger Allgemeine (Land West)

Endlich spricht der Angeklagte

Justiz Ein 24-Jähriger soll für den Tod eines Dreijährig­en aus Dillingen verantwort­lich sein. Am inzwischen neunten Verhandlun­gstag bricht er sein langes Schweigen

- VON MICHAEL SIEGEL

Dillingen/Augsburg Acht Verhandlun­gstage lang hatte der angeklagte 24-Jährige aus Dillingen geschwiege­n. Jetzt sagte er vor dem Augsburger Landgerich­t aus, wie es aus seiner Sicht zum Tode des dreijährig­en Sohnes seiner Lebensgefä­hrtin habe kommen können. Sein Schweigen

bisher erklärte er dem Gericht damit, dass er seine Lebensgefä­hrtin habe schützen wollen, die ihm von Schlägen am Morgen gegen die Kinder erzählt hatte. Ja, er sei bereit gewesen, für die heute 22-Jährige ins Gefängnis zu gehen.

Er habe sich beim Vorbeilauf­en am Sofa mit dem Bein in einer Decke verfangen, sei gestolpert, habe noch versucht, sich abzufangen, sei aber mit dem Knie voraus auf den am Boden liegenden Buben gestürzt.

Nach einem längeren Notarztein­in der Wohnung und einer anschließe­nden mehrstündi­gen Operation in der Augsburger Kinderklin­ik war der Bub, der nicht mehr geatmet hatte, in der darauffolg­enden Nacht gestorben. Todesursac­he soll Gewalteinw­irkung gegen den Bauch des Buben gewesen sein.

Als er am Morgen des Sonntags, 20. Oktober 2019, geweckt worden sei, habe die Mutter der beiden Kinder, mit denen der Angeklagte in einer gemeinsame­n Wohnung in Dillingen lebte, die Kinder bereits angezogen gehabt. Nach dem gemeinsame­n Frühstück habe die Mutter ihm, dem Angeklagte­n, freudig vom bevorstehe­nden Pferdehand­el berichtet. Darüber sei es zum Streit gekommen, weil die Sache die Familie zu teuer käme, habe er befürchtet.

Die Stimmung sei an jenem Morgen schlecht gewesen, die Kindsmutte­r habe gereizt, ja aggressiv reagiert, auch noch, als sie mit Bekannten zum Pferdekauf ins Allgäu fortgefahr­en sei. Der Angeklagte sagte, dass die Mutter ihre Kinder bereits am Morgen dieses Tages geschlagen habe, was sie selbst ihm gesagt habe. Ihn, ihren Lebensgefä­hrten, habe sie gebeten, über diese Schläge mit niemandem zu sprechen, da sie um ihren Ruf als gute Mutter besorgt gewesen sei. Im Verlauf des Tages habe der Angeklagte mit den beiden kleinen Kindern in der Wohnung gespielt, ihnen Essen zubereitet, fern gesehen, mit ihnen Mittagssch­laf gehalten. Zweimal habe er an jenem Tag den Buben umziehen müssen, da er etwas erbrochen hatte. Am Nachmittag sei er nach dem Rauchen in die Wohnung zurückgeko­mmen, um bei den spielenden Kindern zu sein. Dabei sei es zu dem besagten Stolpern und dem Sturz gekommen.

Nachdem er auf das am Boden liegende Kind gefallen sei, habe er den Buben aufgehoben und ihn getröstet. Auf die Frage nach einem „Aua“habe der Bub dem 24-Jährigen einen Kratzer an der Wange gezeigt, den ihm seine kleine Schwester zuvor beim Spielen beigebrach­t hatte.

Ansonsten sei an seinem Zustand zunächst nichts Auffällige­s zu ersatz kennen gewesen. Nach einiger Zeit sei der Bub blass geworden und habe „komisch“geatmet, gar „geröchelt“. Als die Atmung ganz ausgesetzt habe, habe er die Kindsmutte­r angerufen, die noch mit dem Pferd zugange gewesen war.

Diese habe dann den Notarzt verständig­t. Bis zum Eintreffen der Retter habe der 24-Jährige versucht, das Kind zu beatmen und eine Herzdruckm­assage durchzufüh­ren. Wichtig vor Gericht war zunächst die Frage, warum der Angeklagte sich erst jetzt und dann in dieser Weise äußere. Es werde mal Zeit, zu erzählen, was passiert sei, begründete der Mann im weißen Hemd und mit Mund-Nase-Maske. Er folge damit einer Aufforderu­ng von Staatsanwa­lt Michael Nißl aus der vorangegan­genen Verhandlun­g. Auch die Verteidigu­ng hatte nach Worten von Rechtsanwa­lt Felix Dimpfl jetzt im Gefängnis an ihren Mandanten appelliert, zu berichten, was er an jenem Tag erlebt habe. Es bestehe kein Anlass, seine ehemalige Lebensgefä­hrtin vor irgendetwa­s zu schützen.

Die Stimmung an jenem Morgen war schlecht

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Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa (Symbolbild) Im Prozess um den Tod eines dreijährig­en Buben aus Dillingen hat der Angeklagte sein Schweigen gebrochen.

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