Augsburger Allgemeine (Land West)
Der höchste MüllBerg der Welt
Natur Zelte, Sauerstoffflaschen, Proviant: Bergsteiger hinterlassen immer mehr Abfall auf dem Mount Everest. Wie Sherpas und Umweltschützer versuchen, das Problem in den Griff zu kriegen
Kathmandu Der Mount Everest hat traurige Berühmtheit dafür erlangt, die höchstgelegene Müllhalde der Welt zu sein. Auf dem 8848,86 Meter hohen Berg liegen nach Schätzungen der nepalesischen Armee 140 Tonnen Abfall. Da gibt es etwa kaputte Zelte und Kleidungsstücke, Essensverpackungen, Kocher, leere Wasserflaschen, Bierdosen und Sauerstoffflaschen, die Abenteurer über Jahrzehnte liegen ließen. Dazu kämen rund 40 Tonnen menschliche Ausscheidungen.
Nun wollen Umweltschützer in einem neuen Museum Kunstwerke aus nicht wiederverwertbarem Everest-Müll von Künstlern mehrerer Länder ausstellen und damit auf das große Problem aufmerksam machen, wie der Chef des Projekts, Phinjo Sherpa, erklärt. Eröffnet werden soll das Museum in der Nähe des Basislagers im Herbst.
Initiativen von Umweltschützern und der Regierung zur Reduzierung des Everest-Mülls hat es schon mehrere gegeben – allerdings mit begrenztem Erfolg. Sie müssen dabei auch gegen immer mehr Besucher auf dem welthöchsten Berg im Himalaja ankämpfen, die erschöpft von dem Auf- und Abstieg in dünner Luft den Müll nicht als ihr größtes Problem anzusehen scheinen.
1979 gab es in der Everest-Region 3600 ausländische Trekker und Bergsteiger, 2018 waren es 60000, wie es von der Organisation hinter dem Museumsprojekt, Sagarmatha Next, heißt. Dazu kommen oft viele einheimische Sherpa-Führer und Träger, die den – mitunter auch ungeübten – Bergsteigern auf den Gipfel helfen. Seit rund einem Jahr war jedoch laut Behördenangaben niemand mehr auf dem Everest. Zu Beginn der Corona-Pandemie war das Besteigen zunächst auch monatelang verboten.
Mit einer jüngst angekündeten Putzaktion will Nepals Armee die touristenlose Zeit nutzen, um von April bis Juni 35 Tonnen Müll vom Mount Everest und fünf anderen Himalaja-Bergen zu schaffen. Nicht biologisch abbaubares Material soll dann in der Hauptstadt Kathmandu an Recyclingfirmen übergeben werden.
Inzwischen müssen Firmen, die Expeditionen organisieren, von
Touristen ein Depot von 4000 Dollar (rund 3300 Euro) verlangen, das abgezogen wird, wenn sie beim Müllzurücklassen auf dem Berg erwischt werden. Ein überschaubarer Betrag angesichts der Kosten eines durchschnittlichen Everest-Aufund -Abstiegs, der jeweils rund 40000 Euro kostet, wie der USBergsteiger und Blogger Alan Arnette vorrechnet. Darin enthalten sind Beträge für eine Genehmigung zum Besteigen des Bergs, für Ausrüstung, Zelte, Inlandsflüge, Essen, Sauerstoffflaschen und ein einheimisches Helferteam.
Gleichzeitig gibt es gewisse Belohnungen für Leute, die Müll vom Berg herunterbringen. Sherpa-Helfer etwa erhalten 130 Dollar für eine leere Sauerstoffflasche. Diese kann dann wiederverwendet werden. Genauso können beispielsweise Bierflaschen und Büchsen in der Hauptstadt Kathmandu recycelt werden. Sauerstoffflaschen und Zelte in gutem Zustand würden teils auch von Firmen gekauft, heißt es von der Nichtregierungsorganisation Sagarmatha Pollution Control Committee, die Umweltverschmutzungen auch fernab des Berges dokumentiert. Plastikverpackungen oder Papier würde teils in der Nähe des Basislagers verbrannt.
Regelmäßig gibt es Bergsteiger, denen der schwere Aufstieg zum Verhängnis wird. Mehr als 300 Leichen ruhen auf dem Berg, die Bergsteiger gar als Wegmarkierungen nutzen. Wenn Menschen auf dem Mount Everest sterben, werden sie oft dort zurückgelassen. So makaber es klingt, aber nach einem tödlichen Unfall wird die letzte Würde mit wirtschaftlichen Kosten gegengerechnet: Die Bergung einer Leiche sei schwierig und teuer, koste zwischen 25000 und 60000 Euro, sagt Bergsteiger Arnette. Meist rücke ein Team aus sechs bis zehn erfahrenen Sherpas mit Sauerstoffflaschen aus, ein Hubschrauber fliege die Leiche schließlich vom Berg. Einige Familien ließen ihre gestorbenen Angehörigen aber auch ganz bewusst auf dem Mount Everest. Ihre Begründung: Sie haben den Berg geliebt.