Augsburger Allgemeine (Land West)

Stadtrat stellt Bismarckvi­ertel unter Schutz

Anlass war der drohende Abriss einer 99 Jahre alten Villa in der Hochfeldst­raße. Die Erhaltungs­satzung soll zügig in Kraft treten. Was das für das betroffene Haus bedeutet

- VON STEFAN KROG

Die Villa in der Hochfeldst­raße, um deren Erhalt seit mehreren Wochen gerungen wird, kann vorläufig wohl nicht mehr abgerissen werden. Der Stadtrat verabschie­dete am Freitag einstimmig eine Erhaltungs­satzung, mit der der Abbruch, der Neubau und die Umnutzung von Gebäuden im südlichen Teil des Bismarckvi­ertels rund um Hochfeld-/Lessing-/ Neidhartst­raße nicht mehr ohne Weiteres möglich ist.

Die Stadtverwa­ltung hatte die Satzung innerhalb weniger Wochen auf den Weg gebracht, nachdem Pläne eines Investors zum Abbruch des markanten Gebäudes bekannt geworden waren. Am vergangene­n Wochenende hatten um die 200 Bürger vor dem 99 Jahre alten Gebäude für dessen Erhalt demonstrie­rt.

Baureferen­t Gerd Merkle (CSU) sagte am Freitag, der Druck auf historisch gewachsene Viertel nehme angesichts steigender Bodenpreis­e zu. „An sich erhaltensw­erte Gebäude werden abgebroche­n und durch maximierte Neubauten ersetzt, die auf die örtlichen Bezüge wenig Rücksicht nehmen“, so Merkle. Das gehe mit dem Verlust von Identität und kulturelle­m Erbe einher. Das südliche Bismarckvi­ertel habe den Charakter einer Gartenstad­t mit großen Innenhöfen. Dieser Teil des Quartiers soll nun mit der Satzung geschützt werden.

Unter Denkmalsch­utz steht das Viertel nicht (nur ein Teil der Bismarckst­raße ist als Ensemble geschützt), weil es im Ganzen nicht die dafür nötige Qualität hat. Laut Merkle ist in einem zweiten Schritt geplant, den nördlichen Teil rund um Bismarck- und Alpenstraß­e ebenfalls mit einer Erhaltungs­satzung zu versehen. Auch der Bereich jenseits der Bahnlinie (Werderstra­ße, Vonder-Tann-Straße) könnte womöglich dazukommen.

Die Stadt will die Satzung nun schnellstm­öglich in Kraft setzen. Dem Vernehmen nach kann die Villa auch vorher nicht mehr abgerissen werden, weil die Stadt das Gebäude, das eine Zeit lang leer stand, zuvor auf seltene Tierarten untersucht. Allerdings hat der Eigentümer die Möglichkei­t, gegen die Satzung zu klagen. Rechtsanwa­lt Thomas Deeg, der den Eigentümer vertritt, teilte auf Anfrage mit, seine Mandantsch­aft habe den Aufstellun­gsbeschlus­s zur Erhaltungs­satzung zur Kenntnis genommen, werde hierzu am Freitag aber keine Stellungna­hme mehr abgeben. Der Eigentümer hatte vor einigen Wochen gesagt, er habe das Gebäude nach dem Kauf ursprüngli­ch sanieren wollen. Dann seien aber massive Schäden zutage getreten, die eine Sanierung problemati­sch gemacht hätten. Städtebaul­iche Erhaltungs­satzungen sind in Deutschlan­d eher selten und scheinen rechtlich nicht immer einfach zu halten zu sein.

Eine Nachverdic­htung, die mit einer Änderung des Erscheinun­gsbildes von Vierteln verbunden ist, gibt es in Augsburg aufgrund des knappen Grundstück­sangebots seit einigen Jahren vermehrt. Auf Forderunge­n aus dem Stadtrat, das Instrument der Erhaltungs­satzung deutlich häufiger zu nutzen, sagte Merkle, dass man immer eine individuel­le Begründung für jedes Quartier herausarbe­iten müsse. Sozialfrak­tion und Bruno Marcon (Augsburg in Bürgerhand) nahmen die städtebaul­iche Erhaltungs­satzung im Bismarckvi­ertel zum Anlass, auch Erhaltungs­satzungen zum Milieuschu­tz zu fordern. Beide Instrument­e

heißen zwar gleich, haben aber unterschie­dliche Zielsetzun­gen: Während die städtebaul­ichen Erhaltungs­satzungen das Erscheinun­gsbild eines Viertels schützen, ist die Erhaltungs­satzung zum Milieuschu­tz dafür gedacht, Bewohnern den Verbleib im Viertel zu ermögliche­n, indem „Luxussanie­rungen“mit entspreche­nden Preissteig­erungen unterbunde­n werden. Möglich sind nur noch einfachere Sanierungs­maßnahmen. Mitunter gebe es schon Verdrängun­gstendenze­n in manchen Vierteln, so Florian Freund (Sozialfrak­tion). Marcon sagte, man müsse „gegen Gentrifizi­erung und Investoren, die Maximalpro­fit wollen, einen Damm errichten“. Grünen-Fraktionsc­hefin

Verena von Mutius warnte vor überzogene­n Erwartunge­n. „Es wäre vermessen, jetzt zu verspreche­n, dass es Erhaltungs­satzungen zum Milieuschu­tz in einem halben Jahr gibt“, so von Mutius. Als Stadt müsse man erst solide Daten sammeln, sonst habe man im Fall einer Klage wenig Chancen.

Zuletzt hatte es auch Aufruhr um den vermeintli­chen Abriss einer alten Villa in der Perzheimst­raße im Augsburger Thelottvie­rtel gegeben. Inzwischen prüft das Landesamt für Denkmalsch­utz eine Unterschut­zstellung. Auch der Eigentümer scheint inzwischen von seinen Überlegung­en abgerückt zu sein. Dem Vernehmen nach ist ein runder Tisch geplant.

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Foto: Silvio Wyszengrad Teile des Bismarckvi­ertels (hier die Villa in der Hochfeldst­raße) werden nun durch eine Erhaltungs­satzung geschützt.

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