Augsburger Allgemeine (Land West)
Stadtrat stellt Bismarckviertel unter Schutz
Anlass war der drohende Abriss einer 99 Jahre alten Villa in der Hochfeldstraße. Die Erhaltungssatzung soll zügig in Kraft treten. Was das für das betroffene Haus bedeutet
Die Villa in der Hochfeldstraße, um deren Erhalt seit mehreren Wochen gerungen wird, kann vorläufig wohl nicht mehr abgerissen werden. Der Stadtrat verabschiedete am Freitag einstimmig eine Erhaltungssatzung, mit der der Abbruch, der Neubau und die Umnutzung von Gebäuden im südlichen Teil des Bismarckviertels rund um Hochfeld-/Lessing-/ Neidhartstraße nicht mehr ohne Weiteres möglich ist.
Die Stadtverwaltung hatte die Satzung innerhalb weniger Wochen auf den Weg gebracht, nachdem Pläne eines Investors zum Abbruch des markanten Gebäudes bekannt geworden waren. Am vergangenen Wochenende hatten um die 200 Bürger vor dem 99 Jahre alten Gebäude für dessen Erhalt demonstriert.
Baureferent Gerd Merkle (CSU) sagte am Freitag, der Druck auf historisch gewachsene Viertel nehme angesichts steigender Bodenpreise zu. „An sich erhaltenswerte Gebäude werden abgebrochen und durch maximierte Neubauten ersetzt, die auf die örtlichen Bezüge wenig Rücksicht nehmen“, so Merkle. Das gehe mit dem Verlust von Identität und kulturellem Erbe einher. Das südliche Bismarckviertel habe den Charakter einer Gartenstadt mit großen Innenhöfen. Dieser Teil des Quartiers soll nun mit der Satzung geschützt werden.
Unter Denkmalschutz steht das Viertel nicht (nur ein Teil der Bismarckstraße ist als Ensemble geschützt), weil es im Ganzen nicht die dafür nötige Qualität hat. Laut Merkle ist in einem zweiten Schritt geplant, den nördlichen Teil rund um Bismarck- und Alpenstraße ebenfalls mit einer Erhaltungssatzung zu versehen. Auch der Bereich jenseits der Bahnlinie (Werderstraße, Vonder-Tann-Straße) könnte womöglich dazukommen.
Die Stadt will die Satzung nun schnellstmöglich in Kraft setzen. Dem Vernehmen nach kann die Villa auch vorher nicht mehr abgerissen werden, weil die Stadt das Gebäude, das eine Zeit lang leer stand, zuvor auf seltene Tierarten untersucht. Allerdings hat der Eigentümer die Möglichkeit, gegen die Satzung zu klagen. Rechtsanwalt Thomas Deeg, der den Eigentümer vertritt, teilte auf Anfrage mit, seine Mandantschaft habe den Aufstellungsbeschluss zur Erhaltungssatzung zur Kenntnis genommen, werde hierzu am Freitag aber keine Stellungnahme mehr abgeben. Der Eigentümer hatte vor einigen Wochen gesagt, er habe das Gebäude nach dem Kauf ursprünglich sanieren wollen. Dann seien aber massive Schäden zutage getreten, die eine Sanierung problematisch gemacht hätten. Städtebauliche Erhaltungssatzungen sind in Deutschland eher selten und scheinen rechtlich nicht immer einfach zu halten zu sein.
Eine Nachverdichtung, die mit einer Änderung des Erscheinungsbildes von Vierteln verbunden ist, gibt es in Augsburg aufgrund des knappen Grundstücksangebots seit einigen Jahren vermehrt. Auf Forderungen aus dem Stadtrat, das Instrument der Erhaltungssatzung deutlich häufiger zu nutzen, sagte Merkle, dass man immer eine individuelle Begründung für jedes Quartier herausarbeiten müsse. Sozialfraktion und Bruno Marcon (Augsburg in Bürgerhand) nahmen die städtebauliche Erhaltungssatzung im Bismarckviertel zum Anlass, auch Erhaltungssatzungen zum Milieuschutz zu fordern. Beide Instrumente
heißen zwar gleich, haben aber unterschiedliche Zielsetzungen: Während die städtebaulichen Erhaltungssatzungen das Erscheinungsbild eines Viertels schützen, ist die Erhaltungssatzung zum Milieuschutz dafür gedacht, Bewohnern den Verbleib im Viertel zu ermöglichen, indem „Luxussanierungen“mit entsprechenden Preissteigerungen unterbunden werden. Möglich sind nur noch einfachere Sanierungsmaßnahmen. Mitunter gebe es schon Verdrängungstendenzen in manchen Vierteln, so Florian Freund (Sozialfraktion). Marcon sagte, man müsse „gegen Gentrifizierung und Investoren, die Maximalprofit wollen, einen Damm errichten“. Grünen-Fraktionschefin
Verena von Mutius warnte vor überzogenen Erwartungen. „Es wäre vermessen, jetzt zu versprechen, dass es Erhaltungssatzungen zum Milieuschutz in einem halben Jahr gibt“, so von Mutius. Als Stadt müsse man erst solide Daten sammeln, sonst habe man im Fall einer Klage wenig Chancen.
Zuletzt hatte es auch Aufruhr um den vermeintlichen Abriss einer alten Villa in der Perzheimstraße im Augsburger Thelottviertel gegeben. Inzwischen prüft das Landesamt für Denkmalschutz eine Unterschutzstellung. Auch der Eigentümer scheint inzwischen von seinen Überlegungen abgerückt zu sein. Dem Vernehmen nach ist ein runder Tisch geplant.