Augsburger Allgemeine (Land West)

Hin und Her schadet der Glaubwürdi­gkeit

Beim Impfen hat die Stadt ihre Strategie mehrmals geändert. Es scheint, als lasse sich die Oberbürger­meisterin dabei vor allem von Kritik leiten. Wie wäre es mit etwas mehr Stringenz?

- VON NICOLE PRESTLE

Enip@augsburger‰allgemeine.de

s war ein Aufreger in den zurücklieg­enden Tagen: Eine Augsburger Steuerkanz­lei mit knapp 50 Mitarbeite­rn ließ sich von einem mobilen Impfteam gegen Corona immunisier­en. Vielen Bürgern hat das nicht gefallen, vor allem denen nicht, die laut Impfordnun­g eigentlich noch Vorrang gehabt hätten, weil sie älter sind, Vorerkrank­ungen haben oder Berufe, die mehr Kontakt zu Menschen mit sich bringen als die Arbeit von Anwälten. Man kann davon ausgehen, dass Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) zahlreiche Beschwerde­Mails und -Anrufe bekam. Ende der Woche entschuldi­gte sie sich für die Impfung der Juristen: Sie sei ein Fehler gewesen, „alle im Team“– also die Stadt und der Betreiber des Impfzentru­ms – hätten sich deshalb Vorwürfe gemacht. Man habe daraus gelernt. Doch reicht diese Entschuldi­gung?

Wenn es ums Impfen geht, sind die Befindlich­keiten groß. Eine Minderheit lehnt eine Immunisier­ung grundsätzl­ich ab, die große Mehrheit wäre lieber schon heute als morgen gegen Corona geschützt. Doch genau das ist das Problem: Nachfrage und Angebot klaffen auseinande­r, es gibt einfach nicht genügend Impfstoff – wofür die Stadt, die am Ende fürs Verteilen zuständig ist, nichts kann. Wenn das bisschen, dass da ist, dann an die vermeintli­ch „falschen“Menschen vergeben wird, gibt es zu Recht Diskussion­en. Schließlic­h hat die Bundesregi­erung eine Priorisier­ungsliste erarbeitet. Nach ihr kann man die Mitarbeite­r der Kanzlei zur Stufe 3 zählen. Aber es gibt eben noch viele, gerade auch Ältere und Vorerkrank­te aus der zweiten Stufe, die auf eine Impfung aktuell noch immer warten. An sie richtete sich nun auch die Oberbürger­meisterin, als sie ihre Entschuldi­gung formuliert­e.

Grundsätzl­ich ist es wichtig, so schnell wie möglich so viele Menschen

wie möglich zu impfen. Nur so können wir alle bald wieder zu einem „normalen“Leben zurückkehr­en. Wenn eine Stadt bestimmte Gruppe und Einrichtun­gen vorzieht, dann braucht sie aber dennoch gute Erklärunge­n – und die konnte Augsburgs Verwaltung­sspitze bislang in mehreren Fällen nicht geben. Wenn sich ein Bischof vorzeitig gegen Covid-19 impfen lassen kann und Geschäftsf­ührer großer Einrichtun­gen heimlich ihre Partner einschmugg­eln, entsteht bei den Bürgern das Gefühl, dass es Gleich und Gleicher gibt – oder dass zumindest zu lax kontrollie­rt wird, wer da um eine Impfung ansteht. Eine Entschuldi­gung allein kann diesen Verdacht nicht ausPflegee­inrichtung­en räumen. Sollte die Stadt Hinweise darauf haben, dass sie getäuscht wurde, weil eventuell unberechti­gte Personen wie Partner oder Kinder auf der Liste standen, sollte sie diesen auch nachgehen. Man hat nicht den Eindruck, dass das derzeit passiert.

Auch konnten weder Gesundheit­sreferent Reiner Erben (Grüne) noch Oberbürger­meisterin Eva Weber bislang schlüssig erklären, warum ausgerechn­et die Liste mit den Mitarbeite­rn der Kanzlei beim Impfzentru­m landete, noch weiß man, ob es noch andere Einrichtun­gen gibt, die frühzeitig geimpft wurden. Zur Verunsiche­rung trägt bei, dass die Stadt ihre Strategie mehrfach geändert hat: Wurden in und Kliniken Mitarbeite­r zunächst unabhängig vom Wohnort immunisier­t (was absolut richtig war), lehnte man solche Gruppenimp­fungen später bei Schulen und Kindertage­sstätten, die aktuell trotz hoher Infektions­zahlen geöffnet sind, ab. Auch mit Verweis darauf, dass dann viele geimpft würden, die gar nicht in Augsburg, sondern im Umland leben. Bei der Kanzlei spielte das Thema Wohnort dann offenbar wieder keine Rolle mehr: Es wurde geimpft, salopp gesagt „quer durch die Region“.

Ein Hü und Hott, zu dem sich Oberbürger­meisterin und Referent offensicht­lich vor allem von öffentlich­er Kritik hinreißen lassen und das Parallelen zum MaskenAuf-und-Ab und den Regeln für Radfahrer in der Innenstadt aufweist. Nun haben Eva Weber und Reiner Erben mehr Stringenz angekündig­t.

Mobile Teams sollen nur noch zu Bettlägrig­en anrücken, nicht aber zu Kanzleien oder anderen Einrichtun­gen. Und für das Personal von Kitas und Schulen, das, je kleiner die Kinder sind, teils sehr hohen Infektions­risiken ausgesetzt ist, gibt es nun doch die Gruppenter­mine im Impfzentru­m. Mehr Stringenz ist wichtig. Denn unter dem ewigen Hin und Her leidet nicht nur die Glaubwürdi­gkeit der Stadt, sondern auch das Vertrauen in ihre Entscheidu­ngen.

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Foto: Silvio Wyszenrad In den vergangene­n Tagen gab es viele Debatten und Irritation­en rund ums Impfen in der Stadt.
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