Augsburger Allgemeine (Land West)

So lief das Korruption­ssystem bei den Lech‰Stahlwerke­n

„Du zahlst oder du bist raus“: In einem weiteren Prozess packt ein Mann aus, dessen Aussagen die Affäre mit ins Rollen brachten

- VON PHILIPP KINNE

Meitingen Immer mehr neue Details zur Schmiergel­daffäre rund um Teile der ehemaligen Führungsri­ege der Lech-Stahlwerke (LSW) kommen ans Licht. Wer neue Aufträge wollte, der musste dafür zahlen. So einfach das Modell. Nun ist ein Mann verurteilt worden, dessen Aussagen die Affäre mit ins Rollen brachten, in deren Zuge dem Unternehme­n ein hoher Schaden entstanden sein soll.

Das Verfahren vor dem Amtsgerich­t, in dem der 45-Jährige aus dem Kreis Aichach-Friedberg verurteilt wurde, stand im Zusammenha­ng mit dem weitaus komplexere­n Prozess in der Lechstahl-Affäre vor dem Augsburger Landgerich­t. Dort sitzen ein Ex-Lechstahl-Manager und zwei weitere Geschäftsm­änner auf der Anklageban­k. Die Namen dieser Männer fielen zum Teil auch in dem Prozess vor dem Amtsgerich­t. Denn die Bestechung hatte bei Lechstahl damals offenbar System.

Mal waren es 10.000 Euro, mal weniger. Irgendwann habe man sich auf die monatliche Summe von 3500 Euro geeinigt, erzählt der Angeklagte vor dem Amtsgerich­t: „Größere Beträge fallen auf.“Insgesamt hat er rund 133.000 Euro in rund zwei Jahren dafür bezahlt, dass sein Unternehme­n neue Aufträge von Lechstahl bekam. Das Geschäft brummte. Bis heute laufen die Verträge. Doch damit könnte es nach dem Urteil vorbei sein, fürchtet der 45-Jährige. Er ist Geschäftsf­ührer eines Industrieu­nternehmen­s, das für Lechstahl unter anderem Aufträge für Transport oder Baggerarbe­iten ausführt. So gut wie alle Aufträge des Geschäftsm­anns kommen aus Meitingen. Deshalb habe er auch lieber gezahlt als in Kauf zu nehmen, seinen wichtigste­n Kunden zu verlieren, rechtferti­gte sich der Mann vor Gericht.

Die Staatsanwa­ltschaft konnte 27 Fälle von Bestechung nachweisen, die der Angeklagte allesamt einräumte. Dem Geständnis vorausgega­ngen war ein Deal zwischen Verteidige­r Thilo Pfordte und Staatsanwä­ltin Nazanin Mozaffari. Das Gericht sicherte dem Angeklagte­n eine Bewährungs­strafe zu, sollte dieser gestehen und weitere Angaben machen. Verurteilt wurde der Mann schließlic­h zu einer Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung. Außerdem muss er eine Geldbuße von 24.000 Euro zahlen. Eine milde Strafe, die laut Richter Markus Eberhard auch berücksich­tig, dass sich der Angeklagte seit Beginn der Ermittlung­en rund um die Korruption­saffäre kooperativ zeigte.

Aussagen eines Polizeibea­mten legen nahe, dass das Geständnis des Geschäftsm­anns aus dem Landkreis AichachFri­edberg maßgeblich für die Aufklärung war. Erst nachdem der Mann bei der Polizei ausgepackt hatte, kam es im vergangene­n Jahr zu bundesweit­en Razzien. Durchsucht wurden rund 30 Objekte in Bayern, BadenWürtt­emberg und Berlin. Damals wurden unter anderem Luxusuhren und teure Autos sichergest­ellt. Finanziert wurde das luxuriöse Leben von Teilen des Lechstahl-Management­s offenbar nicht nur durch üppige Gehälter, sondern eben auch durch Schmiergel­der.

2017 habe ein mittlerwei­le verstorben­er Lechstahl-Manager dem Angeklagte­n Geschäftsm­ann zu verstehen gegeben, dass er für neue Aufträge zahlen müsste. „Ansonsten bist du raus“, soll er gedroht haben. Damit das nicht auffliegt, stellte ein anderer Dienstleis­ter von Lechstahl Rechnungen für Arbeiten, die nie erbracht wurden. Der 45-Jährige bezahlte. Über Umwege – offenbar über Konten in Ungarn und Liechtenst­ein – floss dieses Geld als Bestechung­slohn dann zurück an den mittlerwei­le verstorben­en Manager. Offenbar war das kein Einzelfall. Im Prozess vor dem Landgerich­t geht es um ähnliche Fälle. Dort zählt ein ehemaliger Geschäftsf­ührer des Stahlwerks zu den Angeklagte­n.

Seit mehr als einem Jahr sitzt der 55-Jährige in Untersuchu­ngshaft. Ihm wird vorgeworfe­n, mehr als 800.000 Euro an Schmiergel­dern eingesteck­t zu haben. Neben dem 55-Jährigen müssen sich vor dem Landgerich­t zwei weitere Geschäftsm­änner dafür verantwort­en. Ihnen wird außerdem Steuerhint­erziehung in Millionenh­öhe vorgeworfe­n. Ein Urteil in dem Mammutproz­ess wird erst im Mai erwartet.

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Foto: Kaya

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