Augsburger Allgemeine (Land West)
Europas oberster Fußball-Regent
Als Aleksander Ceferin zum Uefa-Präsidenten gewählt wurde, zuckten die Leute mit den Schultern. Heute schütteln sie die Köpfe, wenn er eine EM mit Zuschauern will
Während der Name des Fußball-Weltverbandspräsidenten Gianni Infantino vielen Menschen bekannt ist, zucken sie ahnungslos die Schultern, wenn man sie nach Infantinos Kollegen vom Europäischen Verband Uefa fragt. Der Mann heißt Aleksander Ceferin. Ein 53-jähriger Slowene, der schon bei seiner Wahl zum Uefa-Präsidenten 2016 – unter anderem mit der deutschen Stimme des damaligen DFB-Bosses Reinhard Grindel – jenes Schulterzucken in der Öffentlichkeit ausgelöst hatte.
Ceferin war ein unbeschriebenes Blatt. Ein Mann, dem Stallgeruch fehlte. Anders als seinem Vorgänger, dem Fußball-Virtuosen Michel Platini, den man allerdings vom Hof der Uefa gejagt hatte. Platini war angeschuldigt worden, von FifaPräsident Sepp Blatter eine dubiose Zahlung in Höhe von zwei Millionen
Franken angenommen zu haben. So schlug die Stunde des Newcomers. Der in Ljubljana geborene Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei aus familiärem Bestand vertrat in seinem Beruf Spieler und Vereine.
Bis 2006 saß er im Exekutivkomitee des Amateurvereins FC Ljubljana Lawyers. Das war weit weg von der großen Welt des internationalen Fußballs. Dass er von 2006 bis 2011 Mitglied des slowenischen Erstligisten NK Olimpija Ljubljana war, änderte daran nichts. 2011 wurde Ceferin zum Präsidenten des Slowenischen Fußballverbandes gewählt. Allerdings gibt es Zweifel an seinem Lebenslauf, geschürt von der norwegischen Fußball-Zeitschrift Josimar, die bisher nicht beseitigt werden konnten. Sie beziehen sich auf die Frage, ob er nach den slowenischen Statuten lange genug im Vorstand eines Fußballvereins aktiv war, bevor er die Verbandspräsidentschaft übernahm. Auch sein Engagement beim Futsal-Klub KMN Svea Lesna Litija wird infrage gestellt. Hat sich da einer die Voraussetzungen für das Präsidentenamt erschlichen? Als gesichert gilt immerhin, dass der Vater von drei Kindern selbst Fußball und Futsal (Hallenfußball) spielt. Er trägt den schwarzen Gurt der Karatekas und war auch im Motorsport aktiv. Ceferin spricht sechs Sprachen: neben Slowenisch auch Englisch, Italienisch, Serbisch, Kroatisch und Bosnisch.
Anders als sein ebenso vielsprachiger Fifa-Kollege Infantino sorgt er selten für großen Wirbel. Vor kurzem aber ist ihm genau das allerdings doch gelungen. Der Funktionär forderte für die bevorstehende Europameisterschaft (beginnt am 11. Juni) von jedem der zwölf Austragungsorte, zu denen auch München gehört, eine Zuschauergarantie – also Fans auf den Rängen. Eine Forderung, die angesichts des aktuellen Pandemie-Geschehens in den 12 vorgesehenen Ländern für Kopfschütteln sorgte. Kurz danach hat die Uefa die Forderung ihres Präsidenten wieder eingefangen. Immerhin war Ceferin auf diese Weise für kurze Zeit in den Schlagzeilen.
Anton Schwankhart