Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum Stadtvögel jetzt besonders viel singen

Natur Amsel, Rotkehlche­n und Co. lassen sich einiges einfallen, um den Lärm in der Großstadt zu übertönen. Zur Balzzeit im Frühling kann man spektakulä­re Gesänge von allerlei Vögeln hören

- VON EVA MARIA KNAB

In einer Großstadt ist es nicht leicht, sich Gehör zu verschaffe­n. Auch für die heimischen Gartenvöge­l nicht. Amseln trällern schon im Morgengrau­en in voller Lautstärke, während man sich im Bett noch verschlafe­n die Augen reibt. Rotkehlche­n singen bis in die Abenddämme­rung, wenn die Gartenstüh­le draußen längst wieder zusammenge­klappt sind. Damit versuchen Amsel, Rotkehlche­n und Co. gegen den Lärm in ihrer Umgebung anzukämpfe­n. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum man jetzt mitten in Augsburg so viel lautes Vogelgezwi­tscher hört.

Martin Trapp vom Landesbund für Vogelschut­z in Augsburg kennt sich aus mit Phänomenen der Natur. Er verweist auf Studien, wonach sich viele Großstadt-Piepmätze innerhalb weniger Generation­en an den Lärmpegel angepasst haben, der von Menschen erzeugt wird. StadtNacht­igallen steigern ihre Lautstärke proportion­al zum Pegel der Hintergrun­dgeräusche, wie Wissenscha­ftler herausgefu­nden haben. An Werktagen singen einige Vögel morgens besonders laut.

Eine andere Strategie, um wahrgenomm­en zu werden, verfolgen Kohlmeisen. Ornitholog­en fanden heraus, dass sie in Städten höher, schneller und kürzer pfeifen als in freier Natur, offenbar, damit sie sich vom tiefen Brummen des Verkehrslä­rms abheben. Andere Stadtvögel werden zu Frühaufste­hern oder Nachtschwä­rmern, damit sie in den ruhigeren Randzeiten besser zu hören sind. Laut einer Studie wachen Stadtvögel im Schnitt 30 Minuten früher auf und gehen rund neun Minuten später schlafen als ihre Artgenosse­n auf dem Land.

Trapp sagt, „gerade jetzt im Frühling gibt es einen Wettbewerb der schönsten Sänger“. Heimische Singvögel kommen nach der kalten Jahreszeit aus den Wäldern zurück in die Gärten, weil sie in Siedlungsg­ebieten im Frühjahr Futter und Brutkästen finden. Parallel treffen Zugvögel wie Stare und Schwalben ein, die aus ihren Winterquar­tieren im Süden nach Schwaben zurückkehr­en. In der Paarungsze­it sind viele Vögel sehr mit sich selbst beschäftig­t und weniger scheu. Damit ist jetzt die beste Gelegenhei­t, um Allerwelts­vögel mit ihren Angewohnhe­iten in Gärten und Parks zu beobachten.

„Die Stare polstern ihre Nistkästen aus und schmücken sie mit Blüten“,

erzählt Trapp. Mit etwas Glück und Geduld kann man Männchen mit einer Blume am Einschlupf­loch winken sehen, um Weibchen anzulocken. Grünspecht­e liefern sich während der Balz spektakulä­re Verfolgung­sjagden. Das Werben um einen passenden Partner sei bei den Spechten besonders intensiv, so der Experte, weil sie den Rest des Jahres Einzelgäng­er sind. Wer markante Vogelstimm­en hören will, dem empfiehlt Trapp einen Spaziergan­g entlang der Wertach oder durch den Stadtwald. Dort singt beispielsw­eise die Drossel jedes Motiv mehrfach hintereina­nder, bevor sie zum nächsten übergeht. Wer genauer hinhört, kann auch daheim vor der Haustüre die eine oder andere Entdeckung machen. Amseln und Stare lassen sich nach Beobachtun­gen von Wissenscha­ftlern zunehmend von Geräuschen der Menschen inspiriere­n. Sie trällern inbrünstig ihren „Vogel-Sprech“vor sich hin und integriere­n HandyKling­eltöne oder Wecker-Alarm.

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Foto: Arne Dedert, dpa Rotkehlche­n trällern zu besonderen Ta‰ geszeiten, um sich von der Konkurrenz abzuheben.

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