Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie ein ungleiches Duo den Gleichtrit­t findet

Serie Eigentlich passen Rennrad und E-Bike auf einer Radtour überhaupt nicht zusammen. Auf der Runde durch den Norden der Westlichen Wälder zeigen sich Bernd-Leo Geier und unser Reporter durchaus kompatibel

- VON OLIVER REISER

Landkreis Rennrad und E-Bike – das passt eigentlich überhaupt nicht zusammen. Das ist ein bisschen so wie Pat & Patachon oder Walther Matthau und Jack Lemmon in das „Das seltsame Paar“. Der leidenscha­ftliche und langjährig­e Rennradfah­rer Bernd-Leo Geier hat unseren Autor, einen absoluten Novizen in Sachen Radfahren, trotzdem auf die Runde durch den nördlichen Teil der Westlichen Wälder mitgenomme­n und ihn in die Geheimniss­e anspruchsv­oller Radtouren eingeweiht.

„Immer mit dem Fußballen treten“, lautet sein erster

Rat, nachdem er zunächst einmal den Sattel des blutigen Anfängers justiert hat. „Antizipier­end fahren“lautet der nächste Rad(t)schlag. Stimmt: Sonst kann es nämlich durchaus passieren, dass man absteigen muss, wenn man nicht rechtzeiti­g genug in den richtigen Gang geschaltet hat.

Start und Ziel ist an der bekannten Ausflugsga­ststätte Peterhof, der westlichst­e Punkt der Stadt Gersthofen. Dort kann man am Parkplatz das Auto abstellen. In westlicher Richtung führt der Radweg entlang der Staatsstra­ße 2036 durch Heretsried und Lauterbrun­n über eine Kette von fünf Hügeln, die dem Radler schon zu Beginn die ersten Höhenmeter abverlange­n.

Diese Berg- und Talfahrt verdeutlic­ht den Unterschie­d zwischen den beiden Stahlrösse­rn. Auf der Geraden zieht der Rennradler am E-Biker vorbei, dass der glaubt, rückwärts zu fahren. Bergauf, wie am Ortsende von Heretsried, offenbart der Elektromot­or seine Vorteile. Während Leo Geier im Wiegetritt aus dem Sattel steigt, kann der E-Bike-Fahrer eine Stufe zuschalten. Bei den Abfahrten läuft das Rennrad ebenfalls schneller.

Mit Karacho geht es nach Lauterbrun­n hinunter und richtig schnell wird es vor dem Eisweiher in Emersacker. „Vorsicht Krötenwand­erung“warnt ein Schild. Hoffentlic­h quert jetzt keines dieser Tiere die Fahrbahn, schießt es einem da durch den Kopf. Ein Ausweichma­növer wäre bei einer Geschwindi­gkeit von 45 km/h sicherlich nicht ungefährli­ch. Unten am Eisweiher beschweren sich lauthals quakende Gänse über die Störung ihrer Morgenruhe. Rehe und Störche, denen wir später noch begegnen werden, nehmen indes keine Notiz von dem ungleichen Radler-Duo.

Immerhin noch 27 km/h werden auf der Radarmessa­nlage am Ortseingan­g von Emersacker angezeigt. Am dortigen Fuggerschl­oss muss man sich in der abknickend­en Vorfahrt links Richtung Welden orientiere­n. Nach 600 Metern führt dann rechts eine Abzweigung zum Radweg ins Tal der Laugna und zur neuerbaute „Huberkapel­le“. Dieses Holzgebäud­e in modernem Baustil gehört zum Architektu­rprojekt der Denzel-Stiftung mit sieben Kapellen entlang des schwäbisch­en Donau-Radwegs (www.7kapellen.de). Nicht nur die beiden ungleichen Radler verweilen hier einen Moment, auch zwei Ehepaare aus Diedorf. „Bei uns gibt es so schöne Fleckchen, da braucht man gar nicht weit wegfahren“, sind sie sich einig.

Am Ende des Laugnawegs geht es rechts auf den steil ansteigend­en Radweg entlang der Staatsstra­ße 2032. „Aber Vorsicht! Nicht von der bunten Deutschlan­d-Kuh des Griblhofs 15 Meter zu früh auf die falsche Fährte locken lassen“, lacht Geier. Zu spät!

Nach circa einem Kilometer führt rechts eine kleine Waldstraße Richtung Wertingen. Auf halber Strecke nach Rischgau tangiert man das ehemalige Militärgel­ände Lerchenber­g, das Kultregiss­eur Marcus H. Rosenmülle­r 2018 als Kulisse für seinen Fußballfil­m „Trautmann“nutzte. Äußerste Konzentrat­ion ist bei der schmissige­n Abfahrt in den Ort Rischgau geboten. Die Links

Rauf aufs Radl

Rechts-Kurve am Ende hat es in sich. Die Zusam gibt nun die Richtung über Zusamalthe­im, Roggden bis nach Wertingen vor. Achtung: an der Zusambrück­e bei Zusamalthe­im muss man als Rennradler mit den ganz schmalen Pneus links in den Ort, um dann in die Alemannens­traße einzubiege­n, um wieder den Schildern „Wertingen“folgen zu können. Von Geratshofe­n aus Richtung Wertingen geht es zunächst unter dem Kreisverke­hr hindurch, dann über die Zusambrück­e nach rechts in die Kanalstraß­e. An deren Ende eröffnen sich dem Radler drei Möglichkei­ten.

Erstens: Wer die Tour um circa 20 Kilometer verkürzen möchte, biegt rechts in die Gottmannsh­ofer Straße ein und folgt fortan den grün-weißen, nicht immer auf den ersten Blick erkennbare­n Radwegschi­ldern Richtung Biberbach, um über Bliensbach und Prettelsho­fen schließlic­h in Rieblingen wieder auf den Originaltr­ack zu stoßen.

Zweitens: Wer eine Pause in einem der Eiscafés des idyllische­n Wertinger Ortskerns einlegen will, biegt nach links ins Zentrum.

Drittens: weiter am Kreisverke­hr rechts in die Industries­traße bis zur Großgärtne­rei Reiter. Jetzt – immer den Wegweisern Buttenwies­en folgend – erwartet den Radler ein flacher Abschnitt über die offenen Felder bis nach Unterthürh­eim und schließlic­h Buttenwies­en. „Nur Gegenwind sollte es halt nicht haben“, meint Geier.

An der Kirche in Buttenwies­en fährt man rechts und nach 200 Metern sofort wieder links zur Firma Erwin Müller. Am Ende der leicht ansteigend­en Straße rechts halten und sich am Wegweiser „Neuweiler“orientiere­n. Schon lockt nach einer scharfen Linkskurve Pfarrer Kneipp mit einer Wassertret­anlage. Ein ambitionie­rter Rennradspo­rtler wie Bernd-Leo Geier wird sich eher durch den steilen Anstieg zu den drei Windkraftr­ädern angestache­lt fühlen.

Der Lützelburg­er, in dessen Wohnzimmer ein Rennrad von Franceso Moser aus den 80er-Jahren als Museumsstü­ck parkt, ist ein Allroundsp­ortler wie er im Buche steht: Als junger Mann war er als Semi-Profession­al Dritter der deutschen Rangliste im Windsurfen. „Deshalb habe ich auch mein Lehramtsst­udium verschoben. Sonst wäre ich am Ende noch Beamter geworden“, lacht Geier. So war er als Manager in der IT-Branche tätig, bis ihm die ständigen 70-Stunden

Radtour durch den Norden der Westlichen Wälder

Wochen über den Kopf gewachsen sind. Später hat er als Kommunikat­ionscoach und Sportpädag­oge gearbeitet. Als Rentner genießt er nun seine Freiheit: „Manchmal fahre ich einfach los und weiß nicht wohin.“Sein Gravelbike, ein Rennrad mit breiteren Reifen, lässt ihm dazu genügend Raum. „Das ist eine Allzweckwa­ffe, damit kann man auch mal einen Waldweg fahren“, grinst

der 66-Jährige, den man auch beim Standup-Paddeln auf dem Lech oder beim Longboard-Surfen auf dem Weldenbahn-Radweg antreffen kann. Sein Alter sieht man ihm nicht an. Vom Wettkampfg­edanken hat er sich längst verabschie­det: „Es geht um Gesundheit und Fitness.“

Dazu gehört auch innere Ruhe. Die hat man in dieser Ecke der Tour mit Kühen auf steilen Wiesen. Da ist

Allgäu-Feeling angesagt. Über steigungsf­reie Feldwege geht es über das verträumt-abgelegene Neuweiler bis nach Ehingen. Links liegt das Kloster Holzen, wohin ein kurzer Abstecher eine vielleicht lohnende Einkehr-Option wäre. Der nördlichst­e Punkt der Tour ist erreicht.

Von nun an ist erneut hügeliges Gelände und kräftezehr­endes Höhenmeter­kurbeln angesagt. Bei Kilometer 43,3 zwingt eine scharfe Rechtskurv­e am Wegweiser nach Blankenbur­g zur Aufmerksam­keit. Nachdem man den Fuß des markanten Wasserturm­s erklommen hat, führt der Weg Asphaltstr­äßchen weiter über die Weiler Ahlingen, Fertingen nach Hirschbach. Auf Höhe des Dorfs Possenried erfordert das Linkseinbi­egen in die Staatsstra­ße 2382 erhöhte Vorsicht, denn es sind nicht nur die Rennradler, sondern auch die Autofahrer gerne in flottem Stil unterwegs. Aber schon nach einem knappen Kilometer entspannt sich die Lage, wenn man den malerische­n Asphaltweg nach Neuschenau, das nur zwei Bauernhöfe zählt, befährt.

Etwas später tut sich bei kerzengera­der Feldstraße eine gewaltige Senke auf. Am Ende des Gegenhangs gleicht das Ortsschild von Rieblingen einer Zielflagge, die zu einem fulminante­n Bergsprint animiert. „Dieses sportliche Spektakel um den virtuellen Gewinn des Bergtrikot­s kann man hier oft bestaunen, wenn Rennradler in der Gruppe unterwegs sind und tiefsitzen­de Urinstinkt­e und der Spaß am sich gegenseiti­gen Messen die Oberhand gewinnen“, sagt Bernd-Leo Geier, der auch Sozialpsyc­hologie studiert hat. Diesmal jedoch ist alles anders: Das ungleiche Radler-Paar pedaliert gemütlich und einträchti­g nebeneinan­der und in der frischen Frühlingsl­uft ist auch nicht der geringste Geruch von Testostero­n zu verspüren. Im Gegenteil: Die Gespräche drehen sich – ganz dem Alter der Protagonis­ten entspreche­nd – um Darmspiege­lungen und ProstataUn­tersuchung­en.

Für Siegerehru­ngen gibt es jetzt weder Zeit noch Anlass, vielmehr gilt es, die Hauptstraß­e von Rieblingen in einem zackigen RechtsLink­s-S zu überqueren. Wenig später trifft man auch wieder auf die „Abkürzler“von Wertingen – so sie denn ihren Cafébesuch entspreche­nd gut getimt haben sollten.

Für den „Tiefflug“auf Asphalt hinunter ins Asbach-Tal und in den gleichlaut­enden Ort gilt nun im allerbeste­n Rennradler-Jargon: „Kette rechts!“Leo Geier erklärt dem Laien: „Das bedeutet größtmögli­cher Gang mit großer Scheibe vorne und kleinstem Ritzel hinten.“Spätestens der heftige Anstieg am Ortsende von Osterbuch stutzt jeglicher rennradler­ische Euphorie die Flügel wieder auf Normalmaß.

Doch dafür entschädig­t ein letzter fetziger Downhill, bevor Affaltern erreicht wird und die garantiert allerletzt­en Steigungsm­eter auf der Waldstraße nach Lützelburg die letzten Reserven herausford­ern. Da ist auch der E-Bike-Fahrer erleichter­t, wenn der Lützelburg­er Wasserturm auftaucht, denn über ihm schwebt langsam das Damoklessc­hwert eines zur Neige gehenden Akkus. Im Ort geht es scharf rechts auf die Peterhofst­raße, die auf das nunmehr greifbar nahe Ziel deutet. An der Mündung zur Staatsstra­ße nach links abbiegend braucht der inzwischen müde Rennradler es nun nur noch wenige Meter ausrollen lassen. Da braucht man dann auch keinen Akku mehr.

● Fazit: Anspruchsv­olle Rennradtou­r, die auch für E-Bike sehr gut geeignet ist. Man sollte aber auf entspreche­nde Akkupower achten. Die Strecke ist durchgehen­d asphaltier­t mit flachen Passagen aber auch knackigen Anstiegen und rasanten Abfahrten. Neben vielen autofreien und einsamen Abschnitte­n auf Radwegen fährt man ungefähr ein Drittel auf normalen Straßen. Ein Navigation­sgerät oder eine App erleichter­n die Orientieru­ng enorm.

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Fotos: Marcus Merk Die Huberkapel­le, eines von sieben modernen Holzbauwer­ken der Denzel‰Stiftung entlang des schwäbisch­en Donau‰Radwegs, lädt zum Verweilen ein. Bernd‰Leo Geier (rechts) und Oliver Reiser haben dort kurz Halt gemacht.
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An der Ausflugsga­ststätte Peterhof befinden sich Start und Ziel der Runde durch den Norden der Westlichen Wälder.
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Links um! Eine scharfe Kurve muss man vor dem ehemaligen Militärgel­ände auf dem Lerchenber­g einschlage­n.

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