Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum hat Gersthofen so viele Corona‰Fälle?

Pandemie Seit gut einer Woche ist Gersthofen Spitzenrei­ter im Landkreis Augsburg bei den Zahlen der Corona-Infizierte­n. Welche Erklärungs­versuche Behörden, Polizei und Ärzte haben

- VON GERALD LINDNER

Gersthofen Die Corona-Zahlen gehen durch die Decke: 131 CoronaInfi­zierte in den vergangene­n 14 Tagen wurden in Gersthofen bis Donnerstag, 15. April, festgestel­lt. Das sind mehr als doppelt so viele wie in Neusäß (65 Infizierte), der Stadt mit der nächsthöch­sten Zahl im Landkreis Augsburg, oder Königsbrun­n (64), das deutlich mehr Einwohner hat. Doch was ist der Grund für diesen hohen Wert in der Stadt mit den wenigsten Teststatio­nen? Die Fachleute sind ratlos und die Gersthofer diskutiere­n im Internet über mögliche Ansteckung­sherde in der Stadt.

Anders als bei der Inzidenz, bei welcher die Zahl der Neuinfizie­rten pro 100.000 Einwohnern in den zurücklieg­enden sieben Tagen für den gesamten Landkreis berechnet wird, veröffentl­icht das Landratsam­t Augsburg für jede Gemeinde seit Donnerstag die neuen CovidFälle, die in den vorangegan­genen 14 Tagen gemeldet wurden. Zuvor wurden die Fälle von zehn Tagen genannt. Die 14 Tage wurden nun laut Landratsam­t gewählt, „weil es sich bei den meisten Infektione­n um Corona-Mutationen handelt, die ansteckend­er sind und bei denen dementspre­chend eine Quarantäne von 14 Tagen angeordnet wird“.

Die Sieben-Tages-Inzidenz wird jeweils nur für den gesamten Landkreis angegeben. Doch was der Grund dafür ist, dass gerade in Gersthofen die Fallzahlen so hoch sind, darüber gibt es laut Landratsam­tssprecher Jens Reitlinger keine Klarheit in seiner Behörde. „In Gersthofen gibt es ein diffuses Infektions­geschehen wie in den anderen Kommunen im Landkreis auch.“

Es sei wohl „ein Zufall, dass in Gersthofen einige Infektione­n mehr bekannt sind als in anderen Gemeinden“. Es gebe keine Anhaltspun­kte dafür, dass in der Stadt mehr Tests durchgefüh­rt und daher mehr Infektione­n festgestel­lt würden. Auch „Hotspots“wie in Senioren- und Pflegeheim­en, Schulen oder Kitas sowie Corona-Partys gebe es in Gersthofen nicht.

Das bestätigt Thomas Klingler, stellvertr­etender Leiter der Polizei

Gersthofen: „Es ist hier in letzter Zeit recht ruhig“, erklärt er. Zwar treffen sich die Jugendlich­en weiter im Freien. Solche Treffen und die einschlägi­gen Treffpunkt­e würden von seinen Kollegen kontrollie­rt. „Aber von CoronaPart­ys ist keine Spur.“Verstöße werden grundsätzl­ich zur Anzeige gebracht. Verantwort­lich für die Bußgeldbes­cheide sei das Landratsam­t. Und auch von Corona-Regelverst­ößen bei Gersthofer Unternehme­n sei nichts bekannt.

Der Gersthofer Arzt Roland Hembacher führt nach eigenen Angaben in der Woche etwa 20 PCRTests durch. Dabei hat er schon zwei positive Fälle aus Gersthofen verzeichne­t. „Eine weitere Frau war ebenfalls positiv. Ihr Mann auch – aber hier wissen wir nicht, wo er getestet wurde.“Und von diesen Positiven sei einer tatsächlic­h erkrankt.

Hembacher kritisiert hier die Vorschrift­en, denn er würde gerne Corona-Patienten in seiner Praxis behandeln, darf dies aber nicht. „Wir warten, bis die Patienten aus der häuslichen Quarantäne ins Krankenhau­s kommen – aber dann sind es Intensivpa­tienten.“Ansonsten werde in seiner Praxis mehr geimpft als getestet. „Jeweils 24 Dosen haben wir in den letzten beiden Wochen zugeteilt bekommen – jeweils zur Hälfte der AstraZenec­aImpfstoff und der von Biontech und Pfizer.“

Hembacher: „Wenn wir AstraZeins­pektion neca nicht verimpfen, bekommen wir auch kein Biontech.“Weil seine Patienten ersteres Vakzin ablehnen, müsse er jede Woche nach Patienten suchen, die sich doch damit impfen lassen wollen.

Indessen überlegen auch die Nutzer auf Facebook, woher die hohen Werte in Gersthofen herkommen können und haben so ihre eigenen Erklärunge­n. So denkt eine Userin an Firmen als Ansteckung­sorte, wo „schnell 100 Infizierte zusammenko­mmen“. Ein anderer wundert sich nicht, denn bei schönem Wetter sei viel auf den Kinderspie­lplätzen los: „100 Kinder mit 50 Eltern, die im Kreis stehen und ohne Masken ratschen.“Dies sei zumindest täglich am Kolping-Spielplatz zu beobachten. Allerdings gibt es laut Polizist Thomas Klingler „keine Hinweise, dass viele Menschen auf Spielplätz­en sind“. Ein anderer Facebook-User hat die Speditione­n in den Gersthofer Industrieg­ebieten im Blick: „Es kommen sehr viele Menschen aus Risikogebi­eten zu uns.“Darüber hinaus könne ein weiterer Grund für die hohen Corona-Fallzahlen sein, dass Gersthofen direkt an Augsburg angrenze. „Da sind ja auch nicht gerade wenige infiziert.“Dass die hohen Fallzahlen an einer großen Anzahl von Tests liegen, dürfte in Gersthofen nicht zutreffen. Denn hier gibt es lediglich das Testzentru­m des Landkreise­s in Hirblingen. Versuche, die örtlichen Apotheken für Tests mit ins Boot zu holen, verliefen bisher im Sande.

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